Die deutschen Kunststoffhersteller sind fast durchweg „global player“, wie man heute neumodisch gerne sagt. Sie exportieren einen Großteil ihrer Produktion und produzieren zunehmend weltweit. Der Weltmarkt ist ihr Maßstab. Folgerichtig präsentierten sie bei ihren Wirtschaftspressekonferenzen neben Zahlen über die Entwicklung der heimischen Produktion und ihres Verbleibs immer auch solche über die Entwicklung von Weltproduktion und -verbrauch. Seit Gründung von PlasticsEurope ist dieser Part entfallen. Und nicht nur das: Man geht eher stillschweigend über wichtige Trends hinweg, kommentiert sie nicht in dem Maße, wie es eigentlich angemessen schiene. Und das wirft Fragen auf. Doch zuvor die Fakten, wie sie PlasticsEurope präsentiert, gewürzt mit einigen Erkenntnissen, die wir aus der Sichtung der Daten ziehen konnten.

Rückblick auf das Jahr 2006

2006 sei für die Kunststofferzeugung ein gutes Jahr gewesen, so der Vorsitzende von PlasticsEurope Deutschland, Dr. Hilken. Produktion, Verbrauch und Umsatz seien gestiegen, bedingt durch die erfreuliche Belebung der Inlands- und der Exportnachfrage. Der Verbrauch von Kunststoffen hätte sich gut entwickelt, die Produktion sei leicht, der Umsatz recht deutlich gewachsen, so dass die Unternehmen wieder überwiegend schwarze Zahlen hätten schreiben können. Allerdings sei der Rohölpreis weiter gestiegen, die Teuerung hätte man nur unvollständig weitergeben können, so dass der Margendruck anhalte. Die Produktion von Kunststoffen sei um 2,7% auf 18,5Mio. t. gestiegen. Die Umsätze seien insgesamt um 6,1% gewachsen, im Inland habe die Steigerung 8% betragen, im Auslandsgeschäft seien 4,7% mehr erlöst worden. PlasticsEurope wertet die Umsatzsteigerung im Inland als Beweis dafür, dass man von der Konjunkturbelebung profitiert habe. Der Export von Kunststoffen – gemessen in Tonnen – stieg um 3,5%, der Import sei um 14,3% gewachsen. Der Außenhandelsüberschuss sei um 11,7% auf 4,4Mio.t. zurückgegangen. Soweit PlasticsEurope. Und hier beginnen unsere Fragen.

Fragen über Fragen

Den ersten Anstoß dazu geben bereits die von PlasticsEurope zwar präsentierten, aber nicht diskutierten Zahlen zu Produktion und Verbrauch. Mit Ausnahme von 2005 wuchs der Verbrauch von Kunststoffen schneller als die Produktion. Wenn die Produktion langsamer wächst als der Verbrauch, wie wird dann der zusätzliche Bedarf gedeckt? Die Antwort scheint trivial, ist es aber nicht. Einerseits könnte der Mehrverbrauch durch verringerte Exporte gedeckt werden. Andererseits wären auch zusätzliche Importe eine Quelle. PlasticsEurope übergeht diese wichtige Frage elegant, in dem man den rückläufigen Außenhandelsüberschuss so kommentiert: „Hier hinterlässt die verbesserte Inlandsnachfrage ihre Spuren.“ Unklar, was damit gesagt werden soll; eine mögliche Interpretation wäre, dass die Importe bei steigender Nachfrage eben zunehmen, schneller steigen als die Exporte, und dass dies zu einem Rückgang des Außenhandelsüberschusses führen müsste. Nun steht unzweifelhaft fest, dass die einheimische Nachfrage stark gestiegen ist, und zwar um fast 6%. Und dies führt uns zur nächsten Frage: Wäre es da nicht naheliegend anzunehmen, dass die einheimischen Hersteller dann ihre auf dem heimischen Markt abgesetzten Mengen in annähernd gleicher Weise steigern könnten? Wenn wir Produktion, Export und Importe gegenrechnen, erhalten wir den Außenhandelssaldo, den Inlandsverbrauch und den Inlandsabsatz der heimischen Produktion. Die Produktion ist seit 2001 immer gewachsen. Der Export hat eher stagniert, die Importe sind anfangs eher zurückgegangen, in den letzten drei Jahren aber gestiegen. Der Verbrauch veränderte sich drei Jahre kaum, seither ist er angestiegen, im letzten Jahr sogar recht deutlich. Die deutschen Kunststoffhersteller konnten über die Zeit gesehen ihren Inlandsabsatz, in Tonnen gemessen, gerade halten, wenn man von geringfügigen Schwankungen absieht. Interessant wird es aber, wenn man den Inlandsabsatz zum Verbrauch in Beziehung setzt als Marktanteil der inländischen Produzenten. Und hier zeigt sich über die Zeit ein dramatischer Rückgang: Gegenüber 2002 fiel der Marktanteil auf dem heimischen Markt um 10 Prozentpunkte von 52% auf 42%. Allein 2006 betrug der Verlust drei Prozentpunkte. Und dies ist der eigentlich interessante Punkt, der wiederum eine Menge Fragen aufwirft, auf die man gerne Antworten hätte: Warum ist der Marktanteil der inländischen Hersteller auf dem deutschen Markt auch im letzten Jahr wieder gefallen? Waren sie nicht lieferfähig, weil die Kapazitäten ausgelastet waren? Haben sie die Entwicklung einfach verschlafen, zu spät reagiert? Wir erinnern uns: Für 2006 erwartete der VCI im Bereich Kunststoffe gerade mal ein Plus von 2,5%. Eine Andeutung liefert uns der Verband, wenn er formuliert: „Die Gruppe der technischen Kunststoffe ist sehr gut gelaufen, da und dort waren einzelne Produkte fast ausverkauft“. Das könnte darauf hindeuten, dass man von der Konjunkturentwicklung auf dem falschen Bein erwischt wurde. Der rückläufige Marktanteil kann aber auch auf andere Faktoren zurückzuführen sein. Vielleicht lag es ja daran, dass im letztjährigen Kunststoffboom eher Kunststoffe nachgefragt wurden, die längst überwiegend im Ausland hergestellt werden, auch in Produktionsstätten deutscher Hersteller? Oder haben die deutschen Hersteller schlicht an Konkurrenzfähigkeit eingebüßt? Wir könnten die Fragen noch beliebig weiter fortsetzen. Eine befriedigende Antwort ist nicht in Sicht, blieb uns leider auch PlasticsEurope Deutschland schuldig beziehungsweise dort stellte man sich die Frage gar nicht, zumindest nicht öffentlich. Auf jeden Fall erstaunt uns diese Zurückhaltung.

In diesem Zusammenhang wüsste man auch gerne, wie sich die Situation der deutschen Standorte auf dem Weltmarkt darstellt, ob Anteile verloren gingen, gehalten wurden oder gewonnen werden konnten. Es ist völlig klar, dass die Weltunternehmen, die den Verband tragen, die Situation sehr genau beobachten werden, der Verband selbst erweckt aber den Eindruck, als habe er nur den heimischen Markt und allenfalls noch Europa im Visier.

Außenhandel: Im Ausland höhere Preise erzielbar

Immerhin exportiert die deutsche Kunststoffherstellung etwa 70% ihrer Produktion. Der Export 2006 stieg nämlich um 3,5% auf 12,6Mio.t mit einem Exportwert von 18,7 Mrd. Euro oder einem Plus von 8,3%. Offenbar ist das Ausland besonders attraktiv, denn die Preise konnten hier um fast 5% angehoben werden. Dies könnte ein Indiz dafür sein, dass man lieber ins Ausland liefert, wo man höhere Preise realisieren kann als im Inland – und eine weitere Ursache für den gesunkenen Marktanteil im Inland. Knapp über 70% gehen in die EU-Länder, deren Anteil weiter leicht rückläufig ist, zugunsten Asiens und der restlichen (meist ost-)europäischen Länder. Dies ist ein weiteres Indiz dafür, dass man sich zunehmend auf lukrative Wachstumsmärkte konzentriert. Über 80% der deutschen Exporte fließen also immer noch nach Europa. Und man wüsste eben gerne, wie der Marktanteil dort ist. Der Import von Kunststoffen stieg in Tonnen um 14,3%, der Importwert hingegen kletterte um 21,9%. Dies ergibt rechnerische Preiserhöhungen von über 7%, die aber nicht unbedingt echte Preiserhöhungen sein müssen, sondern durch zunehmenden Import höherwertiger Kunststoffsorten bedingt sein könnten. Wie im Vorjahr stammten über 88% der Importe aus der EU, noch mal 4,9% aus dem restlichen Europa. Der Import aus Übersee spielt mit 6% keine große Rolle, wobei der Anteil Asiens sogar etwas zurückgegangen ist.

Wirtschaftliche Lage:Beschäftigungsstand stabil

Da der Ölpreis Mitte des Jahres 20% über dem Rekordniveau des Vorjahres gelegen habe, die Preise insgesamt aber nur um 4,3% angehoben werden konnten, sei der Margendruck weiterhin enorm. Rationalisieren, Umstrukturieren, Konzentrieren, Fusionieren seien weiterhin nötig, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Die Beschäftigung sei weiter um 1,6% auf nunmehr 50800 zurückgegangen, wobei allerdings zu berücksichtigen sei, dass durch Outsourcen auch nach wie vor in der Branche tätige Mitarbeiter nicht mehr als solche geführt würden. Es sei ein Erfolg, dass trotz der schwierigen jüngsten Vergangenheit der Beschäftigtenstand nicht noch weiter gesunken sei.

Politik: Überregulierung ist Gift im globalen Wettbewerb

In den eher politischen Teilen seiner Rede wiederholte der Plastics-Europe-Vorsitzende Dr. Hilken frühere Kritik an zunehmender Überregulierung vor allem durch die EU, wofür die zum 1. Juni in Kraft getretene Chemierichtlinie Reach ein schlagendes Beispiel sei: Sie binde Ressourcen, vernichte Geld und verdiene keines. Die Politik solle sich darauf beschränken, Ziele und nicht Mittel und Wege festzulegen. Der globale Handel sei der Baustein für unseren Wohlstand und zwinge zu Innovation, um die Wettbewerbsfähigkeit aufzuhalten. Man sei zwar überzeugter Europäer, aber die Überregulierung sei Gift im globalen Wettbewerb.

Klimaschutz und Kunststoffe seien aufs Engste miteinander verknüpft: Kunststoffe beanspruchten nur wenig Rohstoffe, könnten zudem wiederverwendet werden, seien langlebig und trügen zur Gewichtsreduktion und zur Wärmedämmung und damit zur Energieeinsparung bei. Darüber hinaus seien sie bei der Nutzung alternativer Energiequellen wie Solarzellen oder Windkraftanlagen unverzichtbar. Mit Kampagnen und Broschüren wolle man diese Fakten weiter ins öffentliche Bewusstsein rücken.

Ausblick: „Solides Wachstum“

Nach allgemeiner Ansicht von Fachleuten seien für dieses und kommendes Jahr solides Wachstum zu erwarten, und zwar jeweils 2,4%. Der VCI gehe von einem Umsatzwachstum der Branche von 2,5% aus. Es herrsche in der Branche allgemein gebremster Optimismus. Die Kunststoffverarbeitung erwarte für 2007 einen Umsatzzuwachs in der Größenordnung von 3 bis 3,5%. Auch für die Kunststofferzeuger habe das Jahr 2007 recht gut begonnen, die Umsatzkurve zeige weiter nach oben. Man gehe davon aus, dass man Zuwächse im Bereich des Wachstums des BIP oder knapp darüber haben werde. Man hoffe also, dass Produktion und Umsätze etwa in der Größenordnung von 2,5 bis 3% steigen würden. Daran erstaunt uns vor allem, dass man sich bei der eigenen Markteinschätzung im Mai an Prognosen des GKV vom Februar orientiert, die schon damals von der Wirklichkeit überholt waren. Und die Vorstellung, dass Umsätze und Produktion etwa im gleichen Maße steigen sollten, erscheint sehr zweifelhaft. Angesichts hoher Ölpreise sind doch eher weitere Preissteigerungen zu erwarten, was wiederum vor allem die Abnehmer brennend interessieren dürfte.

Von der Konjunkturentwicklung auf dem falschen Bein erwischt?

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