Die Untersuchung durch die Unternehmensberatung Deloitte sowie die Anwaltskanzlei Gibson, Dunn & Crutcher hat gezeigt, dass eine Anpassung des Jahresabschlusses 2020 sowie Korrekturen bei den Finanzeckdaten in der Quartalsberichterstattung für 2020 und 2021 erforderlich sind. In der Untersuchung wurde geprüft, ob Rückstellungen und Abgrenzungen falsch gebucht wurden, um die Ergebnisse des Unternehmens so zu steuern, dass interne und externe Ziele erreicht wurden.
Auf die möglichen Manipulationen hatten Mitarbeiter von Clariant das Unternehmen im vergangenen September aufmerksam gemacht. „Wir wissen es zu schätzen, dass unsere Mitarbeitenden uns auf diese Angelegenheit aufmerksam gemacht haben. Ich bin froh, dass die Untersuchung nun abgeschlossen ist und wir dieses Thema hinter uns lassen können. Bei Clariant hat die Förderung einer Unternehmenskultur, die auf die Einhaltung höchster ethischer Standards achtet, weiterhin oberste Priorität“, erkläte CEO Conrad Keijzer.
Gewinn höher als bisher angenommen
Die aufgrund der Anpassung des Jahresabschlusses für 2020 festgestellten Abweichungen von den früher ausgewiesenen Zahlen sind auf zu hohe oder zu niedrige Rückstellungen oder Abgrenzungen zurückzuführen. Die vorläufigen korrigierten Zahlen für 2020 ergeben einen Gewinn (Ebitda) in Höhe von 597 Mio. Schweizer Franken. Dieser liegt damit überraschenderweise höher als das zuvor ausgewiesene Ebitda von 578 Millionen CHF und entspricht einer Marge von 15,5 statt 15,0 %. Die Ergebnisse der Untersuchung haben dagegen keine Auswirkungen auf die in den Jahren 2020 und 2021 ausgewiesenen Zahlen zu Umsatz und liquiden Mitteln. Der Konzern geht davon aus, die endgültig geprüften Ergebnisse für das Gesamtjahr 2021 einschließlich eines angepassten Gesamtjahresergebnisses für 2020 nun bis spätestens 30. Mai 2022 veröffentlichen zu können.
„Erforderliche Maßnahmen umsetzen“: Finanzchef wird ausgetauscht
Clariant habe sich aufgrund des Vorfalls entschlossen, „unsere Kontrollen und Prozesse weiter zu stärken“, wie CEO Conrad Keijzer mitteilte. Infolge der Untersuchungsergebnisse habe das Unternehmen damit begonnen, die erforderlicher Maßnahmen umzusetzen. Dazu zählen Sofortmaßnahmen zur Verbesserung der internen Kontrollen der Finanzberichterstattung (ICOFR), Buchungsverfahren, Trainings sowie individuelle Suspendierungen. Weitere Maßnahmen seien vorgesehen und würden derzeit noch ausgearbeitet.
Verlassen wird das Unternehmen in Folge des Skandals auf jeden Fall der Finanzchef Stephan Lynen. Der Chief Financial Officer (CFO) wird demnach zum 1. Juli 2022 ausscheiden, „um einen Neustart zu ermöglichen“. Dies erfolge „aus eigenem Entschluss“, wie es in der Mitteilung heißt. „Ich habe den persönlichen Entschluss gefasst, mich zurückzuziehen und eine neue Herausforderung zu suchen“, erklärte Lynen.
„Wir sind Stephan dankbar für seine Beiträge in verschiedenen Führungspositionen, die den Abschluss dieser Untersuchung und die Gewährleistung eines reibungslosen Übergangs ermöglicht haben“, sagte Peter Steiner, Vorsitzender des Audit Committee.
Auch ein Nachfolger im Amt des CFO ist schon gefunden. Der Nachfolger Bill Collins wechselt am 1. Juli 2022 vom französischen Energiekonzern Engie zu Clariant. Zuletzt war er dort ebenfalls als Chief Financial Officer sowie als Chief Executive Officer für Nordamerika tätig. Er bringe langjährige Erfahrung ein bei „Performancesteigerungen und umfassenden Transformationsmaßnahmen in komplexen globalen Unternehmen“ ein, unter anderem bei Akzonobel, Eaton sowie Schneider Electric. „Ich freue mich sehr, dass Bill zu Clariant kommt. Er ist eine hoch angesehene Führungskraft im Finanzbereich, und seine Expertise wird sich für die Leitung unserer Finanzorganisation und für unsere leistungsorientierte Kultur als ungemein wertvoll erweisen. Als Amerikaner, der in den USA, Frankreich, Japan, den Niederlanden und der Schweiz gelebt und gearbeitet hat, erweitert Bill die Vielfalt im Führungsteam von Clariant“, erklärte Clariant-CEO Conrad Keijzer.