
(Bild: by-studio – stock.adobe.com)
„Ich habe heute nach Abstimmung innerhalb der Bundesregierung die Europäische Kommission darüber informiert, dass die Bundesregierung die erste Stufe des Notfallplans Gas, die sogenannte Frühwarnstufe, ausgerufen hat,“ erklärte Bundeswirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck. Er betonte, es gebe keine Versorgungsengpässe und die Versorgungssicherheit sei weiterhin gewährleistet. Sowohl für Haushaltskunden und soziale Dienste wie Krankenhäuser als auch für Fernwärme, Stromerzeugung sowie die deutsche Wirtschaft ist ausreichend Gas an den Märkten vorhanden. Habeck führte aber auch aus: „Dennoch müssen wir die Vorsorgemaßnahmen erhöhen, um für den Fall einer Eskalation seitens Russlands gewappnet zu sein.“
Russland hatte in der vergangenen Woche angekündigt, die Bezahlung der Gasimporte nur noch in Rubel zu akzeptieren (hier lesen Sie im Detail, was dies für die Industrie bedeuten könnte). Dies stellt einen Bruch der privaten Lieferverträge dar. Die G7-Staaten haben in einer gemeinsamen Erklärung am 28.03.2022 aus Gründen der Vertragstreue die Bezahlung in Rubel abgelehnt. Die russische Regierung hat dennoch in den vergangenen Tagen in mehreren Äußerungen deutlich gemacht, Zahlungen nur in Rubel zu akzeptieren und gedroht, ohne Rubel-Zahlungen die Gaslieferungen zu stoppen.
Verbrauch so gut wie möglich reduzieren
Um auf mögliche Liefereinschränkungen oder -ausfälle vorbereitet zu sein, hat das BMWK deshalb heute entsprechend Art. 11 der EU-Verordnung über Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Gasversorgung die Frühwarnstufe ausgerufen. Damit ist das verantwortliche Krisenteam zusammengetreten, welches „die aktuelle Situation im Gasnetz engmaschig beobachtet und bewertet“, so die Mitteilung des BMWK. Je nach Versorgungslage können so weitere gegebenenfalls nötige Maßnahmen für eine höhere Versorgungssicherheit ergriffen werden. Mit der Frühwarnstufe des Notfallplans ist ab sofort jeder Gasverbraucher – von der Wirtschaft bis zu Privathaushalten - auch gehalten, seinen Verbrauch so gut wie möglich zu reduzieren.
Was ist der Notfallplan Gas?
Der „Notfallplan Gas“ basiert auf der sogenannten europäischen SoS-Verordnung, konkret der Verordnung (EU) 2017/1938 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2017 über Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Gasversorgung. Er regelt die Gasversorgung in Deutschland in einer Krisensituation. Der Notfallplan Gas kennt drei Eskalationsstufen – die Frühwarnstufe, die Alarmstufe und die Notfallstufe.
Die Frühwarnstufe ist gem. Art. 11 Abs. 1 der europäischen SoS-Verordnung dann auszurufen, wenn es konkrete, ernst zu nehmende und zuverlässige Hinweise darauf gibt, dass ein Ereignis eintreten kann, welches wahrscheinlich zu einer erheblichen Verschlechterung der Gasversorgungslage sowie wahrscheinlich zur Auslösung der Alarm- beziehungsweise der Notfallstufe führt.
Zum Krisenteam Gas gehören neben den Vertreterinnen und Vertretern des BMWK auch Vertreterinnen und Vertreter der Bundesnetzagentur, des Marktgebietsverantwortlichen Gas, der Fernleitungsnetzbetreiber, und es wird durch Vertreterinnen und Vertreter der Bundesländer unterstützt. Das Krisenteam Gas tagt ab sofort regelmäßig, um auf Basis der täglichen Meldungen der Fernleitungsnetzbetreiber und des Marktgebietsverantwortlichen die Entwicklung der weiteren Situation am Gasmarkt zu beobachten und die Leitung des BMWK zu beraten. Die Fernleitungsnetzbetreiber und Verteilnetzbetreiber ergreifen im Rahmen ihrer Verantwortung netz- und marktbezogene Maßnahmen gemäß § 16 und § 16a EnWG (Energiewirtschaftsgesetz), sofern notwendig. Die EU-Kommission und die Nachbarstaaten wurden über die Ausrufung der Frühwarnstufe unterrichtet. Das BMWK steht im kontinuierlichen Kontakt mit der EU-Kommission.
Sofortige oder langsame Entwöhnung von russischem Gas?
Machbarkeit und Konsequenzen einer Einschränkung oder sogar eines vollständigen Lieferstopps für Gas aus Russland werden derzeit scharf diskutiert. Den Forderungen nach harten und konsequent durchgezogenen Sanktionen gegen Russland gegenüber steht die Abhängigkeit der deutschen Industrie von russischem Gas – Deutschland bezieht derzeit 55 % seiner Gas-Importe aus Russland. Chemie- und Stahlindustrie sind als energieintensive Branchen besonders betroffen, der Branchenverband VCI befürchtet eine Rezession und warnt ausdrücklich einem Lieferstopp, den die Industrie nicht verkraften könne.
Auch der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG-BCE) Michael Vassiliadis hält ein sofortiges und umfassendes Gas-Embargo für unmöglich. Schon bei einer Drosselung der Gaslieferungen um 50 %, so Vassiliadis in einem Interview mit dem Deutschlandfunk, müsste der BASF-Standort Ludwigshafen – der größte Chemie-Standort der Welt – vollständig heruntergefahren werden. Bei derart begrenzter Gasversorgung ließen sich die Anlagen dort nicht mehr mit gewährleisteter Sicherheit weiterfahren. Die Folgen wären ein massiver Verlust von Arbeitsplätzen einerseits sowie der Ausfall wichtiger Produkte, die der Standort hervorbringt. Von fehlenden Materialien und Rohstoffen wäre dann unter anderem die Pharmaindustrie, aber auch Kunststoffe und würden noch knapper. Derartig geschwächte Lieferketten würden wiederum die notwendige Transformation zu alternativen Energien weiter ausbremsen. Für machbar, wenn auch ehrgeizig, hält Vassiliadis den Plan einer Entwöhnung von russischem Gas bis 2025.
Engineering Summit 2022 - Folgen des Russland-Konflikts für den Anlagenbau

Wie sich der Russland-Konflikt kurz- und langfristig auf den europäischen Anlagenbau auswirken wird, ist auch Thema des kommenden Engineering Summit, der vom 20. bis 21. Juli 2022 in Darmstadt stattfinden wird. Unter dem Motto „Welcome to the new realities in plant engineering“ werden Führungskräfte aus dem europäischen Anlagenbau die aktuellen Entwicklungen der Branche diskutieren.
Russland war in den vergangenen Jahren einer der Haupt-Auftraggeber des deutschen Großanlagenbaus. Dieses Geschäft wird sich aufgrund der Sanktionen infolge des russischen Überfalls auf die Ukraine verändern. Gleichzeitig wird die beschleunigte Transformation des Energiesektors in Europa zu neuen Chancen und Projekten führen. Im Summit Talk am 21. Juli werden wir das Thema mit führenden Köpfen des Anlagenbaus ausloten. Mehr Informationen unter www.engineering-summit.de
Die größten ausländischen Firmen in Russland

Auf Platz 10 in diesem Ranking landet das einst schwedische, mittlerweile aber niederländische Möbelhaus Ikea. Das Unternehmen ist seit dem Jahre 2000 in Russland tätig und machte dort 2020 einen Umsatz von 2,92 Milliarden Euro. (Bild: André Grohe/Ikea)

Der südkoreanische Elektronikkonzern Samsung Electronics ist bereits seit 1991 in Russland vertreten. In 2020 machte Samsung dort einen Umsatz in Höhe von 2,93 Milliarden Euro und landet damit auf dem neunten Platz. (Bild: saiko3p/adobe.stock.com)

Platz 8 im Ranking geht an den japanischen Autobauer Toyota Motor. 2020 machte das Unternehmen 3,14 Milliarden Euro Umsatz in Russland, wo es seit 2002 tätig ist. (Bild: Toyota)

Den siebten Platz der größten ausländischen Firmen in Russland kann sich der Elektronik-Gigant und Samsung-Rivale Apple sichern. Von den zehn im Ranking aufgeführten Unternehmen kam Apple als letztes nach Russland, nämlich erst im Jahre 2011. 2020 machte der Konzern dort 3,17 Milliarden Euro Umsatz. (Bild: Apple)

Die Groupe Auchan (Platz 6) ist eine französische Warenhauskette, die seit 2002 auch in Russland agiert. 2020 betrug der dortige Umsatz des Unternehmens 3,26 Milliarden Euro. (Bild: WDnet Studio/adobe.stock.com)

Auf Platz 5 landet die Groupe Renault, der zweite Autohersteller im Ranking. Das Unternehmen ist seit 1998 in Russland vertreten und machte dort i2020 einen Umsatz von 3,69 Milliarden Euro. (Bild: Renault)

Ein Jahr nach Renault, also 1999, kam auch das Unternehmen Japan Tobacco International (JTI) nach Russland. Anders als es der Firmenname vermuten lassen würde hat JTI seinen Sitz in der Schweiz. In Russland machte der Tabakkonzern 2020 einen Umsatz in Höhe von 3,7 Milliarden Euro. (Bild: beeboys/adobe.stock.com)

Der dritte Autobauer und zugleich auf dem dritten Platz im Ranking ist die Volkswagen Group. Das Unternehmen ist seit 2003 in Russland tätig und konnte dort 2020 einen Umsatz in Höhe von 3,8 Milliarden Euro verzeichnen. (Bild: Volkswagen)

Den zweiten Platz im Forbes-Ranking kann sich der französische Heimwerker- und Gartenhändler Leroy Merlin ergattern. Das Unternehmen agiert seit 2004 auch in Russland und machte dort in 2020 einen Umsatz von 4,13 Milliarden Euro. (Bild: Alexandr Blinov/adobe.stock.com)

Das größte ausländische Unternehmen in Russland und damit der Spitzenreiter in diesem Ranking ist Philip Morris International, ein amerikanischer Hersteller von Tabakprodukten. Bereits seit 1992 ist der Konzern auch in Russland tätig. 2020 betrug der Umsatz von Philip Morris in Russland 4,3 Milliarden Euro. (Bild: Vitezslav Vylicil/adobe.stock.com)
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