Ziel müsse sein, die Kaufkraft der bundesweit mehr als 580.000 Beschäftigten in der Chemieindustrie nachhaltig zu steigern, heißt es in der Empfehlung des IGBCE-Hauptvorstands, die Verhandlungsführer Ralf Sikorski am Dienstag bei einem Online-Event der Öffentlichkeit vorstellte. Deshalb stellt die Gewerkschaft die Erhöhung der Entgelte und Ausbildungsvergütungen bei der bevorstehenden Tarifrunde ins Zentrum ihrer Bemühungen.
Den Chemieunternehmen geht es gut
„Unsere Leute erleben derzeit zweierlei: rapide steigende Gewinne im Berufsleben und rapide steigende Preise im Privatleben“, sagte Sikorski, der auch stellvertretender IGBCE-Vorsitzender ist. „Beides sind starke Argumente dafür, dass sie deutlich mehr verdienen.“ Der Branche gehe es zum weit überwiegenden Teil hervorragend. Das zeigten nicht nur alle wirtschaftlichen Kennzahlen, das bestätigten auch die Beschäftigten in den Betrieben. In einer Umfrage unter mehr als 2.200 IGBCE-Mitgliedern aus dem Tarifbereich gaben 78 % an, ihrem Arbeitgeber gehe es gut bis glänzend.
Gleichzeitig macht vielen Beschäftigten die hohe Inflation zu schaffen. 42 % gaben an, Teuerungen an anderer Stelle im Haushaltsbudget ausgleichen zu müssen. 15 % der Befragten bleibt am Monatsende nichts mehr übrig. „Wir werden nicht tatenlos zusehen, wie die Inflation das hart erarbeitete Geld der Beschäftigten auffrisst“, machte Sikorski deutlich. „Es steht außer Frage, dass am Ende ein Entgeltplus oberhalb der Teuerungsrate stehen muss.“
Höhere Schichtzuschläge gefordert
Die Forderungsempfehlung sieht außerdem eine Erhöhung der Schichtzuschläge für die Beschäftigten in Nachtschichten auf einheitlich 25 % vor. „Chemieindustrie ohne Schichtarbeiter ist wie Reifen ohne Luft. Sie sind es, die den Laden am Laufen halten“, so Sikorski. Es sei viel über Wertschätzung gesprochen worden in der Corona-Krise – aber fast nie über die Schichtarbeiter in der Chemie- und Pharma-Industrie. Obwohl sie auch im schärfsten Lockdown Tag und Nacht ihre Frau und ihren Mann hätten stehen müssen, um die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. „Und das nicht im Homeoffice, sondern im Betrieb, an der Anlage.“
Heute sei Schichtarbeit für junge Menschen unattraktiver denn je. „Wir müssen und werden das ändern, um dem bereits vorhandenen Fachkräftemangel durch attraktive Arbeitsbedingungen zu begegnen“, sagte der IGBCE-Verhandlungsführer.
Auch mobiles Arbeiten im Fokus
Zudem will die IGBCE in der industriellen Transformation Sicherheit und Schutz für ihre Mitglieder gewährleisten und gute mobile Arbeit für die Zukunft gestalten. „Die Transformation wird in den kommenden Jahren die Arbeitswelt massiv verändern“, so Sikorski. Das Thema mobile Arbeit sei ein erster sichtbarer Beleg dafür. „Wer die Menschen im Veränderungsprozess mitnehmen will, muss soziale Sicherheit und gute Arbeit verbindlich mitdenken.“ So bedürfe es klarer tariflicher Leitplanken für betriebliche Vereinbarungen, „damit wir für die gesamte Branche zu einheitlichen Qualitätsanforderungen an Gute mobile Arbeit kommen“.
Viele Unternehmen hätten in der Corona-Krise zuletzt ihre Ausbildungsanstrengungen zurückgefahren. Das sei nicht nur ein falsches Signal an die junge Generation, sondern auch betriebswirtschaftlicher Unsinn, machte Sikorski deutlich. Die IG BCE will deshalb wieder eine Mindestzahl an Ausbildungsplätzen festschreiben und im Rahmen des Unterstützungsvereins der chemischen Industrie (UCI) neue Fördermöglichkeiten zur Ausbildung lernschwächerer Jugendlicher schaffen.
Verhandlungen starten im März 2022
Die Forderungsempfehlung des Hauptvorstands, die eine Laufzeit des Tarifvertrags von 12 Monaten vorsieht, wird nun unter den IGBCE-Mitgliedern und Beschäftigten in den Betrieben diskutiert, bevor am 22. Februar 2022 die Bundestarifkommission Chemie die endgültige Forderung beschließt. Am 2. März beginnen die Tarifverhandlungen auf regionaler Ebene, bevor sie am 21. März auf die Bundesebene wechseln.