Die chemisch-pharmazeutische Industrie in Deutschland konnte das erste Quartal 2022 insgesamt noch zufriedenstellend abschließen, war dabei aber mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert. Das geht aus dem aktuellen Quartalsbericht hervor, den der Verband der Chemischen Industrie (VCI) veröffentlicht hat. Demnach steigerte Deutschlands drittgrößte Industriebranche die Produktion leicht, weil sich der Pharmabereich positiv entwickelte. Die übrigen Chemiesparten produzierten dagegen weniger. Die Kapazitätsauslastung der Anlagen ging erneut zurück und lag unterhalb des Normalbereichs. Der Branchenumsatz legte vor allem aufgrund der steigenden Erzeugerpreise zu.
Den Chemieunternehmen machten im ersten Quartal Engpässe in den Lieferketten und stark steigende Energie- und Rohstoffkosten zu schaffen. Durch den Krieg in der Ukraine verschärften sich diese Probleme. In vielen Unternehmen herrscht deshalb Rezessionsstimmung. Sorgen bereiten vor allem mögliche Engpässe bei Gas und Öl.
VCI-Präsident Christian Kullmann sagt zur konjunkturellen Lage der Branche: „Vom erhofften Aufschwung nach dem Coronawinter ist nichts mehr übriggeblieben. Die Perspektiven unserer Branche sind wegen steigender Energie- und Rohstoffkosten zunehmend düster. Außerdem drosseln industrielle Kunden wegen gestörter Lieferketten ihre Produktion und bestellen weniger Chemikalien. Ein Gasembargo oder ein Stopp der Gaslieferungen aus Russland hätte zusätzliche verheerende Auswirkungen.“
Prognose angesichts der Ukraine-Krise nicht möglich
Wegen der unabsehbaren Folgen des Kriegs in der Ukraine und der Null-Covid-Strategie Chinas verzichtet der VCI weiterhin auf eine quantitative Vorhersage für die Entwicklung der Branche im Gesamtjahr 2022.
Die Chemie- und Pharmaproduktion in Deutschland stieg im ersten Quartal im Vergleich zum Vorquartal um 1,3 Prozent. Im 12-Monatsvergleich legte die Produktion um 2,8 Prozent zu. Das Wachstum kam aus dem Pharmabereich. Verglichen mit den Monaten Oktober bis Dezember 2021 verringerte sich die reine Chemieproduktion um 1,1 Prozent. Die Kapazitätsauslastung der Branche ging auf 80,9 Prozent zurück.
Die Chemikalienpreise beschleunigten ihr Wachstum im ersten Quartal 2022. Chemieprodukte kosteten 6,7 Prozent mehr als im Vorquartal und 21,6 Prozent mehr als vor einem Jahr.
Mehr Umsatz, stabile Beschäftigungszahlen
Der Umsatz der chemisch-pharmazeutischen Industrie legte aufgrund der kräftig gestiegenen Preise von Januar bis März gegenüber dem Vorquartal um 7,8 Prozent auf 66,3 Milliarden Euro zu. Das wegen Corona schwache erste Quartal 2021 wurde um 28,4 Prozent übertroffen.
Die Zahl der Arbeitsplätze in der Branche ist im ersten Quartal 2022 stabil geblieben. Die Chemie- und Pharmaunternehmen beschäftigen derzeit 473.200 Menschen.
Konjunktureller Tiefpunkt noch nicht erreicht
Der gestiegene Umsatz sollte – so der Verband – nicht über „erhebliche Bremsspuren“ hinwegtäuschen. Die Chemieproduktion (ohne Pharma) sei in Q1 ebenso rückläufig gewesen, wie die Kapazitätsauslastung. Besonders die Fein- und Spezialchemie habe unter den Materialknappheiten, Logistikproblemen und den sprunghaft steigenden Energie- und Rohstoffkosten gelitten. Dadurch seien die Gewinnmargen der Unternehmen unter Druck geraten.
Die Beurteilung der aktuellen Geschäftslage habe sich laut ifo-Institut in den letzten Monaten eingetrübt – seit Beginn des Krieges in der Ukraine herrsche in vielen Unternehmen Rezessionsstimmung. Energie- und Rohstoffkosten, Lockdowns durch die Null-Covid-Strategie in China träfen den globalen Handel empfindlich und störten zunehmend die Chemieproduktion. Der konjunkturelle Tiefpunkt sei noch nicht erreicht.