Die Sicherheitstechnik arbeitet in vielen Dingen ähnlich wie der Journalismus. Vertreter beider Branchen sollten sich beispielsweise um eine gewisse Sorgfaltspflicht bemühen. Es gibt jedoch auch deutliche Gegensätze: Im Bereich Sicherheit gilt Langeweile als begrüßenswert; „No news are good news“, wenn es keine Vorfälle zu berichten gibt, ist das gut.
Dem gewöhnlichen Schreiberling jedoch, ohnehin aufgrund der Wetterlage schon überhitzt wie eine Chemieanlage mit thermostatischen Sicherheitsmängeln, reißt eine Nachrichtenflaute ein veritables Sommerloch in die Datenleitung und lässt die Artikelpumpe kavitieren. Das Ergebnis sind Texte wie dieser. Denn während die Kollegen in der Alltagspresse sich mit Berichten über ungewöhnliche Tiere an gewöhnlichen Orten oder gewöhnliche Tiere an ungewöhnlichen Orten über Wasser halten können, haben wir Fachjournalisten es da schwerer. Meldungen aus dem Tierreich sind für uns eher selten, die Verwechslungen von Dichtungsringen mit Seehunden (Ja, das kommt vor. Andere Geschichte. Fragen Sie Adobe.) lassen wir hier mal außen vor. Es sei denn …
Molch sorgt für Anlagenstillstand
Eine Begegnung der ungewöhnlichen Art hatten Wartungstechniker am Chemiestandort Schwarzfeld-Bitterhafen am vergangenen Sonnerstag: Nach dem wie geplant durchgeführten Austausch der Irritirium-Katalysatoren ließ sich die Flammonium-Rohzuckeröl-Raffinerie nicht wieder hochfahren. Die Ursache war zunächst nicht offensichtlich, stellte sich aber nach anhaltender Fehlersuche als Reinigungsmolch heraus. Im Verlauf der abschließenden Reinigung der Kühlwasserleitungen hatte sich das Kriechtier offenbar in die Rohre geschlichen. „Wir dachten zuerst, das wäre nur wieder so eine SIL-Kröte in der Leitung“, beschreibt der an den Wartungs- und Bergungsarbeiten beteiligte Chemieingenieur Holger Tubus. „Die verfüttern wir normalerweise an die Kühlschlangen, weil die sich sonst durch die Sicherheitsprüfungen schleichen und den ganzen Betrieb aufhalten können.“ Stattdessen hatte jedoch ein Molch die Leitung übernommen.
Erste Versuche, die Amphibie mit sachten Druckstößen zu einem Turnaround zu bewegen, schlugen fehl. Erst mit einem gut geplanten FEED-Projekt ließ sich das Tier hervorlocken, sodass die Unterbrechung zumindest für den Molch ein glückliches und sattes Ende nahm. Für den Anlagenbetreiber wurde es jedoch teuer, der ungeplante Stillstand kostete rund eine Dreiviertelmillion Euro. Edwin Zweiter, stellvertretender Geschäftsführer des Standorts, nahm den Vorfall trotzdem mit Humor: „Diese Kröte müssen wir schlucken, aber sowas kann passieren, wenn man amphi-phil arbeitet.“ Scala Aufsteig, Leiterin der Werksfeuerwehr, zeigte sich vor allem erleichtert: „Zum Glück war der Molch kein Feuersalamander. So ein Drama wie mit den Brandgänsen auf der Raffineriefackel wie im letzten Sommer brauchen wir wirklich nicht wieder. Da lobe ich mir die Langeweile mit nichts zu berichten.“