Zugegeben: Als Zivildienst-Veteran kenne ich den Ausspruch zwar nur aus Erzählungen, aber eine bei Ausbildern der Bundeswehr beliebte Phrase lautet angeblich „Wir verteidigen die Demokratie, wir praktizieren sie nicht.“ Parallelen dazu kann der finden, der sich die jüngste Entwicklung in Sachen Industrie 4.0 ansieht: Die breite Diskussion wurde per Order di Mufti mehr oder minder für beendet erklärt, jetzt übernimmt die Bundespolitik die Leitung der Plattform Industrie 4.0. Plattform – ein Gebilde also für Leute, die hierarchisch wie auch optisch gerne über den Dingen stehen.
Industrie 4.0 – Demokratie 3.0
Dass das unserem Kanzler-Kandidaten in spe gefällt, ist nicht schwer zu glauben. Schließlich ist der Mann nicht nur Berufspolitiker, sondern hatte vor vielen Jahren Lehramt studiert (Deutsch, Politik). Und vertritt damit gleich zwei Berufsgruppen von Menschen, die gerne vor Publikum Dinge erklären, die sie selbst nur selten in ihrer ganzen Tiefe verstanden haben. Es hat zumindest ironische Züge, dass die Belange der Industrie 4.0, an deren Ende ja die Dezentralisierung aller Informationsströme stehen soll, nur wieder in zigarrenrauchverhangenen Hinterzimmern im Top-down-Verfahren entschieden werden sollen. Steht hier nun nach der TTIP-Misere der nächste Shitstorm an, nur dass diesmal der deutsche Mittelstand aufmarschiert und mehr Offenheit und Beteiligung fordert?