Rotting apple

Fallobst des Monats. (Bild: Elroi – stock.adobe.com)

Das Bedürfnis, sein eigenes Handeln zu rechtfertigen und dabei – sagen wir mal – kreativ zu werden, scheint ein tiefmenschliches zu sein. So mag sich schon der ein oder andere von uns als Schüler bei der Verspätung zum Unterricht auf diesen verflixten Schulbus berufen haben. Blöd nur, wenn die eifrige Englischlehrerin dann nachforscht und herausfindet, dass man einfach zu spät an der Haltestelle war. Diese Szene ist natürlich nicht mir passiert, sondern einem Freund von mir – doch, ehrlich!

Mit der Versuchung, jetzt auch die Corona-Pandemie als willkommene Ausrede für alle möglichen Versäumnisse zu nutzen, sind Schüler, Glossenautoren in Fachzeitschriften und EPC-Kontraktoren derzeit nicht alleine. Wenn etwa die deutschen Autobauer plötzlich völlig unverschuldet ihre hochinnovativen Verbrenner nicht mehr loswerden und deshalb – zum Glück erfolglos – lautstark in großem Katzenjammer an den Eingangstüren diverser Bundesministerien kratzen, hat das natürlich ausschließlich mit diesem Virus zu tun. Die Idee, dass diese Probleme sich schon weit vor der Krise abzeichneten und mit der jahrelangen Weigerung, neue Realitäten anzuerkennen, zusammenhängen könnten, ist natürlich ganz abwegig.

Auch bei der Lufthansa dürfte sich der ein oder andere Konzernmanager darüber gefreut haben, die ewig ungeliebte Billigtochter Germanwings aufs Abstell-Vorfeld schieben zu können – allein wegen Corona, versteht sich. Ganz zu schweigen von der Genugtuung, endlich mal die traditionell verwöhnten und störrischen Pilotenkollegen in die Knie zu zwingen, indem man mit dem Streichen Tausender Stellen droht.

Krise als Profitchance

Während die einen also die Corona-Krise als Gelegenheit dafür hernehmen, langes Missmanagement endlich unter den Teppich kehren zu können, nehmen andere die „Krise als Chance“ noch wörtlicher – als Chance nämlich, jetzt mal so richtig Kasse zu machen. Unsere Dax-Konzerne sind jedoch gegen solche Vorwürfe erhaben. Die 20 Mio. Euro, die der Bund für die Entwicklung der Corona-App von SAP und T-Systems hinblättert sind jedenfalls vollkommen gerechtfertigt. Peanuts! Es musste ja schnell gehen. Und mit dem Starttermin schon Mitte Juni sind wir weltweit Vorreiter. Oder?! Klar, in Frankreich war die App nicht nur früher draußen, sondern wurde von einem Konsortium aus Konzernen und Start-ups selbst finzanziert. Dafür sind die Folgekosten bei uns sagenhaft günstig: Nur etwa 3 Mio. Euro kostet der Betrieb den Steuerzahler pro Monat – unter anderem für zwei Support-Hotlines bei der Telekom.

Für alle, die das nicht einfach unter dem Milliarden-Stichwort „Konjunkturhilfe“ verbuchen wollen, lohnt es sich vielleicht gerade in Corona-Zeiten nicht nur bei Anlagenprojekten noch etwas genauer hinzuschauen. So wie meine … äh … diese eine Englischlehrerin.

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