Deloitte-Studie sieht deutliche Veränderungen im Chemiemarkt
Die Chemieindustrie muss sich laut einer Studie von Deloitte in den kommenden Jahren auf starke Veränderungen einstellen. Bild: OMV

Die Chemieindustrie muss sich laut einer Studie von Deloitte in den kommenden Jahren auf starke Veränderungen einstellen. Bild: OMV

In der Studie „The decade ahead: Preparing for an unpredictable future in the global chemical industry“ untersucht Deloitte Finanz- und Leistungskennzahlen (1998 bis 2008) von 231 global agierenden Chemieunternehmen. In dieser Zeit ist die Bruttomarge in der Spezialitätenchemie durchschnittlich um 3,4 Prozent und die der Commodities um mehr als ein Drittel gesunken – Letztere kämpfen mit massiven Überkapazitäten, in der Spezialitätenchemie intensivierte sich der Wettbewerb. Dies spiegelt sich auch in der Erwartung des VCI (Verband der chemischen Industrie) wider, wonach Deutschland 2009 eine um zehn Prozent reduzierte Chemieproduktion und einen Umsatzrückgang von zwölf Prozent zum Vorjahreszeitraum erzielt. Die Studie wirft jedoch nicht nur einen Blick in die Vergangenheit, sondern prognostiziert drei Szenarien für die Entwicklungen der Chemieindustrie bis 2020: In allen spielt der staatliche Einfluss auf die Wirtschaft eine zunehmende Rolle und nur in einem Szenario finden die westlichen Industriestaaten zu alter Stärke zurück. Für alle gilt: Die Chemieunternehmen müssen handeln.
 
„Business-as-usual hat schon in den letzten zehn Jahren nicht zum Werterhalt, geschweige denn zu Wachstum geführt – die Studie macht deutlich, dass die Chemieunternehmen nicht so einfach aus der Krise herauswachsen werden. Marktanteile kommen nicht selbstverständlich zurück, sondern müssen zurückgewonnen werden und gleichzeitig sind die künftigen Rahmenbedingungen des Marktes unsicherer als je zuvor. Deshalb brauchen die Unternehmen neue Geschäftsmodelle und Strategien, um flexibel auf Veränderungen reagieren zu können“, stellt Kai Göbel, Director Manufacturing bei Deloitte, fest.
 
Erträge nehmen seit zehn Jahren ab

Vom Gewinnrückgang der letzten zehn Jahre waren Commodity-Chemieunternehmen am stärksten betroffen, vor allem Überkapazitäten und während der Krise ein radikaler Nachfragerückgang haben die Preise unter Druck gesetzt. Die parallele Rückführung von F&E-Ausgaben um 20 Basispunkte sowie der SG&A-Ausgaben (Sales, General & Administration) um 800 Basispunkte konnten die Ergebnisrückgänge nicht kompensieren. In der Spezialitätenchemie hat der Kampf um Marktanteile zu einem ähnlichen, aber deutlich schwächeren Trend geführt: Die Ausgaben für F&E (40 Basispunkte) und SG&A (270 Basispunkte) sind ebenfalls geschrumpft, bleiben aber auf einem deutlich höheren Niveau.

Die Ursachen für die Rückgänge sind bekannt, aber was ist zu tun, um 2020 zu den Gewinnern zu zählen? Bis 2013 werden 78 Prozent der neuen Kohlenwasserstoff-Produktionskapazitäten (Ethylen) in China und im Nahen Osten in Produktion gehen, die Gesamtkapazitäten dürften sich in der kommenden Dekade verdoppeln und gleichzeitig sind die Cracker im Westen, vor allem aber in den USA bereits betagt. Es stellt sich die Frage, wie wichtig es den Chemieunternehmen in Deutschland und der westlichen Welt ist, die wesentlichen Ausgangsstoffe für die chemische Wertschöpfungskette selbst herzustellen, um Versorgungssicherheit gewährleisten zu können. Sicher ist aber, dass die Commodity-Anbieter hierzulande nur dann erfolgreich sein werden, wenn sie ihr Unternehmen Cash-flow orientiert managen, sich den Zugang zu Kapital sichern sowie schnell und flexibel auf Überkapazitäten reagieren. Dahingegen wird in der Spezialchemie das Wachstum wohl den Profitabilitätszielen untergeordnet. Entscheidend wird sein, Strategien und Geschäftsmodelle zu entwickeln, die flexibel auf die Kundenwünsche ausgerichtet sind und gleichzeitig für Differenzierung gegenüber dem Wettbewerb sorgen.
 
Drei Szenarien zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung der nächsten Dekade
Die Studie beschreibt die gesamtwirtschaftliche Entwicklung der nächsten zehn Jahre und deren Auswirkungen auf die Chemieindustrie in drei Szenarien: Im Ersten leiden die westlichen Nationen unter steigender Inflation und einem Wirtschaftswachstum, welches nicht das Vorkrisenniveau erreicht. Sinkende Margen in Europa engen Investitionsspielräume der Chemieunternehmen ein. Forschungskooperationen sollen die Innovationskraft im Westen sichern. Länder wie China und Indien erfreuen sich eines konstant hohen Wachstums und konzentrieren sich primär auf den heimischen Markt. Im Zuge von Kapazitätskonsolidierungen im Westen entstehen neue Wettbewerber in China, Indien und den arabischen Staaten. Sie profitieren vom Wachstum in ihren Heimatmärkten und haben mit Japan als Partner Zugang zum notwendigen Branchen-Know-how und zu Patenten, um gegenüber westlichen Chemieunternehmen konkurrenzfähig zu sein.
 
Das zweite „Best Case“-Szenario ist durch stabiles Wachstum auf Vorkrisenniveau im Westen und im Osten gekennzeichnet, wobei die Regierungen den Ausbau von alternativen Energien, Biotechnologie und den nationalen Wettbewerb fördern. Versorgungssicherheit tritt für die deutsche Chemie wieder in den Vordergrund.
 
Im dritten Szenario schließlich sinkt das Wachstum im Westen und im Osten – der Export sinkt und Rohstoffpreise sind wegen geringer Nachfrage und Überkapazitäten niedrig. F&E-Effizienz rückt noch stärker in den Fokus der Chemieindustrie.
 
„Selbst im schlimmsten Szenario besteht hoher Bedarf an innovativer Nutzung von Chemikalien. Die Herausforderung für die Chemieunternehmen wird in der eigenen Differenzierung liegen. Das heißt, zu den Gewinnern 2020 zählt, wer möglichst alle künftigen Entwicklungen und Einflüsse auf das Kundenverhalten analysiert und dies flexibel und differenziert in den eigenen Produkten und Kapazitäten abbildet“, so Enrik Schiller, Partner Manufacturing bei Deloitte.

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