Für die chemische Industrie ist die Umstellung auf eine CO2-neutrale Produktion noch schwieriger als für viele andere Industriezweige. Während diese sich „nur“ mit der Frage der Energieeffizienz auseinandersetzen müssen, kommt für die Chemie zusätzlich auch das Thema Rohstoffe dazu. «Polymere, Kunststoffe, synthetische Textilfasern und Medikamente enthalten Kohlenstoff. Irgendwoher muss dieser kommen», erklärt Marco Mazzotti, Professor für Verfahrenstechnik an der ETH Zürich. Und dieses „irgendwoher“ bedeutet im Moment vor allem Erdöl und Erdgas.
CO2-neutrale Produktion braucht mehr Strom
Forscher der ETH Zürich und der niederländischen Universität Utrecht haben daher nun verschiedene Ansätze für CO2-Neutralität der Chemieindustrie miteinander verglichen. Als beispielhaften Fall nahmen sie die Herstellung von Methanol. Ihre Schlüsse vorweg: Das Ziel einer Netto-Null-Emission ist auch in der chemischen Industrie grundsätzlich zu erreichen. Jeder Weg dorthin hat jedoch verschiedene Vor- und Nachteile, die sich geographisch unterschiedlich stark auswirken. Und: Alle CO2-neutralen Ansätze brauchen insgesamt mehr Energie als derzeitige Produktionsweisen, das heißt vor allem mehr „grünen“ Strom.
Ansatz 1: Emissionen speichern
Der erste untersuchte Ansatz sieht vor, weiterhin fossile Rohstoffe zu nutzen, die dabei entstehenden CO2-Emissionen jedoch abzuscheiden und etwa im Boden zu speichern (Carbon Capture and Storage, CCS). Die aktuellen Herstellungsprozesse müssten sich auf diese Weise am wenigsten verändern. Die dazu benötigen Speicherstätten sind jedoch nicht überall auf der Welt verfügbar.
Ansatz 2: Viel Strom für grünen Kohlenstoff
In einer zweiten möglichen Variante käme künftig Kohlenstoff aus CO2 zum Einsatz, das direkt aus der Luft oder aus Industrieabgasen gewonnen wurde (Carbon Capture and Utilisation, CCU). Der Rohstoff ließe sich per Wasserelektrolyse herstellen. Dies hätte starke Auswirkungen auf die Produktionsprozesse, viele Anlagen müssten neu oder stark umgebaut werden. Außerdem braucht es dazu nach Einschätzung der Forscher sechs- bis zehnmal mehr Strom als in der ersten Variante. «Der Ansatz ist nur in Ländern mit einem CO2-neutralen Strommix zu empfehlen», meint daher ETH-Professor Mazzotti. Kommt der Strom dagegen noch aus Kohle- oder Gaskraftwerken, sei dieser Ansatz „für das Klima sogar deutlich schlechter“ als die heutige Produktionsweise.
Ansatz 3: Biomasse mit hohem Flächenbedarf
Der dritte Ansatz der Forscher sieht vor, Biomasse – in Form von Öl-, Zuckerpflanzen oder Holz – als Rohstoff für die Chemieindustrie einzusetzen. In dieser Varianten würde zwar laut der Studie weniger Strom als in den anderen CO2-neutralen Ansätzen benötigt. Allerdings bräuchte es hier sehr viel Ackerfläche, um die Pflanzen anzubauen: Die Forscher setzen den Mehrbedarf auf 40- bis 240-mal mehr Land ein. Auch dies dürfte in vielen Weltregionen schwer umzusetzen sein. (jg)
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