- Die Umwelthaftungsrichtlinie der EU wurde in Deutschland mit dem Umweltschadensgesetz (USchadG) umgesetzt, das am 14. November 2007 in Kraft trat.
- Erst allmählich wird den Unternehmen bewusst, dass hier ganz neue Haftungsgefahren auf sie zukommen, so dass eine Anpassung der Risikomanagementsysteme dringend erforderlich ist.
- Das neue Haftungsrecht der UH-RL tritt selbständig neben schon bestehende zivilrechtliche Haftungsnormen wie etwa das deutsche Umwelthaftungsgesetz.
Deutschland ist seiner Pflicht mit dem Umweltschadensgesetz (USchadG) nachgekommen, das am 14. November 2007 in Kraft trat. Das neue Recht gilt immer dann, soweit nicht andere Gesetze wie insbesondere das Gewässer-, Naturschutz- und das Bodenschutzrecht weitergehende Anforderungen kennen. Es regelt damit einen europaweit gültigen Mindeststandard.
Erst allmählich erkennen betroffene Unternehmen, dass hier ganz neue Haftungsgefahren auf sie zukommen, so dass eine baldige Anpassung der Risikomanagementsysteme dringend erforderlich ist. Kontrolliert wird die Einhaltung des Gesetzes nicht nur von der zuständigen Behörde, sondern auch von Betroffenen und von sog. Nichtregierungsorganisationen, insbesondere von Umweltverbänden, die im Fall eines Umweltschadens ein Einschreiten der Behörde gegen den Verursacher verlangen und sogar gerichtlich durchsetzen können. Auch die scharfen Überwachungsregelungen dürften die Gefahr einer Inanspruchnahme für Umweltschäden weiter erhöhen. Die Umwelthaftungsrichtlinie und das deutsche USchadG gelten für drei Arten von Umweltschäden:
- Schädigungen geschützter Arten und natürlicher Lebensräume (kurz: Biodiversitätsschäden),
- Schädigungen von Gewässern und
- Schädigungen des Bodens (allerdings nur, soweit dadurch zugleich eine erhebliche Beeinträchtigung der menschlichen Gesundheit verursacht wird).
Die Gefahr von Boden- oder Gewässerschäden ist bei nahezu allen Industrieparks gegeben, weil hier typischerweise mit einer Vielzahl an Gefahrstoffen umgegangen wird. Die Gefahr von Biodiversitätsschäden nimmt zu, je näher der Industriepark zu benachbarten Vogelschutz- oder FFH-Gebieten liegt. Unabhängig davon stehen geschützte Arten auch außerhalb von Schutzgebieten unter Schutz. Sollten sich solche geschützte Arten auch in Industrieparks ansiedeln, wo es immer auch naturnah belassene und teilweise gartenähnlich gestaltete Bereiche gibt, dann droht bei deren Verletzung auch hier die Inanspruchnahme wegen eines Umweltschadens. Die Luft gehört dagegen nicht zu den geschützten Ressourcen, weil hier die Feststellung abgegrenzter Schäden weitgehend unmöglich ist.
In zeitlicher Hinsicht gilt folgende Einschränkung: UH-RL und USchadG gelten nicht für Schäden, die durch Emissionen, Ereignisse oder Vorfälle vor dem 30. April 2007, dem Tag des Ablaufs der Umsetzungsfrist der Umwelthaftungsrichtlinie, stattgefunden haben oder die auf eine bestimmte Tätigkeit zurückzuführen sind, die vor diesem Tag geendet hat. Ferner gilt das USchadG nicht für Schäden, die vor mehr als 30 Jahren verursacht wurden, wenn in dieser Zeit keine Behörde Maßnahmen gegen den Verantwortlichen ergriffen hat. Altlasten fallen daher nicht unter das neue Recht; für sie gilt alleine das Bodenschutzrecht (siehe dazu die Folgen 22 und 23 dieser Serie).
Das neue Haftungsrecht der UH-RL tritt selbständig neben schon bestehende zivilrechtliche Haftungsnormen wie etwa das deutsche Umwelthaftungsgesetz, das bereits 1990 ohne europarechtliche Pflicht geschaffen wurde. Gerade wegen der Namensähnlichkeit ist daran zu erinnern, dass beide Rechtsbereiche nicht verwechselt werden dürfen. Das Umwelthaftungsgesetz verpflichtet Betreiber bestimmter Anlagen – vor allem solcher nach der IVU-Richtlinie – dazu, zivilrechtlichen Schadenersatz zu leisten, wenn und soweit Dritte durch den Betrieb der Anlage über Umweltpfade getötet, verletzt oder an ihrem Eigentum geschädigt werden. Auf Verschulden kommt es dabei nicht an; das Umwelthaftungsgesetz begründet eine sog. Gefährdungshaftung. Dagegen betrifft die Haftung nach der UH-RL und dem deutschen USchadG Schäden an öffentlichen Gütern der Umwelt, die niemand sein Eigen nennen kann. Die Interessen dieser Umweltgüter werden stellvertretend von der zuständigen nationalen Behörde wahrgenommen.
Haftung für berufliche Tätigkeiten
In die Haftung nach der UH-RL kann nur der Betreiber geraten, der bestimmte berufliche Tätigkeiten ausübt, wenn er durch die Tätigkeiten einen Umweltschaden verursacht. Zu den „beruflichen Tätigkeiten“ gehören bestimmte wirtschaftliche Tätigkeiten, egal ob sie privat- oder öffentlich-rechtlich ausgeübt werden und unabhängig von ihrem Erwerbscharakter. Abschließend und enumerativ aufgelistet werden sie in Anhang III der UH-RL. Berufliche Tätigkeiten sind hiernach der Betrieb einer IVU-Anlage, Abfallbewirtschaftungsmaßnahmen, Abfallverbringungen, gewässerschutzrechtliche Benutzungen wie das Einleiten von Abwasser, die Gefahrgutbeförderung, gentechnische Arbeiten sowie die Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen in die Umwelt. Rein private Tätigkeiten ohne beruflichen Bezug wie z. B. Gartenarbeit oder Freizeitaktivitäten führen nicht zur Haftung nach der UH-RL. Während die den Betreiber, der bestimmte berufliche Tätigkeiten ausübt, in die Verantwortung nimmt, richtet sich das deutsche USchadG an den sog. Verantwortlichen. Mit diesem Begriffswechsel ist aber keine inhaltliche Änderung verbunden. Der deutsche Gesetzgeber hat ihn aus rechtssystematischen Gründen vorgenommen, weil es sich bei der Umwelthaftung nach der UH-RL der Sache nach um eine öffentlich-rechtliche Verantwortlichkeit handelt; eine Abweichung zum EU-Recht ist damit nicht beabsichtigt.
Kommt es durch eine berufliche Tätigkeit zu einem Umweltschaden, so haftet der Verantwortliche unabhängig von einem Verschulden. Die UH-RL begründet damit eine Gefährdungshaftung auf öffentlich-rechtlichem Gebiet.
Haftung außerhalb beruflicher Tätigkeiten
Ergänzt wird dieses Konzept durch einen Bereich verschuldensabhängiger Haftung. Dieser betrifft aber nur die Schädigungen von Arten und natürlichen Lebensräumen und die unmittelbare Gefahr solcher Schäden und zwar durch berufliche Tätigkeiten, die nicht in Anhang III der UH-RL (= Anlage 1 zum USchadG) aufgelistet sind. In diesen Fällen haftet der Verantwortliche nur bei Verschulden, also wenn er vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat.
Neben dem Verursacher haften auch die Inhaber einer Zulassung und Genehmigung für eine der genannten beruflichen Tätigkeiten, so dass sich kein Betreiber mit der Behauptung entlasten kann, er betreibe die Anlage nicht mehr, übe also keine berufliche Tätigkeit (mehr) aus. Schließlich haftet auch, wer eine berufliche Tätigkeit anmeldet oder notifiziert, was insbesondere bei der Abfallverbringung häufig vorkommt.
Besteht die unmittelbare Gefahr eines Umweltschadens, wird also ein Umweltschaden mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in naher Zukunft eintreten, treffen den Verantwortlichen zwei Pflichten, ohne dass es dazu einer behördlichen Aufforderung bedarf: Zum einen hat er die Behörde über alle bedeutsamen Aspekte des Sachverhalts zu unterrichten und zum anderen hat er die erforderlichen Vermeidungsmaßnahmen zu ergreifen.
Ist ein Umweltschaden bereits eingetreten, dann treffen ihn dieselbe Informationspflicht sowie eine umfassende Sanierungspflicht. In erster Linie ist die Umwelt in ihren Ausgangszustand zurückzuversetzen (Naturalrestitution). Erst nachrangig kommen ergänzende Sanierungsmaßnahmen oder die Ausgleichssanierung in Betracht.
Die Kosten trägt immer der Verantwortliche. Wie aber Umweltschäden auszugleichen und ggf. in Geld zu bewerten sind, ist vielfach noch offen. Anders als die zivilrechtliche Haftung kennt die öffentlich-rechtliche Haftung nach der UH-RL auch keine Höchstbegrenzung.
Befugnisse der Behörden
Die zuständige Behörde überwacht, dass die erforderlichen Vermeidungs-, Schadensbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen ergriffen werden. Dazu kann sie den Verantwortlichen zur Vorlage von Informationen sowie zur Ergreifung der erforderlichen Vermeidungs-, Schadensbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen verpflichten.
In jedem Fall muss der Verantwortliche die auf eigene Kosten zu ermittelnden Maßnahmen zunächst der Behörde zur Zustimmung vorlegen. Die Behörde entscheidet dann nach Maßgabe fachrechtlicher Vorschriften über Art und Umfang der durchzuführenden Sanierungsmaßnahmen.
Gerade im Industriepark sind Konstellationen vorstellbar, bei denen mehrere Unternehmen für einen Umweltschaden verantwortlich sind. Grundsätzlich trifft die Behörde das Nachweisrisiko, wenn sie ein Unternehmen auf Sanierung eines Umweltschadens in Anspruch nehmen will. Dem einzelnen Unternehmen muss also mindestens ein relevanter Beitrag an dem Umweltschaden nachgewiesen werden. Ist das bei mehreren Unternehmen der Fall, weil sie alle schädigend auf den Boden, das Gewässer oder ein nahe gelegenes Vogelschutz- oder FFH-Gebiet eingewirkt haben oder für den Verlust einer geschützten Art in einem bestimmten Gebiet verantwortlich sind, dann steht der Behörde ein grundsätzlich weites Auswahlermessen dahingehend zu, wen sie auf Untersuchung und Sanierung in Anspruch nehmen will. Sie kann nur einen Störer oder alle Störer anteilig heranziehen. Hauptkriterium bei der Auswahl muss sein, wer den Umweltschaden am schnellsten und effektivsten beseitigen kann. Regelmäßig wird die Behörde hier zunächst das leistungsfähigere Unternehmen heranziehen. Das deutsche USchadG gibt dem herangezogenen Störer dann einen zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch gegen andere Störer, der in §24 Abs. 2 BBodSchG nachgebildet ist; Art. 9 UH-RL lässt solche nationalen Regelungen zu.
Konsequenzen auf Unternehmensseite
UH-RL und USchadG zwingen dazu, die Risikobetrachtung auf standortferne Umweltfaktoren auszuweiten. Das Risikomanagement und die Compliance-Prüfung können nicht mehr auf das Unternehmen selbst begrenzt werden, sondern sie müssen das Umfeld mit einbeziehen. In Bezug auf Umweltschäden i. S. d. UH-RL sind die Eintrittswahrscheinlichkeit, die möglichen Schadensausmaße und die damit zusammenhängenden Versicherungsfragen nach den jeweiligen Umweltbedingungen, in die das Unternehmen eingebunden ist, zu ermitteln. Ansonsten wird es schwer werden, die Inanspruchnahme durch Behörden und dahinter stehende Umweltverbände erfolgreich abzuwehren. Außerdem drohen kaum kalkulierbare Schadensbeseitigungskosten. Jedes Unternehmen muss also um Risikotransparenz bemüht sein. Ohne die wird wohl auch kein angemessener Versicherungsschutz zu erlangen sein. Dabei geht es sowohl um Schäden, die aus dem Normalbetrieb der Anlagen erwachsen können, als auch um die Verhinderung von Störungen des bestimmungsgemäßen Betriebs; beide kommen als Auslöser für einen Umweltschaden in Betracht.
Auch die Industrieparkverträge sollten jetzt um vertragliche Regelungen zur Behandlung möglicher Umweltschäden ergänzt werden. Denn vertragliche Vereinbarungen zwischen mehreren Störern sind schon bei der Störerauswahl von der Behörde zu berücksichtigen. Hier kann an die Regelungen angeknüpft werden, die zu schädlichen Bodenveränderungen und Altlasten nach dem BBodSchG vereinbart wurden. Nach der UH-RL und dem USchadG ist künftig bei Bodenkontaminationen, die nach dem 30. April 2007 verursacht werden und die zugleich eine Gefahr für die menschliche Gesundheit bedeuten, zunächst immer der Verantwortliche (Verursacher) heranzuziehen. Erst wenn feststeht, dass der Verantwortliche den Umweltschaden nicht beseitigen kann, darf die Behörde andere Verantwortliche nach §4 BBodSchG heranziehen, d. h. die Verantwortlichkeit des sog. Zustandsstörers nach BBodSchG tritt bei Umweltschäden hinter die Haftung des Verursachers zurück. Deshalb bedürfen vertragliche Regelungen in diesem Bereich jetzt einer Überprüfung.
Ferner geht es um die Abwehr unberechtigter Forderungen im Bereich von Gewässer- und von Biodiversitätsschäden und um die Frage, welches Unternehmen im Industriepark bei einem eingetretenen Umweltschaden die Sanierungskosten zu tragen hat. Hierzu könnten Haftungsgemeinschaften gebildet werden, wenn mehrere Unternehmen gleiche oder ähnliche Emissionen verursachen. Ohne vertragliche Regelung wird ansonsten die Behörde eine Störerauswahl zu treffen haben. Die Sanierungskosten müssen dann in einem Regressverfahren vor den Zivilgerichten nach §9 Abs. 2 USchadG verteilt werden. Dies führt nicht immer zu gerechten Ergebnissen, weil solche Prozesse häufig an Kausalitätsfragen und Nachweisproblemen scheitern, und provoziert Unfrieden unter den Nutzern eines Industrieparks, der durch eindeutige vertragliche Absprachen im Vorfeld möglicher Umweltschäden vermieden werden sollte.
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