Juni 2013

Der Anilinfarbstoff wird mithilfe verschiedener Säuren unter hohen Temperaturen hergestellt. Und vor fast 150 Jahren, genauer gesagt 1867, geschah diese Produktion unter recht rudimentären Verhältnissen – zumindest verglichen mit heutigen Produktionsanlagen – am Bayer-Standort in Barmen, welches seit 1929 ein Stadtteil von Wuppertal ist. Im 19. Jahrhundert wussten die Chemiker dort zwar genau, wie sie Lichtblau erhalten, doch haben sie einigen unnötigen Aufwand betrieben, um es klar und rotfrei herzustellen: Anilinblau wurde mithilfe von Schwefelsäure wasserlöslich gemacht, dies geschah in besagten Tonbehältern. Auf freies Feld gestellt konnten dann die giftigen Dämpfe aus den Tontöpfen abziehen. Bei der weiteren Produktion haben die Arbeiter schließlich noch je Schmelze 48 Eiweiß zugefügt, da sie der Annahme aufgesessen waren, dass dies für die Produktion von Lichtblau nötig sei.

Problem erkannt, Problem gebannt

Doch was tun mit den vielen Eigelb, die sie nun übrig hatten? Die findigen Wissenschaftler fanden dafür eine clevere Lösung und haben sie vor Ort direkt zu Pfannkuchen verarbeiten lassen und anschließend verköstigt. Doch mit steigenden Produktionsmengen an Lichtblau stiegen auch die Mengen der anfallenden Eidotter – ein Großabnehmer musste her, damit die gelbe Masse nicht als Abfallprodukt der Wertschöpfungskette anfiel. Ein hiesiger Bäcker erklärte sich zur Abnahme der Dotter gegen eine kleine Bezahlung bereit und konnte sich nicht zuletzt dank des Rohstoffbezugs aus dem Hause Bayer schnell den Ruf erwerben, die besten Kuchen in Barmen zu backen. Und dieser Ruhm kam ihm zuteil, noch eh die Chemieproduzenten erkannten, dass das Hinzufügen der Hühnerprodukte tatsächlich keinerlei Einfluss auf ihre Farbstoffe hatte.

Kein Bier vor vier?

Die Eiweiß-Anekdote ist nur eine Erzählung von vielen, die Bayer in 150 Jahren Konzerngeschichte aufzuweisen hat. Auch ein weiterer Schwank aus den bewegten Anfangsjahren hat mit Nahrungsmitteln zu tun – genauer gesagt, mit einem Getränk, nämlich mit Bier. Dies kam zwar nicht so direkt in der Produktion zum Tragen wie die vielen Eiweiße, hatte für die damaligen Angestellten aber sicher eine ähnlich hohe Bedeutung: Robert Leyendecker war seit 1893 aufgrund seiner schönen Handschrift im Hauptkontor von Bayer tätig, wie in der Publikation „Meilensteine“ des Konzerns nachzulesen ist. Denn dort wurden seinerzeit Briefe und Rechnungen von Hand mit Kopiertinte geschrieben.

Leyendecker berichtet nun davon, dass einer der maßgebenden Herren vor Ort auch als Aufsichtsrat von zwei Brauereien tätig war. Und so trug es sich zu, dass eine Kantine eingerichtet wurde, in der neben Imbissen zudem jedem Angestellten ein Bierkrug zur Verfügung gestellt wurde. Darüber hinaus wurde tagtäglich und zu festen Zeiten am Vor- und Nachmittag der Pförtnerjunge samt eines Korbes in das Büro geschickt, der dort alle Pulte abschreiten musste mit der Frage: „Bier gefällig?“ Somit konnten sich die Angestellten ab und zu einen Schluck Bier genehmigen und damit eine extra Portion Motivation tanken.[tw]

Mehr zur Farbe
Anilinfarben im Wandel der Geschichte

Im Jahre 1834 hat Friedlieb Ferdinand Runge entdeckt, dass sich aus Anilin Farbstoffe herstellen ließen. Richtig ins Rollen kam die Farbenproduktion jedoch erst 1857, mit der Gründung der ersten Anilin- bzw. Teerfarbenfabrik der Welt nahe London. Und danach war der Siegeszug des künstlichen Farbstoffes nicht mehr zu bremsen: Anilinfarben kamen zum Färben von Stoffen, Holz, Leder, Metall und Spielzeug sowie als Tintenfüllung oder für Tapeten und Buntpapier zum Einsatz. In der 3. Auflage von Merck‘s Warenlexikon, einem Warenkunde-Nachschlagewerk aus dem Jahr 1884, ist eine Markteinschätzung nachzulesen: „Der Wert der Ausfuhr von Anilinfarben und Teerfarben aller Art (Anilinfarben allein sind nicht angeführt) aus dem deutschen Zollgebiete belief sich 1880 auf 31.037.000 Mk, der der Einfuhr nur auf 6.749.000 Mk. – Die Zahl der in den Handel kommenden eigentlichen Anilinfarben ist schon ziemlich groß, noch viel größer ist aber die Zahl der möglicherweise darstellbaren Farben dieser Art.“ Weitere Quellen geben als Wert der Erzeugung 65 Mio. Mark in 1890 an und 1908 bereits 120 Mio. Mark – für die Ausfuhr von 63.000 t.

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