
Mit dem Brexit wird Großbritannien offenbar auch die Zusammenarbeit mit der Chemikalienbehörde Echa sowie in der Reach-Verordnung aufgeben. (Bild: psdesign1 – Fotolia)
„Wir bemühen uns nicht um eine assoziierte Mitgliedschaft in der Europäischen Chemikalienbehörde Echa“, zitiert der Informationsdienst Icis aus einem Brief von Rebecca Pow, Parliamentary Under Secretary of State im Department für Umwelt, Ernährung und ländliche Angelegenheiten. Eine solche Mitgliedschaft war zuletzt als Möglichkeit der Zusammenarbeit nach dem Ausscheiden Großbritanniens aus der EU im Gespräch.
„Wir glauben, dass der Nutzen die Kosten überwiegt“
Laut der dem britischen Industrieverband Confederation of British Industry (CBI) gehört der Chemiesektor zu den Industrien, die am wenigsten von einer Loslösung aus dem europäischen Verbund profitieren könnten: Die Chemieindustrie ist stark reguliert, und die britischen Unternehmen sind stark vom europäischen Markt abhängig. 60 % der britischen Chemieexporte gehen in die EU. Lobbyisten und Industrievertreter hatten sich daher bemüht, nach dem Brexit geltende Regulierungen möglichst im Einklang mit den Regeln der EU halten zu können. Mit einem eigenen Regelwerk rückt dieses Ziel ferner, auch wenn Pow in ihrem Brief eine andere Ansicht vertritt: „Während der Übergang zu einem UK-Reach zwar eine gewisse Übergangszeit erfordert, glauben wir, dass der Nutzen der Kontrolle über unsere eigenen Gesetze die Kosten überwiegt.“
Aus Sicht der UK Chemical Industries Association (CIA) wäre es das Beste für die Industrie, im Rahmen der EU Reach-Verordnung zu verbleiben. Der Industrieverband hofft nun auf mögliche Sonderregelungen, die sich mit einem Freihandelsabkommen mit der EU durchsetzen lassen könnten: „Um Disruptionen im Geschäft zu minimieren, wäre es am effektivsten gewesen, ein Teil von Echa und Reach zu bleiben. Aber es ist deutlich, dass das Vereinigte Königreich und die EU in Zukunft zwei getrennte Gesetzeswerke haben werden, um Chemikalien zu regulieren“, fasste ein Sprecher des Verbandes zusammen. Er fügte hinzu: „Von zentraler Bedeutung für unseren Sektor ist es, dass jedes künftige Abkommen die wirtschaftliche und ökologische Logik anerkennt, eng mit der Chemikalienverordnung REACH verbunden zu bleiben. Daher ist es ermutigend, dass der britische Vorschlag für ein Freihandelsabkommen einen Anhang für Chemikalien vorschlägt, der durch Mechanismen für den Daten- und Informationsaustausch und ein Memorandum of Understanding untermauert wird.“
Neue Anlagenprojekte in den Monaten März bis Mai 2020:

Der Industriegaskonzern Air Products plant eine World-Scale-Anlage zur Herstellung von Methanol aus Kohle in Bengalon, Indonesien. Das Milliardenprojekt ist eines der ersten, in dem mit einer kürzlich geschlossenen Zusammenarbeit erworbene Technologie zum Einsatz kommt.
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(Bild: Air Products)

Advanced Global Investment, ein Joint Venture der Advanced Petrochemical Company (APC) und der SK Group, planen den Bau einer Anlage zur Propandehydrierung im Mittleren Osten. Das Werk soll eine Kapazität von 840.000 t/a Propylen haben.
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(Bild: Clariant)

Der Industriegase-Konzern Linde hat den ersten von zwei neuen Generatoren für hochreinen Stickstoff im chinesischen Shanghai in Betrieb genommen. Die Anlage soll das Gas im Rahmen eines 20-Jahres-Vertrags an den Halbleiter-Hersteller GTA Semiconductor liefern.
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(Bild: Daniel Schweinert – Fotolia)

Von der französischen Großforschungseinrichtung Ganil (Grand Accélérateur National d'Ions Lourds) hat Pfeiffer Vacuum mehrere Großaufträge für die Lieferung von Turbopumpen und speziell gefertigten Vakuumkammern erhalten.
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(Bild: P.Stroppa/CEA)

Sieben Partner haben ein Konsortium für die umweltverträgliche Produktion von 8 kt/a Methanol im Antwerpener Hafen in Belgien gegründet. Bis 2022 soll eine Demonstrationsanlage am Standort des Chemieunternehmens Inovyn entstehen.
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(Bild: Inovyn)

Messer hat eine neue Kohlendioxid-Anlage im kalifornischen Keyes in Betrieb genommen. Von dort aus will der Industriegase-Spezialist Kunden in Nordkalifornien und den umliegenden Regionen über das Schienennetz mit bis zu 450 t/d CO2 beliefern.
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(Bild: Messer)

Neste Engineering Solutions soll für den Raffineriebetreiber Finntoil eine Fraktionierungsanlage für Roh-Tallöl (CTO) bauen. Der Anlagenbauer wird außerdem die entsprechende Prozesstechnologie für die neue Raffinerie im finnischen Hamina zur Verfügung stellen.
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(Bild: Neste)

Der Industriegas-Lieferant Linde hat sein umfangreiches Technologie-Portfolio genutzt, um einen Vertrag mit der Indian Oil Corporation Limited (IOCL), der größten Raffinerie Indiens, zu schließen.
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(Bild: Linde)

Evonik baut sein Engagement in der C4-Chemie weiter aus: Im Rahmen des EU-geförderten Projekts Macbeth will der Spezialchemie-Konzern ein neues Verfahren zur katalytischen Synthese mit entsprechenden Trennanlagen in einem einzigen katalytischen Membranreaktor (CMR) entwickeln.
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(Bild: Evonik)

Thyssenkrupp baut für den Verpackungshersteller Köksan in Gaziantep,Türkei, eine Anlage zur Produktion von Polyethylenterephthalat (PET). Dadurch verdoppelt sich die Produktionskapazität des Standorts auf 432.000 t/a.
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(Bild: Thyssenkrupp)

Der Chemiekonzern Asahi Kasei hat den Betrieb eines Alkali-Wasserelektrolyseurs in der japanischen Präfektur Fukushima aufgenommen. Bei der 10-MW-Anlage handelt es sich nach Angaben des Unternehmens um das weltweit größte System seiner Art, das aus einem einzigen Stack besteht.
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(Bild: Asahi Kasei)

Der Spezialchemiekonzern Evonik rechnet mit einer steigenden Nachfrage nach Hochleistungskunststoffen. Das Unternehmen will deshalb seine Produktion von transparenten Polyamiden im Chemiepark Marl ausbauen.
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(Bild: Evonik)

Mit einem neuartige Verfahrenskonzept für zweiphasige Biogasanlagen lassen sich neben Biogas zusätzlich organische Säuren für die stoffliche Verwertung gewinnen. Diese können als Plattformchemikalien dienen und herkömmliche Grundchemikalien aus fossilen Rohstoffen ersetzen.
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(Bild: Sebastian Reinhardt, Fraunhofer ICT)

Der Industriegas-Konzern Air Products übernimmt den Betrieb von fünf Wasserstoff-Dampf-Methan-Reformern (SMR) des US-amerikanischen Raffinerieunternehmen PBF Energy und steigert damit seine Produktionskapazität für Wasserstoff um fast 8,5 Mio. Kubikmeter pro Tag.
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(Bild: Air Products)

Gea unterstützt das Unternehmen Utkal Alumina International bei der Kapazitätserweiterung von dessen Aluminiumoxid-Raffinerie im indischen Bundesstaat Orissa. Der Anlagenbauer liefert die inzwischen dritte Verdampferlinie.
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(Bild: GEA)

Der ungarische Mineralöl-Konzern MOL hat im Zuge der Corona-Krise mit der Produktion von Hand- und Oberflächen-Desinfektionsmitteln begonnen. Das Unternehmen hat dazu in Rekordzeit eine Produktionsanlage umgestellt.
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(Bild: MOL)

Ab Ende 2022 soll ein öffentlich zugängliches Wasserstoffnetz Industrieunternehmen in Niedersachsen und NRW mit grünem Wasserstoff versorgen. Das Projekt der Partner Evonik, BP, RWE, Nowega und OGE wäre das erste seiner Art in Deutschland.
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(Bild: Evonik)

Der Industriegaskonzern Air Products hat eine Vereinbarung über die Bereitstellung seiner firmeneigenen LNG-Technologie, Ausrüstung und der damit verbundenen Prozesslizenz und Beratungsdienste für das LNG-Projekt in Mosambik unterzeichnet. Die dort entstehende Produktionsanlage wird das erste Onshore-LNG-Projekt in dem südostafrikanischen Staat sein.
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(Bild: Air Products)

Die Anlagenbausparte von Samsung errichtet mit Long Son Petrochemicals gerade das erste vollintegrierte Projekt eines petrochemischen Komplexes in Vietnam. Wie AEG Power Solutions jetzt mitteilte, wird der Hersteller die Anlagen für die Notstromversorgung der Sicherheits- und Steuerungssysteme liefern.
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(Bild: AEG)

Für seine neue Hydrieranlage in Speyer hat Haltermann Carless, ein Anbieter von Lösungen für Kohlenwasserstoffprodukte, einen 70 t schweren Tank aufgestellt. Damit ist die Installation von Schwerbauteilen beendet und die Inbetriebnahme rückt näher.
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(Bild: HCS Group)

Ein Konsortium aus Gasunie, Groningen Seaports und Shell Nederland hat ein Großprojekt für grünen Wasserstoff gestartet. Unter der Bezeichnung NortH2 sollen im niederländischen Eemshaven in der Provinz Groningen aus Windenergie jährlich 800.000 Tonnen H2 produziert werden.
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(Bild: Covestro)
Die Abkehr vom EU-Reach und die Einführung eines eigenen Systems bedeutet, dass britische Firmen ihre Registrierungen an einen einzigen Vertreter in der EU übertragen müssen, um weiterhin Produkte in der Region verkaufen zu können. Britische Firmen und EU-Akteure, die in das Vereinigte Königreich verkaufen wollen, müssen auch den Registrierungsprozess im Land erneut durchlaufen. Die britische Regierung hat erklärt, dass die EU-Reach-Registrierungsdaten in das lokale System übernommen werden können, wenn andere Mitglieder des Konsortialmodells zur Sammlung von Informationen über Chemikalien die Verwendung der Daten erlauben. Das bedeutet auch, dass die EU-Akteure sich in einem neuen System registrieren lassen müssen. Käufer von Chemikalien wie Automobilhersteller, die eine direkte Beteiligung am Reach-Prozess bislang vermeiden konnten, werden nun als Importeure eingestuft und unterliegen direkt den Registrierungsregeln.
Die Registrierungskosten werden voraussichtlich die gleichen sein wie im EU-Reach, aber die Akteure werden Zugang zu einem viel kleineren Markt erhalten. Der Konzern BASF hat geschätzt, 1.300 Stoffe bei UK Reach registrieren zu müssen, im Vergleich zu 2.000 für die gesamte EU. Gegenwärtig gibt es schätzungsweise 700 Chemikalien, die britische Firmen verwenden, die aber nicht im Inland hergestellt werden. Auch muss der UK-Registrierungsprozess innerhalb von zwei Jahren abgeschlossen werden, im Vergleich zu mehr als einem Jahrzehnt unter EU-Reach. Diese Zeit könnte jedoch verlängert werden: „Wir sind uns bewusst, dass es für die Unternehmen schwierig sein könnte, die erforderlichen Daten innerhalb des Zweijahres-Zeitraums zu erhalten, daher werden diese Zeitrahmen überprüft“, sagte Pow.
„Perfekter Sturm“
Das britische Parlament hat bisher Angebote der Europäischen Kommission zurückgewiesen, die Brexit-Übergangsfrist angesichts der Coronavirus-Pandemie zu verlängern. Das bedeutet, dass das Land nach wie vor am 1. Januar 2021 in der Lage ist, sich vom EU-Recht zu lösen, nach dem wirtschaftlich turbulentesten Jahr seit fast einem Jahrhundert und mit dem Potenzial für einen zweiten Anstieg der Infektionsraten während des Winters. Minister der regierenden Konservativen Partei haben spekuliert, dass die endgültige Abspaltung von der EU während einer Pandemie die Auswirkungen strengerer Zollgrenzen verringern könnte, da die normalen Handelsvorgänge bereits unter dem normalen Niveau liegen. Der Vorsitzende der Chemical Business Association (CBA) Darren Budd beschrieb dagegen die doppelte Herausforderung von Coronavirus und Brexit als „perfekten Sturm“ für den Sektor: „Wir leben in beispiellosen Zeiten – und Zeiten voller kommerzieller, finanzieller und gesundheitlicher Gefahren“, sagte er im April in einer Rede.
Die Auswirkungen der Entscheidung, die assoziierte Mitgliedschaft fallenzulassen, sind fast zu zahlreich, um sie aufzuzählen, fasst der Icis-Bericht zusammen: Zur steigenden Wahrscheinlichkeit von Zöllen beim Transfer von Produkte aus der EU in das Vereinigte Königreich und umgekehrt kämen Probleme, mit denen sich britische Firmen seit einer Generation nicht mehr befassen mussten. Die komplexen, miteinander verknüpften Lieferketten, die sich zwischen Insel und Kontinent gebildet haben, könnten aufbrechen. Nach Jahren, in denen sich viele Unternehmen mit drastischen Reaktionen auf Brexit zurückgehalten haben, in der Hoffnung, dass letztendlich eine Art von Vereinbarung für den Sektor vermittelt würde, sei ein unerbittlich dramatisches Jahr plötzlich noch komplexer geworden. (ak)
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