Als ob der Ölgigant Saudi Aramco sekundieren wollte: Fast zeitgleich mit der Veröffentlichung des IEA-Berichts zur Zukunft der Petrochemie gab der größte Ölförderer der Welt im Oktober bekannt, künftig täglich zwischen 2 und 3 Mio. Fass Rohöl für die Produktion von Petrochemie verwenden zu wollen – ein Viertel der Gesamtproduktion von Saudi Aramco (10,7 Mio. barrel/d). Die Energieexperten der Internationalen Energieagentur IEA hatten wenige Tage zuvor aufgezeigt, dass der Bedarf an petrochemischen Produkten – darunter Dünger, Synthesekautschuk und vor allem Kunststoffe – bis 2030 um 30 % und bis 2050 um 60 % steigen wird; und damit die Träume nach einem mit der Elektromobilität sinkenden Ölbedarf zunichte macht.
Chemie-Rohstoffe lassen sich nicht dekarbonisieren
„Die Ausgangsstoffe für die Chemie können nicht dekarbonisiert werden“, bringt die IEA das Dilemma auf den Punkt. Derzeit nutzt die Petrochemie 14 % der Öl- und 8 % der Gasproduktion, umgerechnet täglich 13 Mio. Fass Öl. Bis 2050 wird der Ölbedarf für die Petrochemie-Produktion um weitere 7 Mio. Fass pro Tag steigen. Es wäre naiv, zu glauben, dass sich die Kunststoff-Flut durch ein Verbot von Plastik-Strohhalmen aufhalten lässt. So stellt die IEA fest, dass in Industrienationen pro Kopf 20-mal mehr Kunststoffe und 10-mal mehr Düngemittel eingesetzt werden als in Entwicklungsländern. China, Indien und Afrika werden den Bedarf mit fortschreitender Entwicklung weiter anfeuern.
Geschieht diese Entwicklung auf Basis der aktuellen Technologien, werden die Folgen für die Umwelt und das Weltklima gravierend sein. Dann könnte sich der Plastikabfall in den Ozeanen versiebenfachen – so die Projektionen der Energieforscher. Das Szenario birgt politischen Sprengstoff. Deshalb beschreibt die IEA auf Basis der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen ein „Clean Technology Szenario“ (CTS), das eine ganze Reihe an Maßnahmen vorsieht. Darin spielt die Abscheidung, Nutzung und Speicherung von Kohlendioxid neben dem Ersatz von Kohle durch Erdgas und Energieeffizienz-Maßnahmen die zentrale Rolle.
Und weil die IEA in erster Linie eine Energieagentur ist, lautet das Fazit: „Aufgrund der beschränkten Verfügbarkeit wirtschaftlicher Alternativen zu Öl als Petrochemie-Rohstoff bleibt der Ölbedarf weiter stabil.“