- Hinter Force Majeure verbirgt sich ein Krisenfall, der ein Unternehmen oder eine Institution allen Vorbeugemaßnahmen zum Trotz ereilen kann.
- Die deutsche Rechtsordnung ordnet Force-Majeure-Rechtsfälle dem Zivilrecht zu. Nach §275 BGB sind Vertragspartner von der Leistungspflicht freigestellt.
- Aus der Force Majeure ergeben sich jedoch nicht nur Haftungsfragen hinsichtlich der Leistungserbringung. Beim Krisenmanagement kommt es auch auf die Informationspflicht gegenüber den Kunden an.
Hinter Force Majeure, einem Begriff, der so unscheinbar und schon fast charmant französisch klingt, verbirgt sich ein Krisenfall, der ein Unternehmen oder eine Institution allen Vorbeugemaßnahmen zum Trotz ereilen kann. Umgangssprachlich bekannt als „höhere Gewalt“ umfasst der Begriff jegliche Naturkatastrophen wie z. B. Erdbeben, Überschwemmungen, Unwetter oder Vulkanausbrüche, aber auch Brände, Bürgerkriege, Geiselnahmen und Sabotagen. Das ist lediglich ein Auszug aus einer langen Liste von möglichen Ereignissen, die unvorhergesehen und ohne Ihr eigenes Verschulden die Produktionskette im Betrieb unterbrechen können.
Sie können ein Unternehmen unerwartet nicht nur in Lieferschwierigkeiten bringen, sondern im Extremfall in seiner Existenz bedrohen. Auch Verkehrsunfälle, Terrorismus oder unter bestimmten juristischen Voraussetzungen Streiks fallen in die Force-Majeure-Kategorie. In der global vernetzten Wirtschaft, sind die Auswirkungen nicht nur in der unmittelbar betroffenen Region oder einem einzelnen Unternehmen spürbar. Störungen können alle Akteure innerhalb der Wertschöpfungskette betreffen, vom Hersteller über Zulieferbetriebe bis zum Endverbraucher.
Kommunikation hat rechtliche Konsequenzen
Die Rechtsprechung geht von einem Ereignis höherer Gewalt aus, wenn es „von außen kommt, nicht voraussehbar ist und auch durch äußerste vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht abwendbar ist“. Die deutsche Rechtsordnung ordnet Force-Majeure-Rechtsfälle dem Zivilrecht zu. Nach §275 BGB sind Vertragspartner von der Leistungspflicht freigestellt, soweit die Erbringung der Leistung für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist. Im englischsprachigen Raum lassen sich Force-Majeure-Fälle weniger einfach regeln. Das dort herrschende Common Law befreit den Lieferanten nicht von seiner Leistungspflicht und sieht unter Umständen Schadensersatzansprüche vor.
Doch auch im deutschen Rechtsraum gibt es Fälle, die nicht eindeutig zuzuordnen sind, etwa bei Rohstoffmängeln, die der Produzent nicht absehen und beheben konnte. Deshalb finden sich in vielen AGBs und Verträgen gesonderte „Force-Majeure-Klauseln“, die Schadenersatzansprüche genauer regeln. Aus der Force Majeure ergeben sich jedoch nicht nur Haftungsfragen hinsichtlich der Leistungserbringung. Besondere Aufmerksamkeit sollte im Prozess des Krisenmanagements auch der Informationspflicht gegenüber Kunden zukommen. Wann muss der Kunde informiert werden, und wie weit muss der Kreis der zu Informierenden gefasst werden? Zu beachten ist auch: Es gibt keinen eindeutigen Automatismus, wann Force Majeure zum Tragen kommt.
Konkret bedeutet das: Jedes Unternehmen muss für sich klären, ob tatsächlich Force Majeure ausgerufen werden muss. Damit man sich auf Force Majeure berufen kann, muss die Kommunikation „unverzüglich, ohne schuldhaftes Zögern“ erfolgen. Das schließt aber nicht aus, dass zunächst geprüft wird, ob eine Ersatzproduktion oder -lieferung möglich ist. Könnte Ihr Unternehmen von Force Majeure betroffen sein, sollten Sie bereits im Vorfeld festlegen, welche Prüfschritte vorzunehmen sind und bis wann spätestens die Entscheidung über die Mitteilung von Force Majeure gefällt werden muss.
Ist es dann soweit, muss die Kommunikation jedem betroffenen Vertragspartner gegenüber in Form von Kundenbriefen oder in anderer schriftlicher Form individuell erfolgen. Das bedeutet auch: Wenn Ihr Lieferant nicht lieferfähig ist und Force Majeure als Grund angibt, befreit seine Mitteilung Ihr Unternehmen nicht von der entsprechenden Informationspflicht gegenüber Ihren eigenen Kunden. Sind weitreichende finanzielle Folgen mit Kapitalmarktrelevanz zu erwarten, greifen die üblichen Informationspflichten gegenüber den Anteilseignern. Vorsicht aber vor einer übereilten flächendeckenden Information: Das könnte unter Umständen zu kartellrechtlichen Fragen führen.
Weder zuviel noch zu wenig kommunizieren
Force Majeure ist ein Krisenfall, auf den man sich gut vorbereiten kann. Wegen der möglichen rechtlichen Folgen aus „zuviel“ oder „zuwenig“ Kommunikation sollten die entsprechenden Prozesse, Verantwortlichkeiten und Stakeholder im Vorfeld klar benannt sein. Dafür kann, in Anlehnung an das allgemeine Krisenhandbuch, ein „Force-Majeure- Handbuch“ behilflich sein, das interne Abläufe und Verantwortlichkeiten zwischen allen beteiligten Abteilungen im Ernstfall regelt. Was darf man sagen und wie? Und nicht zuletzt ist wichtig, wer hat das Sprachrecht gegenüber der Presse? Viele dieser Fragen können bereits im Vorfeld geklärt und durch entsprechende Sprachregelungen und Standardtexte beantwortet werden.
Wie beim allgemeinen Krisenhandbuch gilt auch für das Force-Majeure-Handbuch: Ob es in gedruckter oder digitaler Form vorliegt, ist weniger relevant. Vielmehr kommt es auf die Aktualität an und darauf, dass die zuständigen Akteure wissen, wo es zu finden ist. Unverzichtbar sind Kapitel wie Funktionen, Zuständigkeiten, Erreichbarkeiten, Telefonlisten, Verhaltensweisen/Informationsaustausch oder Arbeitsprozesse. Wie bei jeder Krisenkommunikation gilt auch im Force-Majeure-Fall: Die Kommunikation sollte Grundsätze wie Offenheit, Transparenz, Glaubwürdigkeit und Dialogorientierung folgen und schnell (aktiv und zeitig), wahrhaftig (sachlich), verständlich (kurz, einfach, bildhaft) und konsistent (einheitlich, koordiniert, kontinuierlich) erfüllt werden.
Monitoring der sozialen Medien ermöglicht schnelle Reaktion
Unterschätzen Sie die Wirkung der Social-Media-Kanäle nicht. Mutmaßungen über das Ausmaß eines Krisenfalls, der durch höhere Gewalt verursacht wurde, bilden sich schnell zu Hashtags. Heute kann jeder Sender und Empfänger von Nachrichten sein, die Grenzen sind nicht mehr strikt vorhanden. Jeder ist in der Lage, durch seine Sociall-Media-Kanäle eine große Community mit seinen Botschaften zu erreichen. Die Erwartungshaltung, mit schnellen Antworten bzw. Statements zu jeder Tageszeit bedient zu werden, ist bei allen Zielgruppen ausgesprochen hoch. Durch ein im Vorfeld angelegtes Monitoring können Sie im Krisenfall schneller reagieren und dadurch die Verbreitung von Falschmeldungen eindämmen. Zusätzlich behalten Sie die Deutungshoheit über die Situation und verringern somit das Ausmaß der Krise. Zudem stellen Sie sicher, dass das Unternehmensimage nicht unter der Krisensituation leidet.
Ein gesundes Mittelmaß an kompetenter und offener Information gegenüber Kunden und Lieferanten stellt sicher, dass Ihre Stakeholder Ihnen auch im Krisenfall vertrauen. Kommunizieren Sie Force Majeure nicht zu beliebig, aber zögern Sie auch nicht, rechtzeitig Kontakt zu Ihren Kunden und Lieferanten aufzunehmen und diesen Rede und Antwort zu stehen. Geben Sie Sachverhalte unaufgeregt und so exakt wie möglich weiter und bieten Sie Ihren Kunden an, gemeinsam nach möglichen Lösungen zu suchen. Eine gelungene Kommunikation während des Krisenfalls steigert das Vertrauen in Ihr Unternehmen und sorgt so für stabile Kunden- und Lieferantenbeziehungen. Und wie für jeden Krisenfall gilt: Gelungenes Krisenmanagement ist eine Teamleistung, aber die Verantwortung für eine gute Vorbereitung und einen geregelten Ablauf liegt beim Management.
Mehr zum Krisenmanagement für Führungskräfte und Entscheider unter www.dechema.de/krisenmanagement