Concept on theme of freedom.

Unternehmen benötigen heute zunehmend Mitarbeiter, die ihre Arbeitssteuerung selbst in die Hand nehmen. (Bild: svetazi – AdobeStock)

Mitarbeiter und Teams tun dies nur allmählich. Das ist zumindest dann der Fall, wenn das Ziel lautet: Sie sollen nicht nur Routineaufgaben weitgehend eigeninitiativ und -verantwortlich erfüllen, sondern auch neue, herausfordernde Aufgaben, die man nicht nach dem gewohnten Schema F abarbeiten kann. Genau solche Mitarbeiter und Teams benötigen die Unternehmen zunehmend in der von rascher Veränderung und sinkender Planbarkeit geprägten VUCA-Welt. Dies gilt zumindest dann, wenn sie schnell und flexibel bzw. agil auf Marktveränderungen und veränderte Kundenwünsche reagieren und ihre Innovationskraft und -geschwindigkeit steigern möchten.

Am Anfang steht die Analyse

Doch gilt das für alle Aufgaben? Nein! Denn auch in der VUCA-Welt gibt es in jedem Unternehmen Aufgaben, die, wenn nicht nach Schema F, so doch nach definierten Standards erledigt werden müssen, damit zum Beispiel die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden oder den Kunden zeit- und ortsunabhängig stets die gewünschte Qualität geliefert wird. Deshalb sollten Unternehmen, die beispielsweise ihre Agilität erhöhen möchten, um zukunftsfit zu sein, zunächst analysieren: In welchen Bereichen unserer Organisation ist zum Erfüllen welcher Aufgaben eine solche Agilität von Nöten? Und: Müssen unsere Mitarbeiter und Teams deshalb über eine hohe Kompetenz zur Selbstorganisation und Selbstführung verfügen? Steht dies fest, sollte bezogen auf die betreffenden Bereiche analysiert werden: Wie reif ist der Bereich für eine Selbstorganisation? Denn damit sich dessen Mitarbeiter und Teams weitgehend selbstständig führen und organisieren, müssen gewisse Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Voraussetzung 1: Die Mitarbeiter und Teams müssen dazu bereit und fähig sein, Verbesserungschancen eigenständig wahrzunehmen und zu nutzen. Entsprechendes gilt für Probleme, die letztlich immer Verbesserungs- und Lernchancen sind. Auch diese müssen sie in der Lage sein zu erkennen, deren Ursachen zu analysieren und zu lösen. Sonst überfordert sie die Aufforderung „Organisiert euch und eure Arbeit selbst“ – insbesondere, wenn zudem nicht die nötigen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden.
  • Voraussetzung 2: In dem Bereich muss eine Vertrauenskultur bestehen – und zwar hierarchie- und funktionsübergreifend. So müssen die Führungskräfte unter anderem das Vertrauen haben, dass die Mitarbeiter und Teams über die Kompetenz verfügen, die ihnen übertragenen Aufgaben den angestrebten Zielen gemäß zu erfüllen. Sonst bekommen die Mitarbeiter weder die Entscheidungs-, noch Handlungsbefugnisse, die sie für ein eigenständiges Handeln brauchen. Zudem müssen die Mitarbeiter darauf vertrauen, dass ihre (Team-)Kollegen die ihnen übertragenen (Teil-)Aufgaben wie vereinbart ausführen. Sonst sind Konflikte im Team vorprogrammiert, die zu Reibungs- und somit Effizienzverlusten führen. Zugleich müssen jedoch die Mitarbeiter und Teams darauf vertrauen, dass ihre Vorgesetzten hinter ihnen stehen, und sie – zum Beispiel, wenn sie beim Lösen eines Problems oder einer Aufgabe begründet vom gewohnten Vorgehen abweichen und scheitern – nicht sofort am Pranger stehen. Fehlt dieses Vertrauen, werden sie zu Recht beim Lösen herausfordernder Aufgaben selten neue und somit risikobehaftete Wege gehen; oder sie stehen beim kleinsten Problem – wie gehabt – bei ihrer Führungskraft auf der Matte und fragen „Dürfen wir…“ oder „Sollen wir…“ – womit sich in der Organisation nichts verändert hätte.
  • Voraussetzung 3: Den Mitarbeitern und Teams müssen alle für Infos zur Verfügung stehen, die für ein eigenständiges Entscheiden erforderlich sind Dies bezieht sich nicht nur auf die nötigen Fach-, Markt- und Kundeninfos, sondern auch die Zielsetzungen des Unternehmens sowie die strategische Marschrichtung, die es verfolgt. Möchte das Unternehmen zum Beispiel der Innovationsführer, der Servicechampion oder der kostengünstigste Anbieter in seinem Markt sein? Und bedeutet „Servicechampion sein“ für das Unternehmen, den Kunden die innovativsten Lösungen, die umfassendsten Servicepakete oder die beste Kosten-Nutzen-Relation zu bieten? Fehlen den Mitarbeitern und Teams diese Infos, dann können sie oft nicht entscheiden, was es zu tun gilt, um die übergeordneten Ziele zu erreichen. Sie wissen auch nicht: Bei welchen Problemen beziehungsweise Entscheidungen sollten wir Rücksprache mit unseren Chefs halten, weil diese eventuell mit den Zielsetzungen und der Strategie des Unternehmens kollidieren? Das heißt, den Mitarbeitern und Teams fehlt im Arbeitsalltag die erforderliche Orientierung. Entsprechend zögerlich und vorsichtig agieren sie.

Die Unternehmens- und Führungskultur wandeln

Die obigen Ausführungen zeigen: Will ein Unternehmen die Selbstführung und -organisation forcieren, dann muss sich in ihr in der Regel ein Kulturwandel vollziehen. Es genügt also nicht, die Prozesse zu verändern und bestimmte Werkzeuge einzuführen. Vielmehr muss sich das Mindset aller Betroffenen – bereichs-, funktions- und hierarchieübergreifend – ändern sowie ihre Art, miteinander zu kommunizieren und zusammenzuarbeiten. Ein solcher Change erfordert Zeit. Zudem gilt es bei ihm, wie bei allen Change-Prozessen, das berühmte Tal der Tränen zu durchschreiten. Hier funktioniert dann scheinbar alles schlechter als früher, weil die Betroffenen oder Beteiligten noch keine Routine gesammelt haben, etwa in der neuen Art zusammenzuarbeiten, zu kommunizieren, Entscheidungen zu treffen und die neuen Methoden und Tools zu nutzen. Deshalb brauchen solche Prozesse nicht nur starke Promotoren in der Unternehmensführung, sondern auch auf den nachgeordneten Ebenen. Denn die operativen Führungskräfte sind es in der Regel, die den Mitarbeitern und Teams im Arbeitsalltag die nötige Orientierung geben und sie stets aufs Neue für die neue Form der (Zusammen-)Arbeit motivieren müssen. Dies gelingt unter anderem dadurch, indem sie den Mitarbeitern immer wieder vermitteln, warum sich ein Engagement für das angestrebte Ziel für die Mitarbeiter und das Unternehmen lohnt. Außerdem müssen die Führungskräfte klar machen, welche scheinbar kleinen, jedoch sichtbaren Erfolge auf dem Weg zum großen Ziel bereits erzielt wurden.

Dies ist keine leichte Aufgabe – zumal sich, wenn das Ziel „mehr Selbstführung und Selbstorganisation“ lautet, auch das Selbstverständnis der Führungskräfte sowie ihr Führungsverhalten ändern muss. Noch führen viele Führungskräfte nach dem Prinzip „Führen im System“; das heißt, sie sehen ihre Kernaufgabe darin, Mitarbeiter anzuleiten, zu steuern und die fachliche Qualität ihrer Arbeit zu kontrollieren. Entsprechend groß ist ihre Arbeitsbelastung im Betriebsalltag. Diese Führungsarbeit gilt es zu minimieren, indem die Führungskräfte statt im System sozusagen am System arbeiten. Hierbei hat Führung vor allem folgende Funktionen:

  • Die Rahmenbedingungen für eine Selbstorganisation und für ein selbstgesteuertes Arbeiten der Mitarbeiter und Teams schaffen.
  • Den Mitarbeitern vermitteln, warum ein solches Arbeiten sinnvoll ist.
  • Sie beim eigeninitiativen und -verantwortlichen Handeln unterstützen und begleiten.
  • Ihnen die hierfür erforderlichen Infos bereit und zur Verfügung stellen.
  • Ihnen, abgeleitet aus den Strategien sowie den übergeordneten Zielsetzungen des Unternehmens, die Bedeutung ihres Tuns für den Unternehmenserfolg aufzeigen.

Selbstorganisation entlastet Führungskräfte

Am System arbeiten heißt, die Führungskräfte sollten dafür sorgen, dass ihre Mitarbeiter eigenverantwortlich die ihnen übertragenen Aufgaben erfüllen können und die hierfür erforderlichen Rahmenbedingungen existieren. Für diese veränderten Führungsaufgaben müssen die Führungskräfte qualifiziert werden. Zudem sollten sie, solange bei ihnen noch nicht die erforderliche Verhaltenssicherheit besteht, beim Wahrnehmen dieser Aufgaben gecoacht werden. Für die Führungskräfte bedeutet der Change-Prozess in Richtung sich selbst organisierender und steuernder Mitarbeiter und Teams zunächst eine Mehrbelastung – auch in emotionaler Hinsicht. Dies gilt aber nur, solange sie und ihre Mitarbeiter noch keine Routine in dieser Arbeitsform haben und sozusagen noch am Experimentieren sind. Mit der Zeit, wenn die gewünschte Verhaltenssicherheit entsteht, führt sie zu einer Entlastung. Denn je stärker ihre Mitarbeiter das eigenverantwortliche und -initiative Arbeiten verinnerlicht haben und je stärker sie in der Lage sind, sich selbst zu führen und organisieren, umso komplexere Aufgaben können die Führungskräfte ihnen zum eigenständigen Bearbeiten übertragen. Und umso seltener müssen sie als „Troubleshooter“ korrigierend eingreifen.

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