Dass der Stromsektor in der Europäischen Union seine Treibhausgas-Emissionen in 2019 gegenüber dem Vorjahr um 35 % senken konnte, markiert einen neuen Rekord: Noch nie seit 1990 sanken die Emissionen so stark. Das zeigt der Jahresrückblick 2019 auf das EU-Stromsystem, den Agora Energiewende jetzt gemeinsam mit dem britischen Think Tank Sandbag vorgestellt hat. Der Grund dafür ist ein Einbruch der Stromerzeugung von Stein- und Braunkohlekraftwerken: Sie verminderte sich EU-weit um beinahe ein Viertel und erreichte ein Rekordtief. Dazu kam es, weil der Preis für den Ausstoß von Treibhaugasen im Jahr 2019 auf rund 25 Euro je Tonne CO2 stieg, wodurch CO2-intensiver Kohlestrom teurer als Strom aus Erdgas, Atomstrom und Erneuerbaren Energien wurde. Der wegfallende Kohlestrom wurde je zur Hälfte durch Strom aus Gaskraftwerken und Strom aus Erneuerbaren Energien ersetzt.
Windkraft und Photovoltaik lieferten mehr Strom als Kohlekraftwerke
Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung wuchs EU-weit im Jahr 2019 auf 34,6 Prozent, er lag damit um 1,8 Prozentpunkte höher als im Jahr 2018. Windkraft- und Solarstromanlagen lieferten damit erstmals mehr Strom als Kohlekraftwerke. Die Stromproduktion von Windkraft- und Solaranlagen wuchs gegenüber 2018 um 64 Terawattstunden. Insgesamt sank die Menge an Kohlestrom um 24 Prozent beziehungsweise 150 Terawattstunden. Auf Deutschland, Spanien, die Niederlande, das Vereinigte Königreich und Italien zusammen entfielen zusammen 80 Prozent des Rückgangs in der Steinkohleverstromung. Bei der Braunkohle sind fast zwei Drittel des Rückgangs allein auf Deutschland und Polen zurückzuführen. Kernkraftwerke verzeichneten einen leichten Rückgang um 1 Prozent. Gaskraftwerke waren die einzigen konventionellen Stromerzeuger, bei denen die Stromproduktion anstieg, und zwar um 12 Prozent.
„Europa legt weltweit eine einzigartige Geschwindigkeit bei der Ablösung von Kohlestrom durch Wind- und Solarenergie an den Tag. Das hat dazu geführt, dass die CO2-Emissionen des Stromsektors im letzten Jahr so schnell wie nie zuvor gesunken sind“, sagt Dave Jones, Analyst für den europäischen Stromsektor bei Sandbag.
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Gutes Windjahr, weniger Wasserkraft
Auch aufgrund eines guten Windjahres lieferten Windkraftanlagen 14 Prozent mehr Strom als im Vorjahr. Die Solarstromproduktion nahm um 7 Prozent zu. Infolgedessen stieg der Anteil von Solar- und Windstrom am Strommix in allen EU-Mitgliedsstaaten mit Ausnahme von Tschechien. Die Stromerzeugung aus Wasserkraft ging hingegen aufgrund von anhaltender Trockenheit um gut sechs Prozent zurück.
Bei der Windkraft kamen EU-weit Anlagen mit einer Leistung von 16,8 Gigawatt hinzu. Bei der Photovoltaik war ein Plus von 16,7 GW zu verzeichnen. „Trotz der positiven Entwicklung muss das Zubautempo noch weiter beschleunigt werden“, sagt Matthias Buck, Leiter Europäische Energiepolitik bei Agora Energiewende. Denn bis 2030 soll knapp ein Drittel der Gesamtenergie in der EU aus erneuerbaren Energien stammen, hierfür ist ein Wachstum von 97 Terawattstunden Strom jährlich bis 2030 nötig – also 33 Terawattstunden mehr als 2019.
CO2-Preise wirksam
„Den Rückgang der Treibhausgasemissionen in der EU im vergangenen Jahr verdanken wir größtenteils dem CO2-Preis, der 2019 wieder ein Niveau erreicht hat, bei dem die klimaschädlichen Energieträger vom Markt verdrängt werden“, sagt Buck. „Damit wir dauerhaft Klimaschutz sehen, ist es wichtig, dass der Preis für CO2 das aktuelle Niveau mindestens hält.“ Über den Zertifikatshandel legt die EU die Menge an Treibhausgasemissionen fest, die in der Energie- und Industriewirtschaft sowie im innereuropäischen Flugverkehr ausgestoßen werden dürfen. Allerdings werden aktuell etwa 300 Millionen Zertifikate pro Jahr mehr ausgegeben, als verbraucht. „Damit der Emissionshandel weiterhin zum Klimaschutz beiträgt und Investitionssignale für erneuerbare Energien sendet, sollte die EU die Menge der jährlich ausgegebenen Zertifikate stärker als bislang vorgesehen verringern. Das sollte ein Kernelement der Debatte um eine Erhöhung der europäischen Klimaschutzziele für 2030 werden“, sagt Buck.
Hier geht´s zu der ausführlichen Meldung der Agora Energiewende.
(as)