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(Bild: photoschmidt/Stefan Yang – AdobeStock)

Wir fällen jeden Tag unzählige Entscheidungen, ohne uns dessen überhaupt bewusst zu sein. Das ist auch gut so. Denn „Entscheiden“ ist ein mühsames und verantwortungsvolles Geschäft, dessen Komplexität uns schnell über den Kopf wachsen kann – auch und vor allem, wenn für Entscheidungen wichtige Informationen, der Durchblick und die Zeit fehlen. Das aber ist in unserer Wirtschafts- und Arbeitswelt, die schneller, wechselhafter, unsicherer und komplexer geworden ist, zunehmend der Fall. Gerade im Krisenfall ist dieser Zustand die Regel. Wir müssen also lernen, damit umzugehen.

Unsicherheit als Normalzustand

Entscheiden heißt:

  • eine Option auswählen
  • andere Optionen ausschließen
  • mögliche Ergebnisse vorausdenken
  • die Eintrittswahrscheinlichkeit abwägen
  • mit den Folgen der Entscheidung weitermachen.

Daraus folgt zweierlei: Es gilt, Unsicherheit im Entscheidungsprozess als Normalzustand zu akzeptieren und zum anderen rational und intuitiv zugleich vorzugehen. Das ist schon im Tagesgeschäft einer Führungskraft eine große Herausforderung. In Krisensituationen zeigt sich jedoch, wer wirklich Führung beweist und Wirkung erzeugt. Der Blick in den Alltag eines Interimsmanagers macht deutlich, wie sich eine solche Ausnahmesituation gestaltet.

Im Nebel auf der Schnellspur

Manager wie ich, die auf Zeit im Unternehmen zum Einsatz kommen, arbeiten oft unter extremen Bedingungen. Sie werden vielfach erst dann engagiert, wenn die Kapazitäten oder das Know-how im Unternehmen fehlen, erste Lösungsversuche gescheitert sind und schlimmstenfalls die Hütte bereits brennt. Das sensibilisiert auf besondere Weise für das Thema „Entscheiden unter Druck und Ungewissheit“. Denn für tiefgehende Ursachenforschung und Situationsanalysen fehlen Raum und Ressourcen. Die Atmosphäre ist angespannt, die Rahmenbedingungen sind alles andere als günstig.

Als Externer hat man naturgemäß einen reduzierteren Ein- und Durchblick als die internen Führungskräfte. Man kennt weder die Spielregeln noch die heimlichen Netzwerke und allenfalls die halbe Wahrheit – nämlich die Sichtweise des Top-Managements und Auftraggebers. Da bleibt nur, sich auf der Basis des eigenen Wissens- und Erfahrungsschatzes ein Bild zu machen und personelle Konstellationen zu entschlüsseln. Das zwingt dazu, schnell und überlegt zugleich zu agieren. Denn Zögern und Zaudern kosten Ressourcen (also Zeit, Geld und Energie), aber auch Selbstsicherheit nach innen und Glaubwürdigkeit nach außen. Wie also gelingen Entscheidungen, wenn sie auf solcher Grundlage getroffen werden müssen?

Den Boden für Entscheidungen bereiten

Wichtig ist, in einer Situation unter Druck nicht in hektischen Aktionismus auszubrechen. Das nützt niemandem. Vielmehr gilt es, zügig herauszufinden, wo das Problem wirklich liegt, und zwar in drei Schritten: Den Dingen auf den Grund gehen, vom Ende her denken, auf das Wesentliche konzentrieren.

  • Schritt 1: Den Dingen auf den Grund gehen
    Nehmen wir uns ein Beispiel an Kindern, die uns mit ihren Fragen in den Ohren liegen, warum etwas so ist wie es ist: Warum ist der Verkauf im Bereich XY plötzlich eingebrochen? Weil das Produkt Mängel hat. Warum hat das Produkt Mängel? Weil die Produktion an ABC abgegeben wurde. Warum wurde die Produktion an ABC abgegeben? Weil man dadurch Kosten einsparen wollte. Warum …? Fünfmal (oder öfter) nach dem Warum fragen, wie es beim Toyota-Konzern die Regel ist, hilft, zum Kern der Sache vorzudringen. Dadurch erkennt man, wie Ursache und Wirkung zusammenhängen, wo Konflikte drohen, was wirklich erreicht werden soll und welche Stellschrauben innerhalb welcher Spielräume bewegt werden können.
  • Schritt 2: Vom Ende her denken
    In Krisen und bei Veränderungsprozessen ist es unverzichtbar, vom Ende her zu denken: Was soll nach der Entscheidung anders und besser sein? Daraus lassen sich zielorientiert Lösungswege ableiten.
  • Schritt 3: Auf das Wesentliche konzentrieren
    So abgedroschen es klingen mag: Der Kunde steht im Fokus! Die Wende zum Besseren muss dem Kunden und der Wertschöpfung dienen. Wenn Zeitdruck und Informationsmangel herrschen und man sich in einer Vielzahl von Optionen verliert, ist wenigstens diese Frage eindeutig zu klären: Was würde der Kunde wollen? Welche Entscheidung nützt ihm am meisten?

Entscheidungen beherzt treffen

In Drucksituationen, die beherztes Entscheiden und Handeln erfordern, dienen einfache aber schlagkräftige Grund-regeln als Kompass, um nicht vom Weg abzukommen.

  • Regel 1: Bleib Deinen Werten treu
    Werte geben Orientierung, was gut und richtig ist. Sie bilden das Fundament, auf dem man auch bei unvollständiger Informationslage und unter Zeitdruck angemessene Entscheidungen treffen kann.
  • Regel 2: Nutze Standards
    Angesichts der Vielzahl modischer Methoden ist es gerade in Drucksituationen von Wert, auf bewährte Praktiken und Standards zurückzugreifen. Sie sind bekannt, eingeübt und vorhersehbar in ihrer Wirkung. Wer „nach Schema F“ Informationen einsammelt und entscheidet, mag nicht besonders kreativ erscheinen – unter Druck und Ungewissheit ist dieses Vorgehen aber effizient und zeugt von Verantwortungsbewusstsein.
  • Regel 3: Bleib im Rahmen
    Hier geht es darum, die Entscheidungsdimension richtig zu bemessen. Wie weitreichend ist das, was hier entschieden wird? Sprengt es den Rahmen? Können wir den Rahmen enger ziehen? Sind wir realistisch in dem, was wir uns zutrauen, was wir uns und anderen zumuten?

Nur Mut zur Lücke

Wer diese Regeln beherzigt, kommt auch durch schweres Fahrwasser. Eine der größten Herausforderungen für Menschen, die den Dingen gerne auf den Grund gehen, ist es, sich vom Perfektionsanspruch zu lösen. In unklaren Situationen kann es keine hundertprozentigen, in alle Richtungen abgesicherten Lösungen geben. Manche Probleme lassen sich mit einfachen Methoden und Werkzeugen besser und schneller bearbeiten als mit ausgefeilten Plänen und Programmen.

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