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1: Mit der Digitalisierung ergeben sich neue Möglichkeiten der Überwachung von Prozessventilen. (Bild: Festo)

  • Digitalisierung und KI ermöglichen neue Arten der Überwachung von Prozessventilen. Der Partial Stroke Test ist zwar etabliert, hilft aber nur einen sehr kleinen Teil relevanter Störungen zu erkennen.
  • Die über die Lebensdauer eines Ventils durch verschiedene Einflüsse sinkende Drehmomentreserve kann durch neue KI-Tools direkt vor Ort an der Anlage überwacht werden. Damit sind sich abzeichnende Störungen im Vorfeld zu erkennen, gezielt zu beseitigen und damit zu vermeiden.

Ein Beispiel für die Überwachung der Leistung von Prozessventilen ist der Partial Stroke Test (PST), der eine mögliche Aktion eines Prozessventils im Anforderungsfall überwacht, ohne den eigentlichen Produktionsprozess zu beeinflussen. Mit der Digitalisierung ergeben sich aber neue Möglichkeiten der Überwachung von Prozessventilen (PV), die eine signifikante Verbesserung des Monitorings erwarten lassen. Auch die Potenziale durch implementierte Predictive Maintenance können sich damit ausschöpfen lassen. Doch welches sind die hauptsächlichen Störungen von PV?

Schleichende Veränderungen erkennen

Eine Arbeitsgruppe der International Society of Automation (ISA) hat die wichtigsten Störungen bei dem Betrieb von PV mit pneumatischen Antrieben untersucht und eine Übersicht erstellt. Fünf Fehlerarten repräsentieren dabei rund zwei Drittel aller Fehler. Diese sind:

  • 1. teilweise oder wiederholte Fehlfunktionen von pneumatischen Systemkomponenten aufgrund von Feuchtigkeit oder Verschmutzung,
  • 2. eingeschränkte Ventilbewegung durch verschiedene Mechanismen, die ein erhöhtes Drehmoment oder erhöhte Kraft erfordern,
  • 3. Leckagen intern oder extern am Antrieb oder Verschleiß über die Lebensdauer,
  • 4. Schäden an Ventilkegel, -scheibe oder -kugel durch Produktionsbedingungen, Schmutz oder Leckagen,
  • 5. kompletter Ausfall von Automatisierungskomponenten der Ansteuerung.

Interessant ist bei dieser Analyse, dass der ISA-Untersuchung zufolge der PST nur eine Detektion der Fehlerart nach 5. ermöglicht. Für die Fehlerarten 1. bis 4. sind andere Maßnahmen erforderlich, um diese im Rahmen des Betriebes zu detektieren. Hierauf basiert die Forderung, schleichende Veränderungen im Prozess, die in einer Verringerung der Drehmomentreserve resultieren, zu erkennen. Die Drehmomentreserve ist dabei definiert als Differenz zwischen Drehmomentbedarf des PV und dem Drehmoment des pneumatischen Antriebes. Zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme entspricht dies dem projektierten Sicherheitsfaktor für das PV. Im Laufe des Betriebes erhöht sich dann in der Regel z. B. der Drehmomentbedarf durch die oben genannten Mechanismen, was wiederum die Drehmomentreserve senkt. Die Fehlerarten nach 1. bis 3. sind dabei durch veränderte Dauer für das Öffnen oder Schließen des Prozessventils zu beobachten, beziehungsweise durch eine reduzierte Drehmomentreserve.

Dezentrale Automatisierung mit MTP

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2: Dezentrale Automatisierung eines Dosiermoduls in der Schüttgutindustrie (Quelle/Bild: AZO)

Der Bau und Betrieb modularer Anlagen nach dem Modul Type Package Prinzip (MTP) wird die zukünftige Produktion in der chemischen und pharmazeutischen Industrie signifikant verändern. Neben den Marktanforderungen nach kleineren Produktionschargen und höherer Produktionsflexibilität, die sich durch diesen Ansatz einfach realisieren lassen, bietet die dezentrale Automatisierung noch weitere Möglichkeiten auch im Bereich der Anlagenüberwachung.

Ein Modul der Schüttgutindustrie (Bild 2) kann beispielsweise eine komplette dezentrale Automatisierung beinhalten und einzelne Prozessschritte entsprechend dezentral abarbeiten. Die Kommunikation mit dem überlagerten Leitsystem ist auf ein Minimum beschränkt und beinhaltet im Normalfall nur einen Startbefehl und die Rückmeldung, dass der Prozessschritt beendet ist. Innerhalb dieses Moduls ist es einfach möglich, die sich verändernden Zeiten beim Öffnen und Schließen des Ventils zu überwachen. Dies kann durch eine einfache Definition von Grenzwerten erfolgen, bei deren Über- oder Unterschreitung ein entsprechender Alarm abgesetzt wird. Im nächsten Wartungsintervall kann dann gezielt an dem betroffenen PV untersucht werden, welche Probleme bestehen. Damit lassen sich störungsbedingte Ausfälle des Produktionsabschnittes vermeiden, die auch immer einen Verlust von Produktionskapazität bedeuten.

Eine weitere Möglichkeit der Überwachung bieten neue Tools der Künstlichen Intelligenz (KI) und hier speziell das Maschinelle Lernen. Dabei werden auf Basis vorhandener Datenbestände und Algorithmen durch die verwendeten Tools Muster und Gesetzmäßigkeiten erkannt, die den normalen Betriebszustand charakterisieren. Im Verlauf des Betriebes ist es dann möglich, Anomalien in den aufgenommenen Daten zu erkennen und daraus Ableitungen auf sich abzeichnende Probleme in der Produktion zu ziehen. Solche Datenanalysen können je nach Anforderungsfall On Edge, also direkt am Produktionsmodul vorgenommen werden. Weitere Möglichkeiten sind On Premise, also auf Produktionsanlagen-Ebene, oder in der Cloud. Letztere eignen sich zur Analyse großer Datenbestände, die unter Umständen auch aus den globalen Installationen der Module gewonnen werden und einen weltweiten Vergleich der Performance einzelner Module ermöglichen.

3 Anschaltung einer Ventilinsel an Prozessventile

3: Anschaltung einer Ventilinsel an Prozessventile sowie den Feldbus. Bild: Festo

Für die Überwachung der Prozessventile in einer Anlage ist die direkte Überwachung On Edge zielführend. Bild 4 zeigt eine Ansteuerung von PV über eine Ventilinsel und die Ergebnisse einer Überwachung kritischer Parameter dieser Ventile bei Öffnungs- und Schließvorgängen. Gemessen werden dabei

  • die Zeiten zwischen elektrischer Ansteuerung der Ventilscheibe und dem Verlassen der Endposition des Antriebs,
  • die Dauer bis zum Erreichen der anderen Endposi­tion

jeweils für den Öffnungs- und Schließvorgang. In diesem Beispiel wurden verschiedene Fehlerarten bei gleichen Prozessbedingungen simuliert, beispielsweise zunehmende Reibung und damit zunehmender Drehmomentbedarf, Leckagen auf den Zuleitungen oder Änderungen im Versorgungsdruck. Die Ergebnisse zeigen, dass durch Maschinelles Lernen diese Veränderungen im Prozess als Anomalien erkannt werden können. Mögliche zukünftige Ausfälle lassen sich daher mit einem gewissen zeitlichen Vorlauf prognostizieren und damit durch entsprechende Wartungsarbeiten im nächsten Stillstand vermeiden. Bringt man zusätzlich zu den Tools des Maschinellen Lernens noch Anwenderwissen über die Applikation in die Analyse ein, kann man aus der Art der Veränderung der gemessenen Dauern auch schon erste Rückschlüsse ziehen auf die Art des sich abzeichnenden Problems.

4 Ergebnisse von Fehlersimulationen

4: Ansteuerungen von Prozessventilen, Maschinelles Lernen on Edge und Ergebnisse von Fehlersimulationen. Bild: Festo

So zeigen sich völlig unterschiedliche Veränderungen in den gemessenen Dauern, zum Beispiel je nachdem wo sich im Gesamtsystem eine Leckage befindet. Dies ist für Instandsetzungsarbeiten extrem hilfreich, da die Suche der Leckage durch die gezieltere Auswertung der Daten signifikant reduziert werden kann. Ein weiterer Vorteil der Tools des Maschinellen Lernens ist, dass hier keine zusätzlichen Programmieraufwendungen oder Sensorik erforderlich sind. Dies reduziert die Aufwendungen beim OEM, ermöglicht ihm aber andererseits, seine Module so zu ertüchtigen, dass der Anwender später störungsbedingte Stillstände vermeiden kann. Damit können OEM und Anwender ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen.

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