Februar 2010

Schlammschlachten sind seltenetwas Schönes. Außer in der Abwasserreinigung, wo der Belebtschlamm zur Reinigung des Wassersbeiträgt. In der industriellen Abwasserbehandlung werden dabei zunehmend Membranbioreaktoren (MBR) eingesetzt. Die Reaktoren sind eine weiterentwickelte Form des klassischen Belebungsverfahrens zur Abwasserbehandlung. Eine Ultrafiltrationsmembrane trennt dabei das gereinigte Abwasser vom belebten Schlamm ab. Meist werden die Membranmodule direkt in den belebten Schlamm getaucht. Das behandelte Abwasser (Permeat) wird mittels Unterdruck abgezogen.

Zu den entscheidenden Vorteilen der MBR-Technik gehören die hohe Ablaufqualität des Wassers und der sehr geringe Platzbedarf. Die Membranen stellen eine Barriere dar, die Feststoffe komplett zurückhält und somit die Ablaufqualität des Wassers sowohl bezüglich der hygienischen als auch der chemischen Parameter verbessert. Dadurch lässt sich die Konzentration der Biomasse in der Belebung gegenüber konventioneller Verfahrenstechnik erheblich steigern. In derRegel werden MBR-Anlagen mit Feststoffkonzentrationen von 10 bis 12g/l betrieben. Da das Wasser nach der Filtration frei von Feststoffen und hygienisch unbedenklich ist, kann es entweder direkt als Brauchwasser wieder verwendet werden oder es durchläuft eine nachfolgende Nanofiltrations- oder Umkehrosmose-Membran, um den Wasserkreislauf zu schließen. Durch den Wegfall der Nachklärung und die Steigerung der Feststoffkonzentration im Belebungsbecken können etwa 50% des Platzbedarfs im Vergleich zur konventionellen Technik eingespart werden. Zudem ist der Prozess unabhängig vom Sedimentierverhalten der Biomasse.
Andererseits haben MBR einen im Vergleich zu konventionellen Belebungsanlagen erhöhten Energiebedarf. Zudem müssen die Membranen aufgrund von Ablagerungen (Scaling und/oder Foul-ing) an den Membranflächen regelmäßig gereinigt werden. Auch hier korrelieren Häufigkeit und Effektivität der Reinigung eng mit der Abwasserzusammensetzung. Wegen der benötigten Chemikalien ist das Reinigen nicht immer umweltfreundlich.

Versuche im Abwassereines Chemieparks

Auf dem Gelände des Kalle-Albert-Industrieparks in Wiesbaden sind mehr als 80 Unternehmen aus unterschiedlichsten Branchen angesiedelt. Vertreten sind z. B. Pharmaunternehmen, ein Hersteller von industriell hergestellten Wursthüllen auf Viskose-, Polymer- und Textilbasis oder auch Hersteller für Wirksubstanzen von Reinigungsmitteln, Speicher-Discs, Folien und Druckplatten. Das Abwasser enthält dadurch eine Vielzahl unterschiedlichster Chemikalien, wie Lösemittel, Reste von pharmazeutischen Produkten, Methylzelluloserückstände und zusätzlich hohe Salzgehalte. Der Chemische Sauerstoffbedarf (CSB) beträgt etwa 4700mg/l (±1000mg/l) im Zulauf zur Belebungsstufe.

Die Versuchsanlage besteht aus einer Feinsiebung (0,5mm Spaltsieb), einer Denitrifikationszone und einer Nitrifikationszone. Das Gesamtbelebungsvolumen der Anlage beträgt etwa 12m³. In die Anlage eingetaucht wurde ein Modul Bio-Cel BC50-60 mit 60m² Membranfiltrationsfläche. Durch einen geringenUnterdruck (50 bis 200mbar) wird das Permeat aus dem Belebungsbecken herausgezogen. Die Anlage wurde bei einem für MBR üblichen Trockensubstanz-Gehalt (TS) von 12g/l und bei einer Raumbelastung zwischen einem und 5kg CSB/m³d betrieben. Der belebte Schlamm ist im Vergleich zu kommunalen Schlämmen schlecht zu filtrieren. Dies liegt vermutlich an dem hohen Anteil Methylzellulose im Abwasser. Der Membranfluss wurde auf 10,5l/m²h geregelt. Die durchschnittliche CSB-Elimination lag bei 60%, was auch durch die aerob schlecht abbaubare Methylzellulose zu erklären ist. Der Energiebedarf der Versuchsanlage (ohne Vorbehandlung) betrug rechnerisch ca. 1KWh/m³ behandeltes Abwasser. Davon entfallen lediglich 0,2kWh/m³ auf die feinblasigeBelüftung zur Sauerstoffversorgung der Mikroorganismen. Der geringe Energiebedarf resultiert aus der Installation des Membranmoduls im Nitrifikationstank, da die Modulbelüftung zusätzlichen Sauerstoff in die Nitrifikationszone einträgt.

Umweltfreundlich,außer bei der Reinigung

Neben dem Energiebedarf spielt für die Wirtschaftlichkeit einer MBR-Anlage die Verfügbarkeit eine wichtige Rolle, die davon abhängt, wie oft die Membran gereinigt werden muss. Dies wiederum hängt stark von den Wasserinhaltsstoffen, sprich den sich daraus ergebenden Belägen auf der Membran ab. Dabei wirdunterschieden zwischen Scaling und Fouling. Beim Scaling entstehen anorganische Beläge, meistens aus Kalziumcarbonat oder Eisensalzen, die durch eine Reinigung mit Säuren zu entfernen sind. Meist verwendet man organische Säuren wie Zitronen- oder Essigsäure. Diese sind aus Umweltschutzsicht unbedenklich, da die verbrauchten Reinigungslösungen problemlos über die Membranbiologie entsorgt werden können.

Beim Fouling bilden sich organische Beläge, weshalb auch von Biofouling gesprochen wird. Zum Entfernen werden Oxidationsmittel, meist Natriumhypochlorit (NaOCl), eingesetzt. Der Nachteil beim Einsatz von Chlor besteht darin, dass AOX aus der chemischen Reaktion entsteht. AOX ist ein Summenparameter für sogenannte adsorbierbare organische Halogenverbindungen, die ökotoxisch sind und zu den Umweltschadstoffen zählen. Somit hat die MBR-Technik als eigentlich sehr umweltfreundliches Verfahren in Hinblick auf die Membran-Reinigung einen ökologischen Nachteil.

Mit Granulat mechanisch reinigen

Im Versuch sollte geklärt werden, inwieweit sich ein Bio-Cel Modul im belebten Schlamm auch ohne Chemikalienreinigung betreiben lässt. Die Permeabilität soll dabei erhalten bleiben. Ausgangspunkt war die Idee, die Belagbildung auf der Membran mechanisch im Ansatz zu verhindern bzw. Beläge, die sich gebildet haben, kontinuierlich mechanisch zu entfernen. Dazu wurde ein Kunststoffgranulat eingesetzt, welches induziert durch die Modulbelüftung zwischen den Membrantaschen und im Becken zirkuliert (Wirbelschicht). Dabei findet auf der Membranoberfläche eine mechanische Abreinigung statt (MCP = mechanical cleaning process). Im Versuch wurden zwei Bio-Cel Module in zwei Filtrationskammern parallel betrieben: eine Kammer herkömmlich ohne Granulat, die zweite mit granulatversetztem Schlamm (MCP). Während der ersten drei Monate wurden beide Module mit einer Leistung von 15l/m²h betrieben. Nach etwa 80 Betriebstagen war die Permeabilität des granulatfreien Moduls auf rund 40% des Ausgangswertes gesunken, während das Modul mit Granulatreinigung praktisch keinerlei Permeabilitätsverluste zeigte.

Im weiteren Versuchsverlauf wurde die Leistung des Moduls mit Granulat auf bis zu 40l/m²h erhöht. Erst bei dieser hohen Flussleistung reduzierte sich die Permeabilität. Der Grund hierin wird in einer Akkumulation von Makromolekülen auf der Membranoberfläche vermutet (Konzentrationspolarisation). Daher reduzierte man den Fluß auf immer noch sehr hohe 30l/m²h und hielt diesen über mehrere Wochen konstant. Über den Versuchszeitraum von derzeit etwa zwei Jahren arbeitet das Modul ganz ohne chemische Reinigung. Im Ablauf der Versuchsanlage wurden die Trübung und der CSB gemessen. Die Ablaufqualität beider Membranmodule mit und ohne MCP war auf konstant hohem Niveau ohne eine Veränderung. Diese Ergebnisse belegen, dass die mechanische Reinigung der Module die Ablaufqualität nicht negativ beeinflusst. Stattdessen erhöht sie die Anlagenverfügbarkeit und die Wirtschaftlichkeit.

Fazit

Selbst unter ungünstigen Betriebsbedingungen lassen sich Bio-Cel-Module wirtschaftlich betreiben. Auch schwierige Abwässer sind heute mittels MBR-Technologie effektiv und zuverlässig aufzubereiten. Zusätzlich kann künftig auf aufwendige und ökologisch bedenkliche chemische Reinigungen ganz bzw. fast komplett verzichtet werden. Darüberhinaus trägt eine kontinuierliche mechanische Reinigung dazu bei, die Leistung der Membran weiter zu erhöhen.

 

Entscheider-Facts
Für Betreiber
Membranbioreaktoren (MBR) benötigen rund 50?% weniger Platz als herkömmliche Aufbereitungsverfahren.
Das feststofffreie und hygienisch unbedenkliche Filtrat kann als Brauchwasser direkt wieder verwendet werden.
MBR-Anlagen haben allerdings einen höheren Energiebedarf und müssen regelmäßig gereinigt werden. Durch chlorhaltige Oxidationsmittel kann dabei schädliches AOX entstehen.
Viel einfacher ist die kontinuierliche mechanische Reinigung mit einem Kunststoff-Granulat, das zwischen den Membrantaschen und im Becken zirkuliert.
Ein entsprechendes Modul arbeitet im Versuch in einem Chemiepark seit zwei Jahren ohne chemische Reinigung.

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