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(Bild: bannafarsai / Nomad_Soul – AdobeStock)

  • Verträge im Anlagenbau sollten dem Projekterfolg und nicht der Risikozuordnung dienen.
  • Nur wenn eine Vertragsklausel verstanden wird, kann sie auch erfüllt werden.
  • Claim-Management sorgt dafür, dass interne Abläufe und Versäumnisse transparent werden.

Gesunder Menschenverstand reicht nicht, um Projekte erfolgreich abzuwickeln – lautete eine Erkenntnis der Tagung „Industriefokus Contract & Claim Management“, die Anfang Juli von 1155PM consultants in Köln veranstaltet wurde. Denn was vielen Projektbeteiligten entweder nicht bewusst ist oder diese aufgrund unverständlicher Formulierungen nicht wahrhaben wollen: Entscheidend ist das, was im Vertrag steht. Und dieser, so die Sichtweise der Claim-Manager, soll schließlich dazu dienen, dass ein Projekt am Ende profitabel ist. Deshalb bildete die Diskussion um die Gestaltung von Projektverträgen einen wichtigen Schwerpunkt im Rahmen der Tagung.

Vertrag schafft nur Illusion der Risikokontrolle

„Häufig hat man den Eindruck, dass die Verträge heute für Richter geschrieben werden und nicht für die erfüllenden Vertragsparteien“, stellte Dr. Ulrich Hagel, Head of Litigation & General Counsel Office bei Bombardier Transportation, fest: „Deshalb darf man sich auch nicht wundern, dass die Verträge genau diesen Adressaten erreichen.“ Um Streit zu vermeiden, plädiert Hagel für eine andere Sichtweise: Verträge sollten nicht als juristisches Schwert verstanden werden, sondern als kommerzielles Instrument, das dazu dient, Projekte zum Erfolg zu führen. Dazu müssen Verträge allerdings verständlich formuliert werden: „Verträge werden von Juristen geschrieben, sollen aber von Nicht-Juristen erfüllt werden“, so Hagel.

Jürgen Scheidt

Jürgen Scheidt ist Inhaber der Scheidt Beratungsgesellschaft, "Im Großanlagenbau war Claim Management früher unanständig. Aber bei Ebit-Margen zwischen drei und fünf Prozent haben wir heute gar nicht mehr die Möglichkeit, auf Nachforderungen zu verzichten."

Doch weil Letztere die juristische Sprache nicht verstehen, lesen sie die Vereinbarungen häufig gar nicht. Eine Sicht, die auch von Florian Cahn, Vice President Legal und General Counsel des Kraftwerksbauers Framatome, geteilt wird: „Die von den Vertragsparteien im Projekt getroffenen vertraglichen Regelungen schaffen nur eine Illusion von Kontrolle von Abwicklungsrisiken im Projekt“, so Cahn. „Es geht dabei weniger um das Beherrschen von Risiken als darum, diese einer Vertragspartei zuzuordnen. Nutzerorientierte Vertragsgestaltung stellt Anwender in den Vordergrund, nicht Vertragsmanager oder Rechtsanwälte.“

Verträge einfach und verständlich formulieren

Dabei gilt: Nur wenn eine Klausel verstanden wird, kann sie auch erfüllt werden. Dazu kann die Vereinfachung von Vertragstexten von passiven hin zu aktiven Formulierungen genauso helfen wie die Visualisierung von Vertragstexten mit Hilfe von Ablaufschemata. Gleichzeitig werden Verträge auf diese Weise zu lebenden Dokumenten, die bei der Projektabwicklung aktiv genutzt werden: „Eine Bedienungsanleitung für den Projekterfolg“, so Hagel.

In diesem Licht sieht Jürgen Scheidt, der nach vier Jahrzehnten als Führungskraft im Großanlagenbau nun Unternehmen in Sachen Projekt- und Claim-Management berät, auch das Nachforderungs- oder Claim-Management: „Im Großanlagenbau war Claim-Management früher unanständig. Aber bei Ebit-Margen zwischen drei und fünf Prozent haben wir heute gar nicht mehr die Möglichkeit, auf Nachforderungen zu verzichten.“ Doch dazu dürfe, so Scheidt, neben inhaltlichen und organisatorischen Aspekten im Projekt auch die Beziehungsebene nicht unterschätzt werden. „Wenn beide Parteien im Projekt nicht ihren Weg durchsetzen, sondern gemeinsam einen besseren Weg suchen, dann gewinnen beide“, plädiert Scheidt für einen Paradigmenwechsel: „Die Parteien sollten so lange weiterverhandeln, bis die Gewinn/Gewinn-Situation erreicht ist.“

Vertragsverhandlungen nicht dem Zufall überlassen

Jürgen Hahn

Jürgen Hahn ist Mitinhaber des Beratungsunternehmens 1155PM consultants, "Der erste Claim ist der wichtigste, denn er legt das Miteinander der Vertragspartner in einem Projekt fest."

Dazu ist allerdings erforderlich, dass die Vertragspartner gut gerüstet in die Verhandlungen gehen. Denn häufig kommt die Vorbereitung bei Verhandlungen zu kurz. Dr. Everhard von Groote, Psychologe und Geschäftsführer des Consulting-Unternehmens TPS, erläuterte, worauf es ankommt: Neben einer Strategie für die Verhandlungsführung und die Entwicklung einer „Storyline“ für den Verhandlungsablauf helfe es beispielsweise, die Persönlichkeitsstile der Verhandlungspartner zu analysieren und die Verhandlungstaktik darauf abzustimmen.

Doch auch die beste Verhandlungstaktik, der beste Willen auf beiden Seiten sowie der beste Vertrag werden Claims in Anlagenprojekten nicht komplett vermeiden können. Deshalb, so Jürgen Hahn, Mitinhaber des Beratungsunternehmens 1155PM consultants, sollten Contract- und Claim-Management als strategische Teamaufgaben in der Unternehmensorganisation verstanden werden. „Claim-Management sorgt dafür, dass interne Abläufe und Versäumnisse transparent werden. Das kann zwar zunächst zu Ernüchterungen führen, aber langfristig werden die Projekte besser“, ist Hahn überzeugt. Und so versteht Hahn Contract- und Claim-Manager als Dolmetscher zwischen Kaufleuten, Ingenieuren und Juristen und plädiert dafür, prüfbare Claims nicht erst nach Projektende, sondern sofort im Projekt zu stellen: „Der erste Claim ist der wichtigste, denn er legt das Miteinander der Vertragspartner in einem Projekt fest.“ Hier wird deutlich, dass Claim-Management ein Instrument zur Vertragserfüllung ist. „Nicht streiten, sondern Verträge zu erfüllen“, plädiert Jürgen Hahn.

Im Firmenporträt von 1155PM consultants finden Sie weitere Artikel zum Thema.

 

 

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