Wassertropfen im Ozean im Sonnenuntergang

(Bild: peterschreiber.media – stock.adobe.com)

Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen gilt vielen als Schlüsselelement für die Energiewende: Er ist nicht nur ein vielseitig einsetzbarer Energieträger, sondern kann sogar als flexibler Speicher für volatilen Wind- oder Solarstrom dienen. Ihm kommt damit auch eine wichtige Rolle bei der Sektorenkopplung zu. Das heißt Wasserstoff oder dessen Folgeprodukte – Stichwort Power-to-X –könnten auch Bereiche dekarbonisieren, in denen erneuerbarer Strom sich nur schwer direkt einsetzen lässt – etwa im Schwerlastverkehr. Darüber hinaus wird Wasserstoff auch in zahlreichen industriellen Prozessen gebraucht, zum Beispiel in der Ammoniakproduktion. Selbst in der Stahlerzeugung könnte dieser Stoff in Zukunft möglicherweise den Koks ersetzen. Eine erste Pilotanlage für „grünen“ Stahl soll noch 2020 in Schweden entstehen. Auch die Energiewende in der Zementindustrie lässt sich auf lange Frist wahrscheinlich nur mit Hilfe von Wasserstoff verwirklichen, indem Abgase in verwertbare Chemikalien umgewandelt werden.

Eine „Nationale Wasserstoffstrategie“ soll es richten

Kurzum: Wasserstoff gilt als eine Art „Wunderstoff“ für die globale Energiewende und birgt riesige Chancen – auch für die Grundstoffindustrien. Kein Wunder also, dass Peter Altmaier die deutsche Wirtschaft hier frühzeitig in die Pole Position bringen will. In seinem Entwurf für eine „Nationale Wasserstoffstrategie“ stellt das Wirtschaftsministerium dar, wie es sich den Weg hin zu einer deutschen Wasserstoffwirtschaft vorstellt. Während seine Erzeugung und Nutzung derzeit noch nicht wirtschaftlich ist, wolle man CO2-freien Wasserstoff zukünftig „bezahlbar machen“, heißt es dort. Außerdem solle in einem ersten Schritt ein „Heimatmarkt“ für Wasserstofftechnologien entstehen. Bis 2030 lasse sich etwa ein Fünftel des gesamten Wasserstoffverbrauchs über CO2-freie Quellen decken. Aber das Ministerium denkt schon weit über die Grenzen hinaus. So bilde ein Erfolg dieser Technologien in der Heimat dann auch die Basis dafür, „weltweite Marktchancen für deutsche Unternehmen“ zu sichern.

Um dorthin zu gelangen, listet der Strategieentwurf nicht weniger als 35 Maßnahmen auf. So wolle man unter anderem Elektrolyseure sowie Erzeugungsanlagen für strombasierte Kraftstoffe stärker fördern und „verbesserte Rahmenbedingungen“ schaffen – etwa indem man grünen Strom im Vergleich zu fossilen Energieträgern preislich noch attraktiver macht. Auch auf der anderen Seite der Verwertungskette will man Geld in die Hand nehmen und die Wasserstoff-Nutzung zwischen 2020 und 2024 durch zusätzliche Fördermaßnahmen in Höhe von voraussichtlich 650 Mio. Euro stärken. Darüber hinaus sind „branchenspezifische Dialogformate“ geplant. Zusammen mit der Chemieindustrie will man etwa erörtern, wie man die Grundstoffversorgung zukünftig durch grünen Wasserstoff sicherstellen könnte. Außerdem sollen etwa die Potenziale der Alkali-Elektrolyse, bei der Wasserstoff als Nebenprodukt anfällt, diskutiert und erschlossen werden. Im Bereich Forschung wiederum wolle man „kurzfristig“ Demonstrationsprojekte zu grünem Wasserstoff auf den Weg bringen. Insgesamt sollen innovationfreundliche Rahmenbedingungen „den Weg für den Praxiseinsatz von CO2-freien Wasserstofftechnologien ebnen“.

Streit in der Regierung verzögert den Start

Gegen einen Erfolg dieser Maßnahmen dürften auch Altmaiers Ministerkollegen grundsätzlich nichts einzuwenden haben. Gleichwohl ist sein Entwurf der „Nationalen Wasserstoffstrategie“ nicht bei allen auf begeisterte Zustimmung gestoßen. So bescheinigt das Wirtschaftsministerium etwa der Wasserstoff-Sauerstoff-Brennstoffzelle auch im PKW-Bereich „gute Perspektiven“. Bundesumweltministerin Svenja Schulze dagegen hält das angesichts batterieelektrischer Alternativen für Verschwendung. Es gehe vielmehr darum, „Wasserstoff klug und zukunftsgerichtet einzusetzen, also dort, wo es kaum klimafreundliche Alternativen gibt“, sagte die SPD-Politikerin dem Nachrichtenmagazin Spiegel. Damit meint sie vor allem die Chemie- und Stahlindustrie sowie den Luft- und Seeverkehr. Auch Forschungsministerin Anja Karliczek will den Wasserstoff lieber für die Industrie „sparen“.

Ein weiterer Punkt, an dem sich die Geister in der Regierung scheiden, ist die Frage, wann Wasserstoff als klimafreundlich gelten darf: Das Wirtschaftsministerium setzte in einem ersten Entwurf zumindest in Teilen auf „blauen Wasserstoff“ – Wasserstoff also, bei dessen Erzeugung zwar CO2 entsteht, dieses aber abgeschieden und gespeichert wird und damit nicht in die Atmosphäre gelangt. Die Ministerinnen für Umwelt und Forschung halten davon wenig. Sie setzen voll auf „grünen Wasserstoff“, der über die Elektrolyse von Wasser ausschließlich aus erneuerbarem Strom erzeugt wird. Mit blauem Wasserstoff werde das Problem nur verschoben, hört man Anja Karliczek.

Verschoben werden muss wegen der Uneinigkeit auch die Verabschiedung der Wasserstoffstrategie. Ursprünglich sollte das Papier bereits noch Ende 2019 beschlossen werden. Dieser Termin hat sich immer weiter verschoben, zuletzt Ende April. Und obwohl die Industrie aufs Tempo drückt, dürften die Chance auf eine schnelle Einigung in Zeiten der Coronakrise nicht gerade gewachsen sein. Soll die Wasserstoff-Wirtschaft kein Traum bleiben, darf man sich – auch angesichts der internationalen Konkurrenz – nicht allzu viel Zeit mehr lassen.

 

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