Ölpreisverlauf

(Bild: namning – stock.dadobe.com)

  • Analysten erwarten keine drastischen Veränderungen des Ölpreises gegenüber 2019, die definierenden Faktoren sollen sich weitgehend gegenseitig aufheben.
  • Definierend ist weiterhin ein weltweites Überangebot an Öl. Wirtschaftliche und politische Unsicherheiten sind zwar zu spüren, werden den Ölpreis aber langfristig weder nach unten noch nach oben drücken.
  • Ein neu aufgetretener Faktor ist die Coronavirus-Epidemie mit Ursprung in China, die die dortige Nachfrage und damit den Ölpreis bereits merklich sinken ließ.

Der Ölpreis hatte 2019 einen schweren Start: Im Vorjahr hatte zunächst alles auf bessere Geschäfte hingedeutet. Doch aus der erhofften Rettung des Ölpreises wurde nichts, Ende 2018 kam der Absturz. Entsprechend zaghaft waren die Prognosen für 2019 – und erwiesen sich dennoch weitgehend als zu optimistisch. Fast 75 USD pro Barrel hatten die befragten Analysten der Reuters-Umfrage und die Spezialisten der Weltbank der Sorte Brent zugetraut, und die Über-Optimisten der niederländischen Bank ABN Amro gar 90 USD. Dem entgegen stand die pessimistische Schätzung der Citi Group, die mit knapp unter 60 USD im Durchschnitt praktisch keine Verbesserung zum Jahresabschluss 2018 erwartete.

Das untere Ende der Skala hat sich als die richtige Seite der Vorhersage herausgestellt: Die zweitniedrigste Schätzung stammte mit 61 USD von der US-amerikanischen Energiebehörde EIA. Deren Prognose liegt am dichtesten am tatsächlichen Jahresdurchschnitt von 64,3 US-USD pro Barrel Brent. Die HSH Nordbank und Morgan Stanley haben mit ihrem vorhergesagten Durchschnittswert von 68 bzw. 68,5 USD immerhin recht genau den Kurs zum Jahresende von 68,2 USD getroffen.

Januar 2020: Das Ende des Optimismus

Damit betrug der Kurs zwar fast zehn USD mehr als zu Jahresbeginn. Wer dies jedoch als angedeutete Erholung des Ölpreises feiern wollte, nüchterte schnell wieder aus. Aus dem schwelenden Konflikt zwischen USA und Iran drohte gleich zu Jahresanfang ein offener Krieg zu werden. Nach der Tötung eines iranischen Generals durch die USA, Vergeltungsangriffen und dem irrtümlichen Abschuss eines Passagierflugzeugs durch das iranische Militär standen die Zeichen auf Krise, der Ölpreis machte einen Sprung nach oben. Glücklicherweise gelang vorerst die Deeskalation, sodass weitere Konsequenzen ausblieben.

Die EIA hatte zudem schon vor über einem halben Jahr beschwichtigt, dass durch die Wirtschaftssanktionen gegen den Iran kein Engpass in der globalen Versorgung zu erwarten sei. Eine Behauptung, die sich bewahrheitete: Am Ölmarkt herrscht nach wie vor ein Überangebot.

In ähnlicher Weise hatten schon die Drohnenangriffe auf Fördereinrichtungen des saudischen Staatskonzerns Saudi Aramco gezeigt, dass auch dramatische Ereignisse die Ölversorgung und damit den Preis nicht dauerhaft in die Knie zwingen. Nachdem der Angriff durch jemenitische Rebellen die Förderleistung des Konzerns zunächst halbiert hatte, machte der Ölpreis tatsächlich erst einmal einen Sprung nach oben. Nach weniger als zwei Wochen war dieser Effekt jedoch schon wieder abgeklungen. Solche kurzfristigen Ereignisse ändern wenig am langfristigen Trend des globalen Überangebots.

Mehr als ein medizinischer Notfall

In einem anderen Konflikt, dem Handelsstreit zwischen den USA und China, hat die Spannung zuletzt nachgelassen. China ist jedoch Ursprung eines anderen Faktors, der seit Kurzem den Ölpreis tatsächlich drastisch beeinflusst. Die von der chinesischen Provinz Wuhan ausgehende Epidemie des neuartigen Coronavirus ließ seit Jahresbeginn bereits weltweit Aktienmärkte einbrechen, und auch der Ölpreis stürzte wieder ab auf knapp über 50 Dollar.

Schätzungen zufolge könnte die Öl-Nachfrage im wichtigen Abnehmerland China um bis zu 20 % sinken, fürchten Analysten der Commerzbank. Die chinesischen Rohölimporte waren zuletzt 17 Jahre in Folge von einem Rekordwert zum nächsten gestiegen, 2019 importierte das Land im Schnitt 10,12 Mio. Barrel am Tag. Das Wegbrechen dieses Marktes ist für die Ölförderländer ein Notfall, der die Nachfrage weiter senken und das Überangebot verschärfen könnte. Aus diesem Grund beriefen die OPEC-Staaten und ihre Verbündeten wie Russland Anfang Februar ein Krisentreffen ein, um weitere Maßnahmen zu diskutieren.

Förderkürzungen, wie sie die sogenannten OPEC+ schon seit Anfang 2017 verfolgen, sind für die großen Ölförderer der einzig wirkungsvolle Weg, direkt Einfluss zu nehmen und einen weiteren Verfall des Ölpreises zu verhindern. Im Dezember 2019 beschlossen die OPEC+ zwar, die Ölförderung vorerst um weitere 500.000 Barrel pro Tag zu senken. Doch es ist fraglich, wie weit sich diese Praxis noch ausweiten lässt, denn die Mitglieder des Ölkartells sind sich untereinander nicht einig.

Angebot übersteigt Nachfrage

Saudi-Arabien plädiert zwar für stärkere Kürzungen, kann diese seinem größten Rivalen im Nahen Osten, dem Iran, nur schwer vermitteln. Nach den erneut verschärften Wirtschaftssanktionen ist der Iran auf die verbleibenden Einnahmen aus der Ölförderung mehr angewiesen denn je. Außerdem könnte auch bei Saudi-Arabien selbst die Schmerzgrenze bald erreicht sein: Wer kaum noch fördert, hat auch bei stabilen Preisen nichts mehr zu verkaufen. Auch wie stark sich die geringere Fördermenge der OPEC+ tatsächlich auf den Ölpreis auswirken wird, ist fraglich. Denn auch die OPEC-Staaten erwarten zumindest in der ersten Jahreshälfte 2020 eine vergleichsweise geringe Nach­frage.

Hinzu kommt weiterhin das Überangebot aus dem US-amerikanischen Fracking-Boom. Über dessen weiteren Verlauf sind sich verschiedene Experten allerdings uneinig. Einerseits lässt die Zahl der neuen Öl- und Gas-Bohrungen bereits nach, was bei den relativ kurzlebigen Fracking-Brunnen ein Indiz auf nachlassende Fördermenge ist. Demgegenüber stehen neu entdeckte und noch nicht erschlossene Vorkommen von Schieferöl und Gas. Die internationale Energieagentur IEA hält eine zweite Welle des Fracking-Booms für möglich, wenn die USA neue Handelswege und Partnerschaften erschließen. Denn dass sie vorerst Netto-Exporteur von Erdöl und Erdgas bleiben werden, gilt als gesichert: Zwar ist das Wachstum derzeit schwächer als in den stärksten Jahren des Booms. Bis zum Jahr 2030 werden die USA nach Schätzungen der US-Behörde EIA jedoch für mehr als drei Viertel des globalen Wachstums in der Öl- und Gasförderung verantwortlich sein und ihre Spitzenposition als stärkste Ölförder-Nation behalten.

Im Wesentlichen unverändert

Insgesamt gehen die Analysten davon aus, dass sich all diese Effekte gegeneinander aufheben. Abgesehen von vorübergehenden Schwankungen soll der Ölpreis kaum drastisch abstürzen, sich aber auch nicht nennenswert erholen. Bei den Prognosen für 2020 fallen zwei Dinge auf: Zum einen liegen sie im Schnitt merklich niedriger als im vergangenen Jahr, die meisten Analysten haben ihre Schätzungen im Vergleich zu 2019 um fünf bis zehn USD gesenkt. Einzig die EIA – „Prognosesieger 2019“ – liegt mit geschätzten 64,8 USD etwas über ihrem Vorjahreswert. Optimismus ist das jedoch nicht: Die Schätzung entspricht einem bestenfalls stabilen Ölpreis, der den Durchschnitt von 2019 in etwa beibehält.

Die zweite Auffälligkeit in den abgegebenen Prognosen ist, dass sie wieder sehr viel dichter beieinanderliegen. Streckten sich die angegebenen Werte 2019 noch von 57 bis 90 USD, reicht die Spanne nun von 60 bis 67 USD. Die Analysten sind vorsichtiger mit ihren Prognosen geworden, denn unter den derzeitigen Bedingungen scheint nur eins vorhersehbar: die Unvorhersehbarkeit.

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