Ölpreise - Kurse

(Bild: m.mphoto – AdobeStock)

  • Der aktuelle Ölpreis zeigt sich volatil und unterliegt einer ganzen Reihe von Einflussfaktoren, von denen die Entwicklung der Weltkonjunktur der wichtigste ist.
  • Aufgrund der Elektrifizierung des Transportwesens wird die Petrochemie bereits mittelfristig der wichtigste Nachfragetreiber für Rohöl werden.
  • Die Gewinnung von Schieferöl und -gas hat globale Auswirkungen auf die Energiemärkte und triggert weitere Chemie-Investitionen in den USA

Doch die Märkte zeigten sich diesmal gänzlich unbeeindruckt. Der Preis für die Sorte WTI verharrte zwischen Anfang und Mitte Mai bei rund 61 Dollar pro Fass, kletterte dann kurzfristig auf 63 Dollar, um schließlich am 22. Mai auf 58 Dollar pro Fass abzustürzen.

Insgesamt sind die Märkte zwar nervös – in den vergangenen zwölf Monaten schwankte der WTI-Preis zwischen 43 und 76 Dollar pro Fass – doch politische Ereignisse lassen die Notierungen weitgehend kalt. Viel mehr bewegen Konjunktursorgen den Ölpreis, der schon lange als wichtiger Indikator für den Zustand der Weltwirtschaft gilt. Im Herbst letzten Jahres drückten diese die Notierungen auf 43 Dollar. Im Dezember beschloss die Opec deshalb, die Förderung um 1,2 Mio. Barrel pro Tag zu kürzen. In der Folge, aber vor allem aufgrund der überraschend guten Wirtschaftsdaten aus China, erholten sich WTI auf 66 USD/Barrel (April 2019). Ende Mai setzten wiederum hohe US-Lagerbestände den Preis unter Druck: Das US-Energieministerium meldete die höchsten Reserven seit 2017 – vor dem Hintergrund des eskalierenden Handelsstreits zwischen den USA und China sowie den ohnehin latenten Sorgen um die Weltwirtschaft ein Signal mit Durchschlagskraft.

Sorgen um die Weltwirtschaft drücken den Ölpreis

Im Hinblick auf Investitionen und Standorte ist die kurzfristige Entwicklung der Rohölpreise allerdings kein besonders wichtiger Faktor. Hier spielen vielmehr die langfristigen Erwartungen eine Rolle. Kurz- und mittelfristige Prognosen bergen dabei das größte Risiko für Fehleinschätzungen. So gehen beispielsweise Marktforscher von McKinsey davon aus, dass sich der Preis für Rohöl der Sorte Brent bis 2020 bei 60 bis 70 Dollar pro Fass einpendeln wird – vorausgesetzt, der Bedarf bleibt stabil und die Opec-Mitglieder halten ihre Disziplin. Trübt sich die Wirtschaft ein, rechnen die Marktforscher mit einem Rückschlag auf 50 Dollar. Gleichzeitig schätzt McKinsey, dass auch Preise bis 90 Dollar möglich sind, falls die Ölproduktion in Venezuela und Iran weiter eingeschränkt wird.

Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt auch die amerikanische Energiebehörde EIA, die für 2020 einen Brent-Preis von 67 Dollar pro Fass erwartet. Die Internationale Energieagentur IEA in Paris geht davon aus, dass derzeit die Geopolitik Schatten über die Ölmärkte wirft und die Wirtschaft an Momentum verliert. Zudem gibt es im Ölmarkt neue Gamechanger: Zu einem steigenden Bewusstsein für die Nachhaltigkeit der Öl- und Gasproduktion kommen neue Umweltvorschriften, beispielsweise um die Schwefelemissionen im Schiffsverkehr zu reduzieren. Dort wird sich der Bedarf von Schweröl mit hohem Schwefelgehalt hin zu Ölen und Schiffsdiesel mit sehr geringem Schwefelgehalt verschieben.

Gamechanger verändern den Ölmarkt

Dass die Förderkürzungen der Opec in den vergangenen Jahren nur geringen Einfluss hatten, liegt an den amerikanischen Förderern: Steigt der Rohölpreis aufgrund eines knapperen Angebots, füllen sofort Schieferölproduzenten die Lücke. Für nachhaltig wirtschaftliche Investitionen in neue Fracking-Anlagen ist laut McKinsey ein Brent-Preis von 75 Dollar pro Fass notwendig – allerdings mit sinkender Tendenz. Durch die Schieferölförderung ist die USA inzwischen wieder zur größten Fördernation aufgestiegen und könnte bis 2021 sogar wieder Nettoexporteur werden. Die IEA rechnet damit, dass die amerikanischen Fracker ihre Förderung bis 2024 von derzeit 7 Mio. Barrel/d auf 12 Mio. Barrel/d steigern werden – ein Preis von 80 USD/Barrel vorausgesetzt.

Auch im Hinblick auf die Technik hat der Trend zum Schieferöl Folgen: Während klassisches Rohöl aus maritimen oder Festlandslagerstätten einen vergleichsweise hohen Schwefelgehalt hat, enthält Schieferöl deutlich weniger Schwefel und ist einfacher zu verarbeiten. Die IEA sieht bereits die zweite Welle der amerikanischen Schieferrevolution: Diese wird internationale Handelswege für Öl und Gas verändern und sich auch auf die globale Energie-Geopolitik auswirken. Denn nach Schätzungen der Energieagentur werden die USA in den kommenden fünf Jahren 70 % des zusätzlichen Bedarfs an Rohöl decken.

Ab Mitte der 2020er Jahre wird der globale Ölbedarf aufgrund der Elektrifizierung des Transportwesens zurückgehen, die Petrochemie wird dann zum größten Nachfragetreiber. McKinsey schätzt, dass 2033 das Bedarfsmaximum (peak oil) erreicht sein wird.

Zweite Schieferrevolution

Interessant ist auch die Entwicklung beim Erdgas. Denn auch hier sind die geopolitischen Auswirkungen der zweiten Welle der Schieferrevolution schon zu spüren – beispielsweise im wachsenden Druck der US-Regierung auf Abnehmer in Europa, Terminals für amerikanisches Flüssiggas (LNG) zu bauen und das russisch-deutsche Pipeline-Projekt Nord Stream 2 aufzugeben. Wenn die amerikanischen Fracker die Förderung wie erwartet ausweiten werden, dann wird das Kohle als Energieträger für die Elektrizitätserzeugung weiter zurückdrängen. Die EIA rechnet damit, dass der Anteil in diesem Jahr auf insgesamt 37 % (+2 %) steigen wird.

Für die amerikanische Chemie wirkt die zweite Welle der Schieferrevolution zusätzlich als Stimulans. Der Chemieverband ACC zählte im Dezember 2018 über 320 angekündigte Investitionsprojekte mit einem Volumen von mehr als 200 Mrd. US-Dollar, mit denen sich die Investoren günstiges Schiefergas zunutze machen wollen. Während die Chemiekonzerne in der Vergangenheit ihre Investitionen vor allem in Anlagen an der Golfküste im Süden der USA getätigt hatten, könnte die zweite Welle zu einem neuen Chemie-Schwerpunkt führen: Der ACC schätzt, dass bis 2025 in den vier an die Appalachen grenzenden Bundesstaaten West Virginia, Pennsylvania, Ohio und Kentucky aufgrund der Schiefergasvorkommen bis zu 69.000 Chemie-Arbeitsplätze entstehen werden und dort 36 Mrd. US-Dollar in neue Anlagen investiert werden. Der Verband rechnet mit fünf neuen Ethancrackern und zwei Propan-Dehydrieranlagen. Insgesamt, so der ACC, könnten mit den derzeit in den USA angekündigten, auf Schiefergas bezogenen Investitionen 431.000 direkte und indirekte Arbeitsplätze entstehen. Zum Vergleich: In Deutschland waren 2018 453.000 Menschen in der Chemie beschäftigt.

Fazit: Der aktuelle Ölpreis zeigt sich volatil und unterliegt vielen Einflussfaktoren, von denen die Entwicklung der Weltkonjunktur der wichtigste ist. Die Gewinnung von Schieferöl und -gas hat globale Auswirkungen.

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