Bombe H1

(Bild: markus dehlzeit – Fotolia)

Ein Gespräch droht zu eskalieren

Mir ging es kürzlich so, dass eine Mitarbeiterin in Elternzeitvertretung auf der Suche nach einer Dauerstelle fündig geworden war. Dies hatte sie mir noch nicht mitgeteilt und legte nun vor versammelter Mannschaft im Großraumbüro los, mit allem, was ihrer Meinung nach „mal gesagt werden“ müsste. Ich überlegte kurz, ob wir in mein Arbeitszimmer gehen oder uns doch lieber an einen Tisch im Großraumbüro uns gegenüber setzen sollten, wo alle mithören konnten. Angesichts in dieser Situation möglicher späterer Beschuldigungen gegen mich als männliche Führungskraft verzichtete ich auf ein isoliertes Gespräch und wählte die offene Lösung unter Zeugen.

Wenn ich Initiator für ein Feedback-Gespräch bin, bevorzuge ich eigentlich das 4-Augen-Gespräch. Dazu lade ich den Mitarbeitenden ein und bitte bei Mitarbeiterinnen darum, dass sie eine Person ihres Vertrauens mit dazu nehmen. Gerade dann, wenn es ein Gespräch wird, bei dem Emotionen hochkochen könnten. Sollte die Mitarbeiterin übrigens alleine kommen, frage ich, ob ich eine Aufzeichnung des Gesprächs zu Protokollzwecken machen darf. Sollte sie das ablehnen, verschiebe ich den Gesprächs­termin, um jemanden aus der Personalabteilung, dem Personalrat, der Gleichstellung oder dergleichen dazu zu bitten. Ich denke, dass jede männliche Führungspersönlichkeit so und nicht anders verfahren sollte, bevor eine verfahrene, verfängliche Situation entstanden ist, die man hätte vermeiden können.

„Erfolgreiche Feedback-Gespräche – insbesondere die von kritischer Natur – sind getragen von einer guten, wertschätzenden Gesprächsführung“, schreibe ich auf meiner Website. Und so habe ich ihr erst einmal den Raum und mein Ohr gegeben, alles rauszulassen, was ihr auf der Seele lag. Ich habe ihr zugehört, ohne sie zu unterbrechen. Ich habe auch bewusst keine Notizen gemacht und sie ohne Zeitdruck ausreden lassen. Ich habe sie dann nach einer Pause – vielleicht hätte ich noch das Fenster öffnen können, um frische Luft und einen anderen Wind hereinzulassen – gefragt, ob ich sie richtig verstanden habe, dass … . – Und dann habe ich verschiedene Behauptungen hinterfragt, die in meinen Augen unstimmig waren und nicht klar belegt waren. Ganz wichtig: Mit keinem Wort oder Satz habe ich mich gerechtfertigt. Die Mitarbeiterin hatte sich ja bereits entschieden, zu scheiden. Über die Vergangenheit waren nun eigentlich genug der Worte gewechselt. Doch hatte ich ihr noch das Bedürfnis, ihr meine Gefühle, die ich zu ihrem Problem verspürte, als konstruktiven Beitrag auf ihren weiteren Berufsweg mitzugeben. Da man über Gefühle bekanntlich nicht streiten kann, darf man sie sich anhören, sie auf sich wirken lassen. Man darf sie beim Gefühle-Mitteilenden lassen oder kann sich damit beschäftigen und daran
wachsen.

Ich habe der Mitarbeiterin unter anderem gesagt, dass ich das Gefühl habe, dass sie mich mit jemandem verwechsle – und ich das Gefühl nicht loswerde, dass dieser jemand ihr Vater sein könnte, dem vielleicht dieser gegen mich gerichtete, angestaute „Brass“ wirklich gelte. Wir Führungskräfte müssen vielfach als Projektionsfläche herhalten: Dies zu erkennen und nicht selbst emotional zu reagieren, bedeutet im zweiten Grundsatz, sich und jedem anderen wertschätzend zu begegnen.

Vielleicht gedeiht ein Gespräch ja dahin, dass man auf die „blinden Flecken“ zu sprechen kommen darf. Dann kann es ziemlich konstruktiv für den Mitarbeitenden werden und ihm dabei helfen, an einem neuen Arbeitsplatz nicht alte Muster auszubreiten.

Übung macht den Feedback-Meister

Jeder Small Talk auf dem Flur, jede Rückmeldung in einem Meeting, einem Workshop oder im Mitarbeiter­gespräch will „gelebt“ sein. Jede Begegnung, insbesondere mit schwierigen Mitarbeitenden, ist eine Herausforderung, die man erst durch Übung „am Objekt“ von Mal zu Mal souveräner gestalten können wird. Dazu sollte man mehr voneinander wissen und seine Mitarbeiter von sich erzählen lassen – natürlich nur, wenn sie dazu bereit sind –, um in Mitarbeiter- und Feedback-Gesprächen nicht mit den stereotypen Floskeln des „Erstmal-loben-Müssens“ zu beginnen, die bei jedem Menschen eher eine Abwehrhaltung herausfordern als sich für ein wirkliches Miteinander-Gespräch konstruktiv zu öffnen.

Ob ein Feedback-Gespräch gelingen wird, ist lange vor dem Feedback-Gespräch entschieden: Eine erste Faustregel ist sicherlich, dass man viel mehr über seine Mitarbeitenden in Erfahrung bringen muss, als in den Bewerbungsunterlagen stand oder im Vorstellungsgespräch preisgegeben wurde. Das allerdings, ohne diesen auszufragen. Es ist gut, frühzeitig zu wissen, ob man den Mitarbeitenden Wachstumsimpulse geben darf, wo sie sich in Hobbies und Arbeit besonders gut fühlen und wie man diese Bereiche am Arbeitsplatz verstärken kann.

Führung durch echte Persönlichkeit

Eine Führungspersönlichkeit ist erst eine wirkliche Persönlichkeit, wenn sie sich bewusst ist, dass im persönlichen Kontakt nichts in Stein gemeißelt ist und jeder Tag eine Herausforderung ist. Insbesondere wenn man provoziert wird. Wie bleibe ich authentisch bei mir und lebe meine Werte, ohne im Mainstream mitzuschwimmen? Es ist sicherlich ganz entscheidend, ob ich mein Selbstbild mit Fremdbildern aus meiner Umgebung reflektiert habe, bevor ich in den „Ring steige“. Dann kann ich auch spontan in Konflikt-beladene Gespräche gehen und in diesen bestehen, selbst wenn ich vielleicht nicht hundertprozentig gut drauf bin. Ich muss mich auf mich verlassen können und verinnerlicht haben, dass man – frei nach Saint-Exupéry – nur mit dem Herzen gut sieht.

Zum „geladenen“ Feedback-Gespräch

Etwas einfacher ist die Situation, wenn man einen Mitarbeitenden gezielt zum Feedback-Gespräch einlädt. Es fällt dann häufig leichter, das Gespräch so zu gestalten, dass es wertschätzend abläuft und sich nachhaltig die Änderung beim Mitarbeitenden einstellt, die man von diesem in der Zukunft erwartet. Da es meist darauf hinausläuft, dass der Mitarbeitende sein Verhalten ändern soll, müssen gemeinsam Strategien ausgearbeitet werden, wie diese Verhaltensänderungen längerfristig und nachhaltig herbeigeführt werden können. Auch geht es darum, wie diese Verhaltensänderungen nachhaltig herbeigeführt werden können und was der Mitarbeitende bereit ist, an Konsequenzen zu akzeptieren, wenn bis zu einem bestimmten Datum keine Veränderung für den Vorgesetzten (messbar) erkennbar ist. Das Feedback-Gespräch läuft auf eine positive Einsicht des Mitarbeitenden und sein spürbares Erkennen eines wirklichen Nutzens für sich selbst hinaus, damit aus einer „Schonhaltung“ ein konstruktives Miteinander wird. Sollte es nicht dazu kommen, muss man emotionslos Farbe bekennen, dass man als Führungskraft besser seine Energie für einen neuen Mitarbeitenden einsetzt als für den destruktiven, den man aktuell noch an Bord hat.

Kernbotschaften:

  • In Ratgebern heißt es oftmals: „Öffentlichkeit im Feedback-Gespräch geht gar nicht“. Ich halte dagegen, dass die Situation entscheidet, was geht oder nicht geht.
  • Im Feedback-Gespräch immer nachfragen: „Habe ich richtig verstanden, dass …“. Und ganz wichtig: sich mit keinem Wort oder Satz rechtfertigen.
  • Da man über Gefühle bekanntlich nicht streiten kann, darf man sie sich anhören, sie auf sich wirken lassen. Man darf sie beim Gefühle-Mitteilenden lassen oder kann sich damit beschäftigen und daran wachsen.
  • Ob ein Feedback-Gespräch gelingen wird, ist lange vor dem Feedback-Gespräch entschieden: Eine erste Faustregel ist, viel über den Mitarbeiter und seine Gefühle zu erfahren. Das allerdings ohne diesen auszufragen.
  • Seitens des Feedback-Gebers sind klare, unmissverständliche Ansagen unverzichtbar.
  • Dem Feedback-Nehmer sollte die Möglichkeit gegeben werden, selbst einen Lösungsweg zu skizzieren und Vorschläge einzubringen, wie die Sanktionen bei Nicht-Einhaltung aussehen sollen.

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