- Betreiber stehen zwar in der Verantwortung, nationale Verordnungen einzuhalten. Sind aber gleichzeitig häufig durch globale Strukturen ihres Konzerns fremdbestimmt.
- Im Ernstfall drohen ihm Bußgelder, Strafgelder und Freiheitsstrafe. Eine Versicherung ist mit Ausnahme der Strafrechtsschutzversicherung, die im Wesentlichen Verteidigerkosten decken soll, nicht möglich.
- Darum ist es wichtig, Zuständigkeiten und Kompetenzen von vornherein ‚ein-eindeutig‘ festzulegen und voneinander abzugrenzen.
Dabei handelt es sich um die häufig für alle globalen Standorte eines Konzerns erfolgte Zusammenfassung von Produkt- beziehungsweise Produktionszweigen mit dem Ziel der Vereinfachung und Effektivitätserhöhung. Doch gerade diese Vereinfachung kann für die national firmierenden Gesellschaften und deren Organe zum Problem werden. Schon dann beispielsweise, wenn ein Konzern eine Produktzusammensetzung oder die eingesetzten Stoffe beziehungsweise nur deren Parameter zur Produktion global ändert, hier jedoch niemand die örtlichen inländischen Genehmigungen und gesetzlichen Rahmenbedingungen im Auge behält. Neben verwaltungsrechtlichen Problemen für die nationale Gesellschaft können auch strafrechtliche Folgen für die verantwortlichen Führungskräfte drohen.
Fremdbestimmung in der Betriebsorganisation durch globale Strukturen
Die national ansässigen Betriebe, wozu die im jeweiligen Staat firmierenden Gesellschaften global operierender Konzerne zweifelsfrei gehören, unterliegen dem dort geltenden nationalen Recht. Beispielsweise hat ein deutscher Werksleiter und Geschäftsführer für die ausschließliche Verwendung von nach deutschem Recht als Produktionsbestandteile zugelassener Stoffe einzustehen. Hat er aber innerhalb seiner betrieblichen Organisation überhaupt Einfluss auf das Produktionsverfahren und die Verwendung der Materialien und Ausgangsstoffe? Diese Möglichkeit ist ihm innerhalb einer Business Unit Structure häufig genommen. Die Vorgaben zur Produktion fließen unmittelbar von dem im Ausland ansässigen, einer anderen Konzerngesellschaft angehörenden Leiter der Business Unit anweisend in die Produktion im nationalen, im Beispiel deutschen Werk ein. Der Werksleiter/Geschäftsführer der jeweiligen national firmierenden Gesellschaft hat keinen Einfluss auf die Geschehnisse im eigenen Werk; seine Betriebsorganisation ist insoweit fremdbestimmt. Doch wie sollte eigentlich die Unternehmerorganisation aussehen?
Betriebsorganisation – Linie vs. Business Structure
Schauen wir uns zunächst die wesentlichen Unterschiede zwischen der klassischen Linienorganisation und der Organisation innerhalb einer Business Structure an: Die klassische Linienorganisation ist von der hierarchischen Aufgabenteilung mit der stufenweisen Delegation von Aufgabe, Kompetenz und Verantwortung top down geprägt. Vereinfacht und kurz zusammengefasst wählt der Vorgesetze für die zu übertragenden Aufgaben geeignete Mitarbeiter aus und überträgt per Delegation die jeweiligen Aufgaben sowie bedarfsgerecht notwendige Führungsverantwortung und definierte Kompetenzen – beispielsweise wirtschaftlicher oder räumlicher Art – je nach Aufgabe. Die ausgewählten Mitarbeiter instruiert er fachlich. Die Arbeitsausführung sowie die Wahrnehmung der übertragenen Verantwortung werden kontrolliert.
Die Führung in der Business Structure unterscheidet sich wesentlich: Beispielsweise nach Produkt- oder Produktionszweig geordnet erfolgt hier die Produktionsanweisung der Mitarbeiter zentral von einem Fachvorgesetzten, der regelmäßig einer anderen, häufig ausländischen Konzerngesellschaft angehört. Das klingt zunächst unspektakulär, wirft in der Praxis aber oft Probleme auf. Dann nämlich, wenn Business Line und die örtliche Linienorganisation nicht deckungsgleich sind. Das ist in den allermeisten Fällen gegeben. Damit „schießen“ Vorgaben – beispielsweise zur Produktion wie im Eingangsbeispiel dargestellt – direkt als Quereinflüsse in die örtliche Linienorganisation ein. Die in der Verantwortung der Linienvorgesetzten liegenden Abläufe sind fremdbestimmt. Ist das ein Problem? Haftet nun die örtliche Führungskraft für fremdbestimmte Abläufe, von denen sie im Zweifel gar nichts wusste? Schauen wir uns hierzu beispielhaft die Forderungen der deutschen Rechtsprechung an eine ordnungsgemäße Betriebsorganisation an, die sinngemäß ganz überwiegend in den meisten weiteren europäischen Staaten entsprechend vorhanden und zu beachten ist.
Rechtsprechung zum Organisationsverschulden
In Deutschland gilt es, die Grundsätze der Rechtsprechung zum sogenannten Organisationsverschulden zu beachten. Zusammenfassend fordert diese Rechtsprechung eine transparente und dokumentierte Betriebsorganisation mit eindeutigen Festlegungen zur Aufbauorganisation mit der Delegation von Aufgabe, Kompetenz und Verantwortung sowie die daraus schlüssig nachfolgende Ablauforganisation mit den festgelegten Auswahl-, Anweisungs- und Überwachungspflichten. Diese vom Reichsgericht entwickelte Rechtsprechung zum Organisationsverschulden setzt der Bundesgerichtshof im Wesentlichen bis heute fort. S
ie wird zivilrechtlich ebenso angewandt wie in der strafrechtlichen Rechtsprechung. Dabei sind die Haftungsfolgen unterschiedlich: Im Zivilrecht geht es in der Regel um das Bewerten von Haftungstatbeständen in Schadensersatzfragen. Hier haftet das Unternehmen als juristische Person. Strafrechtlich haften dagegen die „Menschen“ Führungskräfte als natürliche Personen selbst. Es drohen Bußgelder, Strafgelder und Freiheitsstrafen. Eine Versicherung ist mit Ausnahme der Strafrechtsschutzversicherung, die im Wesentlichen Verteidigerkosten decken soll, hier nicht möglich.
Beweislastumkehr
Bei einem Schadensereignis, beispielsweise einem Arbeitsunfall, einer betrieblichen Störung mit Außenwirkung oder auch die Verwendung von nach nationalem Recht nicht zulässiger Produktbestandteile, muss die betroffene verantwortliche Führungskraft die Einhaltung dieser Organisationsgrundsätze für sich und für das Unternehmen im Rahmen der betrieblichen Leitungsspanne nachweisen. Dies sind die Parameter, die im strafrechtlich relevanten Schadensfall die Staatsanwaltschaft und später das Gericht abfragen. Hier ist die Beweislast umgekehrt: Die Führungskräfte im Unternehmen müssen nachweisen, alles Mögliche und Zumutbare getan zu haben, um den Schadenseintritt zu verhindern. Gelingt dieser Beweis nicht, wird das haftungsrelevante Verschulden unterstellt.
Haftung für Business Structure?
Vor diesem Hintergrund nun zurück zu unserer Fallfrage: Haftet die örtliche Führungskraft für durch eine Business Unit fremdbestimmte Abläufe, von denen sie im Zweifel gar nichts wusste? Die grundsätzliche Verantwortlichkeit im Sinne der Linienverantwortung haben wir bereits bestätigt. Doch hilft „Unwissen“ hinsichtlich der Vorgaben der Business Unit und deren Umsetzung innerhalb der eigenen örtlichen Linienorganisation vor einer etwaigen Strafe? Die Antwort liegt fast auf der Hand: Die Führungskraft muss wissen, was sich in ihrem Leitungsbereich abspielt – juristisch formuliert hat sie rechtlich dafür einzustehen, dass kein strafrechtlich relevanter Schaden entsteht. Wir sind nicht nur dafür verantwortlich, was wir tun, sondern auch für unterlassene Handlungen, wenn wir durch aktives Einwirken einen Schadenseinstritt hätten verhindern können. Bei rechtlich gebotener Handlung besteht Handlungspflicht. Der deutsche Gesetzgeber hat dies mit der sogenannten Entsprechungsklausel in § 13 Strafgesetzbuch normiert.
Irrgarten mit Haftungsfalle?
Was also tun? Die Delegation von Aufgabe, Kompetenz und Verantwortung sollte top down erfolgen, also ausgehend von der inländischen Unternehmensleitung schrittweise von oben nach unten durch die Unternehmenshierarchie. Den jeweiligen Linienführungskräften obliegen die Instruktions- und Kontrollpflichten, die im Falle des Falles zum Vermeiden der persönlichen Haftung nachzuweisen sind. Es gilt, die Behauptung eines strafrechtlich relevanten Organisationsverschuldens zu entkräften. Doch kann dies innerhalb der Business Structure gelingen? In die verschiedenen Hierarchieebenen „schießen“ nunmehr Anweisungen „seitlich“, als Vorgaben der Business Unit, unmittelbar ein.
Die nationale Führungskraft, beispielsweise der der Geschäftsführung angehörende Werksleiter, hat im Zweifel gar keine Kenntnis von diesen Vorgaben und deren unmittelbarer Umsetzung innerhalb seiner örtlichen Produktion. Gleichwohl haftet er nach nationalem Recht dafür, dass an seinem Standort ausschließlich dem nationalen Vorschriften- und Regelwerk entsprechend der Betriebsgenehmigung produziert wird. Eine Haftungsfalle? Hier gilt es, präventiv tätig zu werden. Der durch die Business Structure ungewollt erzeugte Organisationsnebel muss und kann gelichtet werden. Es sind Organisationsvorgaben aufzubauen, die das Prüfen der Vorgaben der Business Unit innerhalb der nationalen Gesellschaftsorganisation sicherstellen. Eine sogenannte „gerichtsfeste“ Organisation kann helfen, Rechtssicherheit für alle Beteiligten zu erzeugen.
Organisationsverschulden verhindern
Unter einer „gerichtsfesten“ Organisation ist das Beachten der Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofs zum Organisationsverschulden, abgeleitet aus den §§ 823, 831, 31 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), zu verstehen. Hieraus ergeben sich besondere Pflichten für Führungskräfte zur Auswahl, Anweisung und Überwachung beziehungsweise Kontrolle der Arbeitsausführung der jeweils eigenen, unmittelbar unterstellten Mitarbeiter. Die Ausübung dieser Pflichten ist durch die Führungskräfte stets so zu dokumentieren, dass gerichtsverwertbare – also vor Gericht anerkennbare – Nachweise vorliegen. Eine derartige Rechtslage existiert sehr ähnlich in den meisten weiteren europäischen Staaten, sodass eine entsprechende Anwendung des hier verwendeten deutschen Beispiels gegeben sein dürfte. Insgesamt sind damit die bereits vorgestellten Grundsätze der Rechtsprechung zum Organisationsverschulden vorbeugend in die Unternehmensorganisation zu integrieren.
Zuständigkeiten abgrenzen
Wie gelingt dies erfolgreich? Voraussetzung ist es, zunächst die „eigene Bude“ sauber zu halten, also transparent nach den hier vorgestellten Grundsätzen organisiert zu sein. Die Abgrenzung zu den quer einfließenden Vorgaben der Business Unit kann dann beispielsweise mit Hilfe von Zuständigkeits-/Kompetenz-Matrizes erfolgen. Alternativ ist auch eine Matrixorganisation, hier die Nebeneinander-Darstellung von Liniendelegationen, möglich. In jedem Fall kommt es aber darauf an, Zuständigkeiten und Kompetenzen „ein-eindeutig“ festzulegen und voneinander abzugrenzen. In Zweifelsfragen muss als zuletzt entscheidende Instanz frei nach Russell Mulcahy das Highlander-Prinzip gelten: Es kann nur einen geben! Für die nationale Firma innerhalb einer globalen Business Structure muss dieser Highlander angesichts der vorgestellten Haftungssituation schon aus Gründen des Selbstschutzes durch das Organ innerhalb der nationalen Linienorganisation zweifelsfrei, „ein-eindeutig“ festgelegt sein.