März 2016

CT: Gibt es neben den energiepolitischen Themen weitere Herausforderungen?
Vormann: Chemiepark-Betreiber sind industrienahe Dienstleister, für uns führen die tarifvertraglichen Rahmenbedingungen zu einem enormen Wettbewerbsdruck durch branchenfremde Dienstleister. Belastend sind jedoch auch politische Entscheidungen der jüngeren Vergangenheit wie die Einführung der abschlagsfreien Rente mit 63 – aus meiner Sicht eine völlig falsche Weichenstellung, weil wir schon heute händeringend Fachkräfte suchen und es uns nicht erlauben können, undifferenziert qualifizierte Mitarbeiter früher in den Ruhestand zu schicken – von den finanziellen Auswirkungen auf die sozialen Systeme ganz zu schweigen. Apropos Fachkräftemangel: Mitarbeiter kontinuierlich weiter zu qualifizieren, um auch für veränderte Arbeitsbedingungen gewappnet zu sein, und vor allem genügend junge Menschen für eine klassische Ausbildung zu finden und zu begeistern, auch das sind Herausforderungen für industrienahe Dienstleister. Speziell als Chemiepark-Betreiber beschäftigen wir uns auch mit genehmigungsrechtlichen Fragestellungen in Zusammenhang mit der nationalen Umsetzung der Seveso-Richtlinie. Wir dürfen die Entwicklungsmöglichkeiten von Chemie-Standorten in Deutschland nicht gefährden.

CT: Wo sehen Sie Wettbewerbsvorteile der deutschen Industrieparks?
Vormann: Effizienz, Qualität, Qualifikation – wir haben an vielen Standorten eine exzellente Infrastruktur und sind vor allem bei der effizienten Erzeugung von Nutzenergie auf einem sehr hohen Niveau, wenn es um den Anlagenbetrieb geht. Gerade weil der Kostendruck in den vergangenen Jahren stetig zugenommen hat, wurde in diesem Bereich enorm viel getan. Grundsätzlich gilt aber auch in vielen anderen Bereichen wie der Entsorgung, der Anlagensicherheit oder bei Security-Themen, dass wir im internationalen Vergleich ein sehr hohes Qualitäts-Niveau vorweisen können. Und auch in Sachen Umweltschutz und Nachhaltigkeit setzen wir in deutschen Chemieparks sicherlich Maßstäbe. Auch wenn die Kosten die wichtigste Rolle spielen: Produzierende Unternehmen beziehen Nachhaltigkeits-Kriterien immer stärker in Standortentscheidungen ein.  Das wichtigste Kapital für Betreibergesellschaften von Chemie- oder Industrieparks sind jedoch unsere Mitarbeiter. Wir haben hochqualifiziertes Personal und können auch aus diesem Grund höchsten Qualitätsansprüchen gerecht werden. Auch das ist ein Pfund, mit dem wir im internationalen Vergleich wuchern können.

Auf dieser Grundlage können sich deutsche Chemie-Standorte im internationalen Wettbewerb noch immer gut behaupten. Aus Sicht der Fachvereinigung Chemieparks des Verbandes der Chemischen Industrie sehe ich es als unsere Aufgabe an, einerseits diese Vorzüge deutscher Chemiestandorte deutlich herauszustellen und für diese Standorte zu werben, und uns andererseits gegen jede Verschlechterung unserer Wettbewerbssituation zu wehren, sei es bei der Energiepolitik oder bei anderen Themen. Ohne industrielle Wertschöpfung hat der Wirtschaftsstandort Deutschland keine Zukunft. Wir werden unseren Wohlstand weder bewahren und schon gar nicht mehren können, wenn wir nur Versicherungen verkaufen, Finanzdienstleistungen erbringen oder uns gegenseitig die Haare schneiden. Wir brauchen die Industrie, nicht zuletzt auch die Chemie- und Pharmaindustrie als innovative Zukunftsbranche. Und diese Industrie braucht geeignete Standorte mit wettbewerbsfähigen Rahmenbedingungen.

Zur Person
Jürgen Vormann

Jürgen Vormann (Jahrgang 1962) ist seit 2004 Geschäftsführer des Standortbetreibers Infraserv Höchst in Frankfurt am Main. Er begann seine Karriere nach dem Studium der Betriebswirtschaft mit dem Eintritt in die Höchst AG (1990) und hatte mehrere Führungspositionen bei Celanese inne. Seit November 2015 ist Vormann Vorsitzender der Fachvereinigung Chemieparks im Verband der Chemischen Industrie. Vormann ist verheiratet und hat zwei Kinder.

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Unternehmen

Infraserv GmbH & Co. Höchst KG

Industriepark Höchst
65926 Frankfurt
Germany