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Die neuen Regelungen dienen dem Gewässerschutz und stellen Betreiber von Chemieanlagen vor zusätzliche Herausforderungen. (Bild: xmasarox – AdobeStock)

  • Chemieanlagen und deren Betreiber sind seit April 2017 von neuen Regelungen der Gewässerschutz- Verordnung AwSV betroffen.
  • Obwohl die Regeln bundesweit einheitlich gelten, unterscheiden sich die Interpretationen und Umsetzungen in den einzelnen Bundesländern.
  • Die Regelung umfasst unter anderem neue Fristen für die Mängelbeseitigung sowie zusätzliche Dokumentationspflichten.

Rund 1,3 Mio. überwachungsbedürftige Anlagen sind in Deutschland von der neuen Bundesverordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) betroffen. Das umfasst grundsätzlich alle Anlagen, in denen wassergefährdende Stoffe hergestellt, behandelt, verwendet, gelagert, abgefüllt, umgeschlagen oder in Rohrleitungen fortgeleitet werden. Raffinerieanlagen zählen ebenso dazu wie Gülletanks in der Landwirtschaft. Insbesondere aber in der chemischen Industrie kommen wassergefährdende Stoffen in großer Menge und in komplexen Anlagen zum Einsatz.

Seit die alleinige Gesetzgebungskompetenz 2010 im Zuge der Föderalismusreform auf den Bund übergangen ist, setzt die AwSV die anlagenbezogenen Schutzziele des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) um und ersetzt die vorherigen Vorschriften, vor allem die 16 Landesverordnungen (VAwS). Die zu schützenden Gewässer sind alle oberirdischen Gewässer, Küstengewässer und das Grundwasser. Mit der Kategorisierung von Stoffen in Wassergefährdungsklassen (WGK) legt die Verordnung technische und organisatorische Anforderungen an Anlagen fest.

Die Zuordnung bekannter Stoffe in die jeweilige WGK veröffentlicht das Umweltbundesamt online. Abhängig von den Gefährdungsstufen legt die Verordnung Bedingungen zum Betrieb von Anlagen sowie Fristen und Verfahren für Genehmigungen und Prüfungen fest. Dazu zählen auch die Anforderungen an die zugelassenen Prüfgesellschaften, die sogenannten Sachverständigenorganisationen.

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Die Verordnung umfasst alle Anlagen, in denen wassergefährdende Stoffe zum Einsatz kommen – von der Raffinerieanlage bis zum Abwassertank. Bilder: TÜV Süd

Veränderungen im Detail betreffen Betreiber in ganz Deutschland

Der bundesweit einheitliche Vollzug der Regelungen bedeutet gerade für Betreiber großer Anlagen einen Vorteil. Die Anforderungen an den Umgang mit wassergefährdenden Stoffen haben sich nicht grundsätzlich geändert. Die Anlageneinteilung bleibt gleich und die geltenden Technischen Regeln (TRwS) sind weiterhin gültig. Die Vereinheitlichung bringt jedoch für manche Bundesländer Veränderungen im Detail mit sich. Denn die einzelnen Landesverordnungen waren zwar ähnlich, unterschieden sich aber in einzelnen Punkten. Das gilt insbesondere für Nordrhein-Westfalen (NRW). Die Kopplung von infrastrukturellen Maßnahmen an die WGK der gehandhabten Stoffe ist hier ebenso neu wie der Umstand, dass ein abgesichertes Teilrückhaltevolumen nicht mehr bei allen Anlagen zulässig ist. In Berlin und NRW ist zudem die Möglichkeit entfallen, mit einem Gutachten das Eignungsfeststellungsverfahren zu ersetzen.

Neu für alle Bundesländer ist hingegen die allgemeine Dokumentationspflicht nach § 43 AwSV. Betreiber müssen dabei alle Stoffe klassifizieren, mit denen sie in ihren Anlagen arbeiten und damit ihre Anlagen einteilen. Für die Prüfpflicht können sich daraus ebenfalls neue Anforderungen ergeben. Sie sind in § 46 sowie in den Anlagen 5 und 6 aufgeführt. Zu den vorhandenen WGK ist jetzt die Kategorie der „allgemein wassergefährdenden Stoffe (awg)“ hinzugekommen. Sie dient unter anderem dazu, alle aufschwimmenden Stoffe zu erfassen, die nicht bereits in eine WGK eingeordnet sind und die, allein durch ihre Fähigkeit, Gewässer abzudecken, Organismen schädigen können. Eine Anlage, deren Gefährdungsstufe sich ändert – etwa weil ein darin behandelter Stoff neu klassifiziert wird –, muss der Betreiber unter Umständen auf behördliche Anordnung nachrüsten.

Beim Neu- oder Umbau von Anlagen wird, je nach Gefährdungsstufe, eine sofortige Prüfung notwendig. Bestandslagen, für die aufgrund der AwSV neue Anforderungen gelten, die aber ihrer bisherigen Landesverordnung entsprachen, müssen erst auf Anordnung nachgerüstet werden. Eventuelle Abweichungen zu den Anforderungen der AwSV hält der Prüfer im Prüfbericht fest. Im Bedarfsfall können die Behörden dann Anpassungen anordnen. Die Fristen für wiederkehrende Prüfungen ändern sich nicht. Neue Anlagen können jedoch, je nach Bundesland, prüfpflichtig werden. Darauf sollte der Betreiber achten. Bei wesentlichen Änderungen an prüfpflichtigen Anlagen bzw. beim Neubau gilt jetzt jedoch eine Anzeigenpflicht.

Die Planung einer Anlage hat eine höhere Bedeutung bekommen, insofern als dass sich die Grundsatzanforderungen (§ 17) jetzt neben Errichtung, Beschaffenheit und Betrieb auch auf die Planung beziehen. Damit reagiert der Verordnungsgeber auf die Erfahrung, dass es in der Vergangenheit immer wieder zu Mängeln kam, die durch eine fachlich korrekte Planung vermeidbar gewesen wären. Konkrete Vorgaben zur Anlagenplanung macht die Verordnung indes nicht.

Ein besonderes Augenmerk sollten Anlagenbetreiber auf die neuen Fristen zur Mängelbeseitigung legen. Erhebliche Mängel müssen jetzt „unverzüglich“ – das heißt so schnell wie möglich ohne schuldhafte Verzögerung – behoben werden, geringfügige Mängel innerhalb von sechs Monaten. Wer die Fristen nicht einhält, handelt nach AwSV ordnungswidrig. Gerade für größere Anlagen kann das bedeutsam sein, wenn für verschiedene Mängel unterschiedliche neue Fristen gelten. Instandhaltungspläne müssen dann unter Umständen angepasst werden. Betreiber, die Schwierigkeiten erkennen, einzelne Fristen umzusetzen, sollten sich frühzeitig mit den zuständigen Behörden in Verbindung setzen.

Interpretation der Regelungen weiterhin unterschiedlich

Auch wenn die AwSV die Regelungen nunmehr bundesweit vereinheitlich hat, herrscht zu den neu eingeführten Begriffen oder Verfahren bislang nicht überall auch ein einheitliches Verständnis. Die Umsetzung der Verordnung ist weiterhin Ländersache ist und erfolgt durch die zuständigen Behörden vor Ort. Deshalb findet nach wie vor ein Prozess der Interpretation und Definition statt. Ein eigens eingerichteter Bund/Länderarbeitskreis (BLAK) der Bund/Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) befasst sich mit der Auslegung interpretationsoffener Formulierungen. Auch die Vollversammlung der Sachverständigenorganisationen beteiligt sich an der Arbeit. Betroffene in Unternehmen, Behörden oder Prüfgesellschaften, die auf unklare Begriffe oder missverständliche Anforderungen stoßen, sollten sie an diese Gremien weiterleiten. Langfristig können die Ergebnisse der Auslegungsarbeit dann in entsprechende TRwS aufgenommen werden.

Detailliertere Anforderungen gelten jetzt zum Beispiel für den Prüfbericht und dessen Gestaltung. Nach neuer Regelung müssen bestimmte Angaben bereits auf der ersten Seite vermerkt werden. Der Prüfer oder „Sachverständige“ muss außerdem konkrete Empfehlungen abgeben, wenn er Maßnahmen für erforderlich hält, und eine Frist zu deren Umsetzung vorschlagen. Dabei ist auf die Fachbetriebspflicht zu achten. Diskussionen hat auch der Begriff der wesentlichen Änderungen verursacht.

Die wesentliche Änderung bei prüfpflichtigen Anlagen verpflichtet, neben der von Betreibern allgemein akzeptierten Prüfung durch einen Sachverständigen, jetzt zur Anzeige oder zur behördlichen Eignungsfeststellung. Das bedeutet – insbesondere für NRW – deutlich mehr bürokratischen Aufwand. Dort hatte der Betreiber die Genehmigung im Rahmen einer Planungsbewertung bekommen, die von einem Sachverständigen durchgeführt wurde (§ 7 (4) Bescheinigung). Bei eher kleinen Änderungen, die flexibel und zeitnah umgesetzt werden sollen, könnte diese Regelung als unverhältnismäßig wahrgenommen werden.

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Unabhängige Experten von anerkannten Sachverständigenorganisationen führen alle nach der Verordnung erforderlichen Prüfungen durch.

Unabhängige Experten können Betreiber unterstützen

Um sich bestmöglich auf geänderte Anforderungen einstellen zu können, sollten Unternehmen, die Anlagen betreiben, zuerst die für sie relevanten Änderungen identifizieren. Dazu müssen die Anlagen definiert und abgegrenzt werden. Die Stoffe, mit denen in der Anlage umgegangen wird, müssen bekannt sein – ebenso wie deren Mengen, Aggregatzustände und Gefährdungsklassen. Im nächsten Schritt müssen Verantwortlichkeiten benannt und klar zugeordnet werden. Schwierigkeiten bei der Umsetzung lassen sich unter Umständen im Gespräch mit den zuständigen Behörden auflösen. Darüber hinaus finden Betreiber bei Unklarheiten bezüglich konkreter Regelungen vor allem bei unabhängigen Experten Unterstützung.

Als zugelassene Prüfgesellschaft und anerkannte Sachverständigenorganisation nach § 52 AwSV führt TÜV Süd Chemie Service neben den nach der Verordnung erforderlichen Prüfungen auch die Eignungsprüfung von Anlagen im Rahmen von Gutachten durch. Sie ist die Grundlage für die Genehmigung der Anlage. Für ein schnelles und reibungsloses Prüfverfahren raten die Sachverständigen zu einer gründlichen Anlagendokumentation. Wenn Betreibern klar ist, welche Anforderungen für ihre Anlage gelten und sie alle dafür nötigen Datenblätter oder Zertifikate vorweisen können, erleichtert das die Arbeit der Prüfer. Davon profitiert wiederum das Unternehmen, weil unnötige Kosten, etwa für Nachprüfungen, vermieden werden. 1811ct902

 

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