Mit der Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) schafft die Bundesregierung einen langfristigen Orientierungsrahmen für den Umstieg auf eine zirkuläre Wirtschaftsweise und reagiert auf die Herausforderungen für Umwelt und Wirtschaft, erklärte Bundesumweltministerin Steffi Lemke, und betonte: „Deutschland setzt sich damit an die Spitze des Wandels: als Technologieführer, als Vordenker für Kreislaufwirtschaft in Wirtschaft und Gesellschaft.“ Neue Rohstoffe würden noch zu oft aus der Natur abgebaut, nur selten sparsam oder effizient genug eingesetzt und zu wenig wiederverwendet.
Die am 4.12.2024 beschlossene Strategie soll dabei helfen, das zu ändern: „Produkte werden künftig langlebiger und kreislauffähig gestaltet sein, damit sie häufiger wiederverwendet werden können“, führte Lemke aus. „So gelingt der umweltverträgliche, klimaschonende Umgang mit Ressourcen. Zugleich schafft Deutschland mit der Kreislaufwirtschaftsstrategie neue Chancen für Unternehmen. Wir setzen Anreize für Innovationen und machen unsere Wirtschaft unabhängiger von Rohstoffimporten in Zeiten anfälliger Lieferketten und knapper Rohstoffe. Nicht zuletzt bekommen Verbraucherinnen und Verbraucher zudem echte Wahlfreiheit, wenn die Vorteile eines zirkulären Konsums transparent gemacht werden."
Zentrale Ziele der Strategie
Die Nationale Kreislaufwirtschaft bietet Orientierung für eine Transformation hin zur zirkulären Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland:
- Verbrauch von Primärrohstoffen senken: Bis 2045 soll der jährliche Verbrauch erheblich reduziert werden. Wir orientieren uns dabei an dem Vorschlag des International Resource Panel, den Verbrauch pro Kopf langfristig auf 6 bis 8 Tonnen zu senken. Derzeit liegt er bei rund 16 Tonnen.
- Stoffkreisläufe schließen: Bisher sind nur 13 Prozent der eingesetzten Materialien Sekundärrohstoffe. Auf EU-Ebene gibt es das Ziel, diesen Anteil bis 2030 zu verdoppeln. Dieses Ziel greifen wir auf.
- Unabhängigkeit von Rohstoffimporten stärken: Auch hier knüpft die NKWS an EU-Ziele an, wie sie der Critical Raw Materials Act für strategische Industrierohstoffe formuliert. Danach verfolgt die EU unter anderem das Ziel, 25 Prozent des Bedarfs an strategischen Rohstoffen bis 2030 durch Recycling zu decken.
- Abfall vermeiden: Pro Kopf sollen bis zum Jahr 2030 zehn Prozent und bis zum Jahr 2045 20 Prozent weniger Abfall produziert werden, jeweils im Vergleich zum Jahr 2020.
Handlungsfelder, Maßnahmen und Instrumente der NKWS
Die Transformation zur Kreislaufwirtschaft umfasst alle Wirtschafts- und Lebensbereiche. In der Strategie liegt der Fokus laut Bundesumweltministerium auf elf Handlungsfeldern, die ein besonders hohes Potential für zirkuläres Wirtschaften bieten: Digitalisierung; zirkuläre Produktion; Fahrzeuge und Batterien, Mobilität; IKT und Elektro(nik)geräte; Erneuerbare Energien-Anlagen; Bekleidung und Textilien; Bau und Gebäudebereich; Metalle; Kunststoffe und öffentliche Beschaffung. Einen Überblick zu all diesen Feldern gibt auch das zur Veröffentlichung der NKWS gestartete Online-Portal www.kreislaufwirtschaft-deutschland.de.
In der Umsetzung sollen alle Stationen des Lebenszyklus von Produkten berücksichtigt werden: die Gestaltung von Produkten, die Auswahl der Materialien, die Produktion, die Nutzungsphase, in der Langlebigkeit, Reparierbarkeit und Wiederverwendbarkeit entscheidend sind und schließlich das Recycling. Kreislaufwirtschaft soll dazu beitragen, dass Abfall gar nicht erst entsteht und Rohstoffe soweit es geht im Kreislauf geführt werden. Dies gelte für Smartphones oder Textilien genauso wie für Baustoffe oder Industriemetalle.
Die Ziele der NKWS sollen durch konkrete Maßnahmen und Instrumente umgesetzt werden. Beispiele sind Standards für langlebige Produkte, die Einführung digitaler Produktpässe, Rezyklateinsatzquoten für Kunststoffe auf EU-Ebene, Weiterentwicklung des Rechts auf Reparatur für Verbraucherinnen und Verbraucher oder die gezielte Nutzung der öffentlichen Beschaffung für die Kreislaufwirtschaft. Maßnahmen sind sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene erforderlich. Der Bundesverband der Deutschen Industrie und das Beratungsunternehmen Deloitte gehen davon aus, dass die Kreislaufwirtschaft bis 2030 die jährliche Bruttowertschöpfung der deutschen Wirtschaft um 12 Milliarden Euro steigern und rund 120.000 neue Arbeitsplätze schaffen kann.
Chemische Industrie bezweifelt Umsetzbarkeit der NKWS
Für die derzeit gebeutelte chemische Industrie in Deutschland tun sich mit Umsetzung der NKWS Möglichkeiten wie auch Einschränkungen auf: „Neue Verfahren wie chemisches oder biotechnologisches Recycling sollten als sinnvolle Ergänzung zum mechanischen Recycling schnell ermöglicht werden“, bekräftigt beispielsweise Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI). Kritik äußert er dagegen am Ansatz zur absoluten Senkung des Primärrohstoffverbrauchs. Dieses Leitbild würde zum Beispiel auch Biomasse und kritische Rohstoffe wie Lithium und seltene Erden betreffen, auf die die gesamte Wirtschaft auf dem Weg zur Treibhausgasneutralität angewiesen sei.
Insgesamt begrüßt Große Entrup die NKWS als einen notwendigen, aber späten ersten Schritt: „Es ist richtig, dieses Zukunftsthema anzupacken. Die Entwicklung der Welt und des Klimas zeigen: Rohstoffe müssen zwingender denn je im Kreislauf geführt werden.“ Allerdings hat der VCI-Hauptgeschäftsführer auch Zweifel an der Umsetzbarkeit der Strategie angesichts des bevorstehenden Regierungswechsels: „Ob sie das Papier wert ist, auf dem sie geschrieben ist, wird sich zeigen“, resümiert Große Entrup. „Es geht auch hier um die Zukunft des Industriestandorts Deutschland.“