- Neue oder geänderte Produktionsverfahren wirken sich auch auf den Explosionsschutz aus. Im Rembe Technology Center können solche Fragestellungen unter Praxisbedingungen getestet werden.
- Typische Aufgabenstellungen sind der Einzelnachweis der Druckfestigkeit von Anlagenequipment oder die Untersuchung des Explosions-Gefährdungspotenzials brennbarer Stoffe und Gemische.
- Mit dem Einzelnachweis ist es zudem möglich, von einschlägigen Ex-Schutz-Normen abzuweichen. Dadurch können Anlagenbauer und -betreiber Kosten sparen.
Der 50jährige Bunse macht das bereits seit 25 Jahren und scherzt, dass er bereits „mit einem Zündholz in der Hand zur Welt gekommen ist“. Doch was nach pyromanischer Leidenschaft klingt, hat einen sehr ernsten Hintergrund: Es geht darum, verfahrenstechnische Anlagen und Apparate sicherer zu machen. Dass Hersteller und Betreiber solcher Einrichtungen gleichzeitig auch noch viel Geld sparen können, erschließt sich erst auf den zweiten Blick. „Die relevanten Normen sind zum Teil Jahrzehnte alt. Häufig wurde beim Erstellen der Norm mit ganz dickem Daumen gearbeitet“, berichtet Bunse von üppigen Sicherheitszuschlägen, die zu hohen Kosten führen.
Üppige Sicherheitszuschläge nach Norm vermeiden
Die Alternative zur Anlagenauslegung nach Norm besteht darin, den Einzelnachweis zu führen. „Eine Norm ist keine Vorschrift und kein Gesetz – man kann davon abweichen, wenn man weiß, was man tut – ohne Abstriche bei der Sicherheit“, konkretisiert Bunse. Ob beispielsweise ein Sprühtrockner nach Norm für eine Druckfestigkeit von 12 bar ausgelegt werden muss oder ob eine Festigkeit bis 4 bar ausreicht, macht in Sachen Kosten einen enormen Unterschied. Voraussetzung ist allerdings der Nachweis, dass die Anlage für den Einsatzfall dennoch sicher ist. Und hier kommt das Rembe Research + Technology Center RTC von Rembe ins Spiel, das Roland Bunse als Managing Director leitet. Dort werden beinahe täglich Explosionsprüfungen durchgeführt, mit denen die Festigkeit von Bauteilen untersucht wird. Zu den Aufgabenstellungen des von der Deutschen Akkreditierungsstelle Dakks zertifizierten Prüflabors gehören zudem Brandversuche, Druckproben, Lichtbogenentladungen sowie der Nachweis der Funktionssicherheit von Bauteilen unter Explosionsbedingungen.
Im Gegensatz zu den etablierten benannten Stellen (notified bodies), bei denen der Schwerpunkt in der Regel auf der Untersuchung von Bauteilen liegt, stehen beim RTC vor allem neue verfahrenstechnische Fragestellungen im Vordergrund. „Oft finden sich zu neuen Verfahren oder zum Einsatz neuer Materialien und Materialkombinationen im aktuellen Regelwerk keine Angaben, dann führt am Einzelnachweis kein Weg vorbei“, berichtet Bunse. Und diesen führt die Ausgründung des auf Druckentlastungseinrichtungen spezialisierten Herstellers Rembe Safety + Control unter realen Bedingungen. In druckfesten Apparaten von 250 l bis 15 m3 lassen die fünf Mitarbeiter vom RTC gefahrlos exotherme Reaktionen oder Explosionen ablaufen. Größter Einzelkunde des Testlabors ist zwar die Muttergesellschaft, dennoch ist das 2017 gegründete Serviceunternehmen gesellschaftlich komplett eigenständig. „Das muss auch so sein, sonst hätte das mit der Akkreditierung nicht funktioniert“, erklärt Bunse.
Tests helfen, die Druckentlastung zu verkleinern
Dass die passende Lösung für eine untersuchte Problemstellung schließlich aus derselben Unternehmensgruppe geliefert werden kann, ist ein erwünschter, aber nicht zwingender Nebeneffekt. So stand beispielsweise ein Hersteller von 3D-Druckern, in denen brennbare Metall- und Kunststoffstäube genutzt werden, vor der Frage, ob nach Norm aufwendige Berstscheiben- und Flammendurchschlagsicherungen installiert werden müssen. Die Untersuchung im RTC zeigte schließlich, dass im Explosionsfall lediglich ein Überdruck von 120 mbar entsteht, den die Anlage locker verkraftete – weitere Maßnahmen waren nicht notwendig.
Ein Hersteller von pharmazeutischen Diagnostik-produkten ließ in Brilon das Explosionspotenzial einer Lösemittel-Zellulose-Kombination untersuchen. Nach Norm hätte der Anlagenbetreiber mehrere Q-Rohre – das sind flammenlose Druckentlastungseinrichtungen – in Nennweite DN 800 installieren und dafür tief in die Investitionskasse greifen müssen. Die Untersuchung im Prüflabor ergab, dass wenige Q-Rohre in Nennweite DN 500 ausreichen, der Betreiber sparte pro Anlage rund 100.000 Euro. „Das Beispiel zeigt, dass Betreiber hier signifikant sparen können. Richtig spannend ist das aber für Anlagenhersteller, die diese Erkenntnisse für eine ganze Produktreihe anwenden können“, sagt Bunse.
Aktuell forschen die Explosionsschutz-Experten auch am bislang noch mit vielen Fragezeichen umgebenen Gebiet der Batterien und Lithium-Ionen-Akkus. „Eine Lithium-Ionen-Batterie hat eine extrem hohe Energiedichte. Wenn diese explodiert, entsteht in 20 Sekunden ein Druck von 4 bar. Das muss bei der Konstruktion des Gehäuses berücksichtigt werden und wir erforschen gemeinsam mit den Kunden, wie das geht“, berichtet Bunse.
Immer neue Fragestellungen aus der Verfahrenstechnik
Das Batterieproblem ist ein weiteres Beispiel für Fragestellungen, die vom bisherigen Regelwerk nicht erfasst sind. In den Anlagen der Chemie- und Pharmaindustrie gibt es solche Problemstellungen ebenfalls zuhauf. So ist für den Ablauf einer Explosion beispielsweise auch entscheidend, ob diese bei atmosphärischen Bedingungen startet, oder ob bereits Vordruck anliegt und wie hoch dieser ist. „Das ist wie bei einem Automotor mit Turbolader: Bei gleichem Motor führt der Vordruck zu einer deutlich höheren Leistung“, erklärt Bunse.
Übertragen auf die Erfahrungen mit brennbaren Gasen in verfahrenstechnischen Prozessen bedeutet dies, dass der Explosionsdruck von Methan- oder Propangas sich mit jedem Bar Druck verdoppelt. Auch beim Ersatz von Lösemitteln oder Gasen durch andere ändern sich die Explosionseigenschaften. „Erdgas mit einem Wasserstoff-Anteil hat ganz andere Eigenschaften als Biogas mit demselben Wasserstoff-Anteil“, nennt Bunse ein weiteres Beispiel: „Wenn man das spezifische Gemisch untersucht, kommt man manchmal zu überraschenden Ergebnissen – oft kann man einen Apparat dann einfacher und mit weniger Aufwand für den Ex-Schutz bauen.“
Dass die Experten verantwortungsvoll mit den sensiblen Fragestellungen des Explosionsschutzes umgehen, wurde im vergangenen Jahr durch die Dakks-Akkreditierung des Prüflabors unter Beweis gestellt. „Ein Argument, das in vielen Projekten ein Türöffner ist“, sagt Roland Bunse im CT-Interview.
Powtech 2019 Halle 5 – 407 bis 410, 303
Interview mit Roland Bunse, Rembe Research + Technology Center
„Antworten für komplexe Fragestellungen“
CT: Wie kam es zur Idee, Explosionsversuche als eigenständiges Geschäft anzubieten?
Bunse: Wir haben schon seit vielen Jahren für die Entwicklung der Rembe-Produkte eigene Versuche durchgeführt. Vereinzelt kamen auch Kunden zu uns und fragten, ob wir für sie spezifische Problemstellungen untersuchen können. Und so wurde uns klar, dass es für diesen Service einen eigenen Markt gibt.
CT: Die benannten Stellen bieten schon lange die Prüfung von Apparaten als Dienstleistung an. Worin unterscheidet sich Ihr Angebot?
Bunse: Uns interessieren vor allem die verfahrenstechnischen Fragestellungen und weniger die Prüfung von Produkten. Außerdem ist es uns wichtig, Tests flexibel und schnell anbieten zu können. Und nicht jeder unserer Kunden möchte mit seiner Fragestellung gleich zu der Stelle gehen, die später die Baumusterprüfung machen soll. Aber es sind meist gar nicht die klassischen Hersteller von Maschinen und Apparaten, die zu uns kommen, sondern vor allem Anwender und Hersteller die mit ihren Fragestellungen im Ex-Schutz Neuland betreten. Unser Fokus lautet „bringen Sie uns Ihr Problem und wir erarbeiten für Sie die Lösung.“
CT: Werden die im RTC ermittelten Daten von den Prüfstellen anerkannt?
Bunse: Ja, dafür haben wir die Dakks-Akkreditierung erworben. Diese erstreckt sich auf die Prüfung von Schutzsystemen und Geräten zur Verwendung in explosionsgefährdeten Bereichen unter den im Akkreditierungs-Zertifikat genannten Randbedingungen.
CT: … und diese sind?
Bunse: Explosionsfeste Geräte nach EN 14460, Einrichtungen zur Explosionsdruckentlastung nach EN 14797, Explosionsunterdrückungssysteme nach EN 14373, Explosionsentkopplungssysteme nach EN 15089 und Einrichtungen zur flammenlosen Explosionsdruckentlastung nach EN 16009.
CT: Mit Ihren Empfehlungen weichen Sie immer wieder auch von den geltenden Normen ab. Darf man das?
Bunse: Durchaus. Normen sind weder Vorschriften noch Gesetze. Man darf davon abweichen, wenn man nachweist, dass das, was man tut, sicher ist. Und dieser Einzelnachweis kann den Anlagenbetreiber und den Anbietern von Apparaten und Maschinen helfen, viel Geld zu sparen, weil die in den existierenden Normen zugrunde liegenden Sicherheitszuschläge zum Teil schon sehr hoch sind.
CT: Wie wichtig ist dabei die Akkreditierung?
Bunse: Sie ist für viele Projekte ein Türöffner. Wenn man als Betreiber oder Anbieter von der Norm abweicht, ist man vollumfänglich für die Folgen verantwortlich. Und da ist es schon gut, wenn jemand da ist, der die Expertise dazu hat und den man mit in die Verantwortung nehmen kann. Und als akkreditiertes Prüflabor wird uns dieses Vertrauen entgegengebracht.
CT: Das neue Unternehmen besteht nun seit anderthalb Jahren. Wie sehen Ihre Wachstumspläne aus?
Bunse: Wir sind mit fünf Mitarbeitern gestartet und haben schon heute eine sehr hohe Auslastung. Da wir bei der Abwicklung der Tests sehr flexibel sind, können wir bislang gut mit der steigenden Nachfrage umgehen. Für die kommenden fünf Jahre haben wir uns vorgenommen, auf 15 bis 20 Mitarbeiter zu wachsen. An Ideen für die weitere Expansion und den Ausbau unseres Standorts mangelt es uns nicht. Denn die Fragestellungen unserer Kunden werden immer vielfältiger und auch komplexer.