- Anstatt Säureabfälle zu neutralisieren, lassen sich die Säuren per Ultra- und Nano-Filtration aufbereiten.
- Dadurch können die Säuren länger und effizienter eingesetzt sowie darin gelöste Rohstoffe zurückgewonnen werden.
Bei der Veredelung von Oberflächen und in vielen Prozessen der chemischen Industrie werden vielfach verdünnte Säuren eingesetzt. Durch die Prozessgegebenheiten werden diese mit zunehmender Nutzungsdauer mit ungelösten und gelösten Inhaltsstoffen angereichert und müssen ausgetauscht oder extern regeneriert werden. In der Regel werden diese Abfallsäuren in einer chemisch-physikalischen Aufbereitungsanlage neutralisiert, obwohl die freien Säuren nur zu einem geringen Anteil verbraucht sind.
Diese ungenutzten Ressourcen in Form freier Säuren können durch druckgetriebene Membranverfahren wie Ultra- und Nanofiltration sehr effizient zurückgewonnen werden. Gleichzeitig lohnt sich ein Blick auf die verbleibenden Konzentrate, die häufig wertvolle Ressourcen enthalten und somit die Aufbereitung wirtschaftlicher machen können. Zwei realisierte Projekte zeigen beispielhaft, wie schwefelsaure Prozessströme mit Membranverfahren aufbereitet werden.
Engineering Summit 2023
Der Engineering Summit ist die zentrale Networking-Veranstaltung des europäischen Anlagenbaus. Der Kongress wird vom 19. bis 20. September zum inzwischen neunten Mal stattfinden und dient als Plattform für den Austausch unter Führungskräften des Anlagenbaus. Auf dem kommenden Engineering Summit, der von der Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau im VDMA sowie der CHEMIE TECHNIK gemeinschaftlich veranstaltet wird, werden Aspekte der Dekarbonisierung, Transformation der Energiesysteme sowie Aspekte der Anlagenbau-Ressourcen und Technologien im Vordergrund stehen. Veranstaltungsort ist Darmstadt. Weitere Informationen unter www.engineering-summit.de
Rückgewinnung von Schwefelsäure bei der Titandioxid-Herstellung
Titandioxid ist ein vielfach eingesetztes Produkt, welches z. B. als Pigment in Farbstoffen und Beschichtungen oder als Katalysator Verwendung findet. Bei der Herstellung von Titandioxid sind weltweit zwei verschiedene Verfahren im Einsatz: das Sulfat- sowie das Chloridverfahren. Bei der Herstellung nach dem Sulfatverfahren fallen je Tonne produziertem Titandioxid mehrere Tonnen an Dünnsäure an. Die Konzentration liegt hierbei im Bereich von 22 Gew. % und die Verunreinigungen der Säure bestehen neben geringen Mengen an Titandioxid vor allem aus gelöstem Eisen. Aufgrund der Verunreinigungen ist eine Verwertung meist nicht möglich und die verbleibende Dünnsäure wird mittels Gipsfällung behandelt. Die im Gips gebundene Eisenfracht verhindert eine Wiederverwendung der Gipsschlämme; diese müssen zu großen Teilen deponiert werden. Die mittlerweile weltweit knappen Deponiekapazitäten führen dabei weiterhin zu stetig steigenden Entsorgungskosten. Gleichzeitig fordern die lokalen Umweltbehörden eine Reduktion der anfallenden Schlammmenge.
Das vom Unternehmen Osmo in Labor und Technikum entwickelte und 2021 installierte Anlagenkonzept bereitet einen Teil der bisher der Abwasserbehandlung zugeführten Abfallsäure soweit auf, dass die gereinigte Säure wieder Verwendung finden kann: Die Recyclingsäure wird entweder an externe Kunden verkauft oder aber direkt wieder im Betrieb eingesetzt, was sich während der Rohstoffknappheit im Laufe der Coronakrise 2022 als großer Vorteil für den Kunden erwies. Die Anforderungen an die gereinigte Säure sind dabei sehr anspruchsvoll: So muss der Gehalt an gelöstem Eisen etwa um den Faktor 1.000 reduziert werden, ausgehend von einer Konzentration von über 35 g/l Eisen in der Abfallsäure. Ein wesentlicher Vorteil des Membranverfahrens: Das Konzentrationsniveau der gereinigten Schwefelsäure bleibt erhalten, im Prozess findet keine Verdünnung der Säure statt.
Ultra- und Nanofiltration
Eine Ultrafiltrationsanlage (UF) befreit die Abfallsäure zunächst von den enthaltenen Feststoffen und kolloidalen Verunreinigungen. Es wird ein Filtrat erzeugt, welches die Anforderungen für die säurebeständigen Wickelemente der nachgeschalteten Nanofiltration erfüllt. Zum Einsatz kommen hier säurebeständige Membranen aus Polyolefinen oder Keramik. Im Zuge der vorab durchgeführten Pilotierung mit der Osmo-Anlagentechnik konnte gezeigt werden, dass im Konzentrat der Ultrafiltration noch nennenswerte Mengen an Titandioxid enthalten sind – siehe Abbildung 1, welche einer internen Verwertung zugeführt werden können. Der unerwünschte Austrag an Titandioxid konnte mithilfe der Ultrafiltration deutlich optimiert werden, die jährlich zurückgehaltenen Mengen liegen bei etwa 100 t/Jahr.
Die Nanofiltration (NF) ist ein druckbetriebenes Membranverfahren, mit welchem kleinste Moleküle sowie mehrwertige Ionen aus einer Lösung abgetrennt werden können. Einwertige Ionen wie Na+ oder Cl- passieren die Membran dabei nahezu ungehindert. Die NF funktioniert mittels diffusivem Stofftransport durch die Membran, das heißt es gibt keinerlei Poren im Gegensatz zur Ultrafiltration. Dabei grenzt sich die Nanofiltration vom deutlich bekannteren Schwesterverfahren, der Umkehrosmose, durch eine Membranstruktur ab, die für monovalente Ionen durchlässiger ist als für multivalente Ionen. Die am Markt erhältlichen Nanofiltrationsmembranen unterscheiden sich dabei erheblich bezüglich ihrer Trenngrenze, sodass eine zielgerichtete Auswahl an die selektive Abtrennung von unerwünschten Inhaltsstoffen möglich ist. Im konkreten Anwendungsfall der Metall/Säuretrennung passieren die einwertigen Säure-Ionen (H+) die Membrane deutlich besser als die größeren Eisen-Ionen (Fe2+) und gelangen ins Permeat. Aufgrund der Ladungsneutralität wird der zugehörige Ionenpartner Sulfat bzw. Hydrogensulfat ebenfalls ins Permeat transportiert. Das Ergebnis ist eine deutlich metallreduzierte Säure, welche den sehr hohen Prozessanforderungen gerecht wird.
Das verbleibende Konzentrat der Nanofiltration gelangt über den bisherigen Entsorgungsweg in die Gipsfällung. Durch die Installation der Säurerückgewinnungsanlage konnte der Kunde seine jährlichen CO2-Emissionen um 3.000 Tonnen reduzieren. Weiterhin konnten die deponierten Mengen an „Red Gypsum“ um 13.000 Tonnen/Jahr reduziert werden.
Aufbereitung von Schwefelsäure in einem Eloxal-Betrieb
Beim Eloxalverfahren werden die Oberflächen von Aluminiumbauteilen durch eine elektrische Oxidation mit einer Schutzschicht versehen. Durch die anodische Oxidation von Aluminium wird das schwefelsaure Prozessbad kontinuierlich mit gelöstem Aluminium angereichert. Um wirtschaftlich arbeiten zu können, muss der Gehalt an gelöstem Aluminium in einem definierten und engen Konzentrationsband liegen, ansonsten steigt der Stromverbrauch und es sinkt damit die Prozesseffizienz. Der Kunde setzt zur Badpflege bereits seit vielen Jahren eine Regenerationsanlage zur Säurerückgewinnung ein, welche auf Basis des Retardationsverfahrens arbeitet. Dabei wird die noch aktive Säure (freie Säure) zurückgewonnen und kann in den Prozess zurückgefahren werden. Es verbleibt eine verdünnte Aluminiumsulfat-Lösung, welche in der bestehenden Abwasseranlage durch Zusatz von alkalischen Chemikalien (Calciumhydroxid, Natronlauge) einer mehrstufigen Fällung unterzogen werden muss. Dabei entstehen nicht unerhebliche Mengen an Gipsschlamm, welche extern deponiert werden müssen. Durch die zunehmende Verknappung der Deponiekapazitäten stiegen die Entsorgungspreise bei diesem Kunden kontinuierlich an. Um die Situation beim Kunden nachhaltig zu verbessern, bestand die Herausforderung, ein Verfahren zu etablieren, welches wie bisher die Rückgewinnung der freien Säure gewährleistet und zugleich weniger Abwasser bzw. Rückstand erzeugt, um die Entsorgungskosten zu minimieren.
Pilotierung vor Ort
Bei ersten Laborversuchen bei Osmo konnte mit einer Probe aus dem Produktionsbetrieb schnell gezeigt werden, dass die Säurerückgewinnung gut funktionierte. Die in der Probe vorliegende Aluminiumkonzentration von 8 g/l konnte auf einen Wert von kleiner 1 g/l reduziert werden. Gleichzeitig konnte ein Konzentrat mit über 20 g/l erzeugt werden. Im Rahmen der weiteren Projektbearbeitung entschied sich der Kunde zur Pilotierung des Osmo-Verfahrens, um die Leistungsfähigkeit der Trenntechnik im kontinuierlichen Produktionsbetrieb zu bestätigen. Hierzu wurde für eine Zeitdauer von 3 Monaten mit einer technischen Pilotanlage beim Kunden im laufenden Betrieb die im Prozess anfallende Schwefelsäure aufbereitet. In den Pilotversuchen konnte demonstriert werden, dass mithilfe der Nanofiltration die im Bad verbliebene freie Schwefelsäure in gleicher Konzentration wie im Bad zurückgewonnen werden kann. Durch den sehr guten Rückhalt der Aluminiumionen konnte weiterhin eine Aluminatsulfat-Lösung erzeugt werden, die einen kontinuierlichen Aluminiumgehalt im Bereich 25 bis 30 g/l erreichte.
Das pilotierte Konzept wurde anschließend in einer Produktionsanlage realisiert und trennt seit 2019 stündlich bis zu 20 kg Aluminium ab. Die Verwertung des Nanofiltrationskonzentrates wurde durch den Kunden umgesetzt und umfasste eine Reach-Zertifizierung. Das Konzentrat wird als Produkt verwertet und kommt als Fällmittel, beispielsweise im Kläranlagenablauf zur Phosphatelimination, zum Einsatz. Ursprünglich war die Erwartung des Kunden, dass dieses kostenneutral abgegeben werden kann. Aufgrund der erzielten Qualitäten kann das Konzentrat allerdings zu den üblichen Marktpreisen verwertet werden. Anstelle von Entsorgungskosten in Höhe von mehreren 100.000 Euro pro Jahr erzielt der Kunde mit der Verwertung der Aluminiumsulfatlösung Einnahmen.
Ausblick
Mit der säurebeständigen Nanofiltration lassen sich neben Schwefelsäure auch andere Säuren wie Phosphorsäure, Salzsäure oder organische Säuren aufbereiten. Das vergangene Jahr 2022 hat gezeigt, dass steigende Chemikalienpreise unerwartete Dimensionen annehmen können: So stieg der Preis für Salzsäure kurzzeitig um das 10- bis 12-Fache und die Verfügbarkeit war bei vielen Kunden stark eingeschränkt. Um eine bestmögliche Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit im Produktionsbetrieb zu gewährleisten, lohnt eine Überprüfung der bisherigen Verfahrenskette im Produktionsbetrieb.
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