Dass die Energiekosten steigen und steigen, bekommen nicht nur die privaten Haushalte zu spüren, betroffen sind auch Weltkonzerne. Hier wie dort ist deshalb Energiesparen angesagt. Doch während man im eigenen Heim einfach die Heizung ein, zwei Grad herunterdreht und dafür den Strickpulli der Schwiegermutter aus der hintersten Schrankecke holt, müssen sich große Konzerne wie Bayer mit wesentlich größeren Dimensionen auseinandersetzen: 91Petajoule (91 Billiarden Joule) betrug 2006 der Energiebedarf des gesamten Bayer-Konzerns.

Neue Technologien helfen, Energie einzusparen und dienen damit der Kostensenkung und dem Klimaschutz. Bayer MaterialScience (BMS) hat in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe seiner Herstellungsverfahren überarbeitet mit dem Ziel, die Kosten zu senken. Ein wichtiges Beispiel dafür ist die Chlorproduktion. Das Unternehmen gewinnt Chlor aus Kochsalz nach dem Verfahren der Chloralkalielektrolyse, bei der eine große Menge an elektrischer Energie eingesetzt wird. „Zurzeit macht die Stromrechnung fast die Hälfte der Gesamtkosten für die Chlorproduktion aus“, verdeutlicht Dr. Christian Ohm, Leiter der Inorganic Basic Chemicals Industrial Operations bei BMS.

Energie sparen mit demPrinzip von Brennstoffzellen

Seit einigen Jahren entwickelt und verbessert das Unternehmen die so genannte Sauerstoffverzehrkathoden-Technologie (SVK). Die Besonderheit daran ist, dass an der Kathode (Sauerstoffverzehrkathode) gasförmiger Sauerstoff eingeleitet wird. Der verbindet sich mit dem Wasserstoff, der an der Kathode aus Protonen gebildet wird, zu Wasser. Das technische Prinzip gleicht einem Brennstoffzellenprozess. Durch die Einleitung von Sauerstoff funktioniert die Elektrolyse mit deutlich verringerter Spannung, wodurch rund 30Prozent Energie eingespart werden können.

In Deutschland werden jährlich über vier Mio. Tonnen Chlor über die Chloralkalielektrolyse aus Kochsalz produziert. Davon entfallen mehr als eine Mio. Tonnen auf BMS, das in Deutschland vier World-Scale-Anlagen betreibt. Für das dem Stand der Technik entsprechende Membranverfahren werden pro 1000t Chlor knapp 2500MWh elektrische Energie benötigt. Das entspricht etwa dem Strombedarf einer deutschen Stadt mit 130000 Einwohnern. Für vier Mio. Tonnen werden also zehn Mio. MWh elektrische Energie benötigt. Für die Erzeugung dieser Energiemenge aus fossilen Brennstoffen stoßen Kraftwerke etwa zehn Mio. Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre aus. Wenn die gesamte Chlorproduktion in Deutschland auf die SVK-Technologie umgestellt würde, könnten rund 2,5Mio. MWh Energie und 2,5 Mio. Tonnen Kohlendioxid eingespart werden. Dabei ist berücksichtigt, dass auch für die Gewinnung des Sauerstoffgases Energie nötig ist und kein Wasserstoff mehr produziert wird, der sonst weiter genutzt werden könnte.
Für eine wirtschaftliche Produktion von Chlor aus Kochsalz muss das SVK-Verfahren jedoch noch weiter verbessert werden. Eine gute Voraussetzung dafür ist, dass die Entwicklungsarbeit an der Technologie in das klimazwei-Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) eingebunden ist.

Chlorrecycling aus Salzsäure

Im Gegensatz zum Ausgangsstoff Kochsalz hat sich das SVK-Verfahren auf der Basis von Salzsäure (Salzsäureelektrolyse) dagegen bereits im industriellen Maßstab bewährt. Seit 2003 nutzt BMS in Brunsbüttel die SVK-Technologie für das Chlorrecycling bei der Isocyanatherstellung. Dabei wird das Chlor als Salzsäure ausgeschleust und kann durch die Salzsäureelektrolyse zurückgewonnen werden. Die Jahreskapazität dieser Anlage beträgt 20000t Chlor. Partner bei der Entwicklung der SVK-Technologie für die Salzsäureelektrolyse waren UhdeNora, DeNora, DeNora Nordamerika und Bayer Technology Services. Am integrierten Produktionsstandort von BMS in Caojing/China, dem Shanghai Chemical Industry Park, soll die SVK-Technologie ab 2008 erstmals im Weltmaßstab eingesetzt werden. Es ist eine Jahreskapazität von 215000t Chlor vorgesehen. Sie wird dem Chlorrecycling der neuen Diphenylmethan-Diisocyanat-(MDI)-Anlage dienen, die ebenfalls 2008 in Betrieb gehen soll.

Ein weiteres Verfahren, mit dem viel Energie eingespart werden kann, ist die Gasphasenphosgenierung für die Herstellung von Toluylen-Diisocyanat (TDI). Bei dieser neuen Technologie läuft der letzte Reaktionsschritt in der Gasphase ab, statt wie bisher in der flüssigen Phase, bei der die Ausgangsstoffe Phosgen und Toluylen-Diamin (TDA) in stark verdünnter Lösung vorliegen. Bei der Gasphasenphosgenierung werden TDA und Phosgen zunächst auf über 300°C erhitzt und gelangen dann über eine speziell konstruierte Düse in gasförmigem Zustand zur Reaktion. Anschließend wird zu flüssigem TDI kondensiert. Schließlich wird das TDI destilliert, wobei das Lösungsmittel und überschüssiges Phosgen zurückgewonnen werden. Durch diese Prozedur lassen sich rund 80Prozent Lösemittel einsparen und in der Folge auch 40 bis 60Prozent Energie hauptsächlich bei der anschließenden Destillation. Seit Mitte 2004 ist in Dormagen eine Pilotanlage mit einer Jahreskapazität von 30000t TDI in Betrieb. Auf Grund der bisherigen positiven Erfahrungen will das Unternehmen in Zukunft alle neuen TDI-Produktionsanlagen mit dieser Technologie ausstatten. In Caojing soll die Gasphasenphosgenierung zum ersten Mal im Weltmaßstab eingesetzt werden. Die geplante Anlage mit einer Jahreskapazität von 300000t wird voraussichtlich 2010 in Betrieb gehen.

Weniger Lösemittel bedeutetweniger Energiebedarf

Ähnlich wie beim TDI kann bei der Produktion von MDI durch eine hocheffiziente Phosgenierung viel Energie eingespart werden, da weniger Lösemittel abgetrennt werden. Während bei bestehenden MDI-Anlagen im Vergleich zum Stand von 1995 derzeit rund 20Prozent Energiekosten eingespart werden können, sollen es bei einer neuen World-Scale-Anlage in Caojing sogar 40 Prozent sein. Diese MDI-Anlage mit einer Kapazität von 350000t/a soll den Betrieb 2008 aufnehmen.

Last but not least sorgt die Impact-Technologie bei der Herstellung von Polyetherpolyolen (PET) für einen deutlich geringeren Energieaufwand. Das bisher angewandte mehrstufige Semibatch-Verfahren wurde in einen kontinuierlichen Prozess umgewandelt. Der eingesetzte Katalysator aus einem Doppelmetallcyanid ist rund 1000 Mal aktiver als bei der normalen Kaliumhydroxid-Technologie. Durch diese Maßnahmen konnten die variablenProduktkosten um 40 Prozent gesenkt werden.[Sim]

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