März 2010

und Manger
  • Einer aktuellen Studie zufolge wird geschätzt, dass sich durch konsequentes Baustellenmanagement 3 % der Kosten einer Großanlage sparen lassen.
  • Optimiertes Engineering kann die reinen Baustellenkosten um 10 % senken.
  • Ein weiteres Potenzial für die Projektdauer liegt in der verbesserten Steuerung der Fertigung und Beschaffung.
  • Außerdem müssen die Montagevoraussetzungen hinsichtlich Termintreue und Qualität im Vorfeld und Umfeld der Baustelle besser erreicht werden.

Der Großanlagenbau erlebte in den Jahren 2005 bis 2008 einen weltweiten Boom. So erfreulich dieser Aufschwung grundsätzlich war, er barg auch eine Reihe von Herausforderungen. Vor allem sorgten knappe personelle Ressourcen sowie gestiegene Materialpreise für Überlast und Kostendruck in den Unternehmen. Dies führte zu vielfältigen Planabweichungen bei Qualität, Terminen und Kosten. Hiervon besonders betroffen waren internationale Großbaustellen. Auch wenn sich die Auftragslage – und damit verbunden der Kapazitätsdruck – mittlerweile deutlich abgeschwächt haben, muss an der Kosten- und Termineffizienz großer Bauvorhaben weiter gearbeitet werden. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, in denen der Preiswettbewerb zunimmt, ist das Realisieren von Einsparpotenzialen ein Schlüssel für den weiteren unternehmerischen Erfolg.

Im Rahmen der Studienerstellung wurden 180 Vorstände, Geschäftsführer und Manager des deutschen und europäischen Großanlagenbaus sowie seiner Investoren befragt. Die Rücklaufquote betrug 50%. Bereits hier wird deutlich, wie sehr das Thema die Branche beschäftigt. Die Umfrage zeigt hohe Einsparpotenziale bei Kosten und Durchlaufzeit auf. Zudem wurden zahlreiche Ansatzpunkte zur Realisierung dieser Potenziale in den Bereichen Kosten- und Termineffizienz, Abweichungs- und Claimsmanagement, Personalmanagement und Geschäftsmodell genannt.

Hohe Einsparpotenziale im Kosten- und Terminmanagement

Bezogen auf die Gesamtkosten eines Projektes im Großanlagenbau, die sich oft im dreistelligen Millionenbereich bewegen, gehen rund zwei Drittel aller Befragten davon aus, dass sich durch konsequentes Baustellenmanagement ein Einsparpotenzial von mindestens 3% der Kosten heben lässt.

Besonders hoch scheinen die Einsparmöglichkeiten übrigens bei Projekten im Chemieanlagenbau zu sein. Hier erwarten rund 90% der Befragten Einsparungen an den Projektgesamtkosten von mindestens 3%. Einsparmöglichkeiten von mindestens 5% halten 60% der Studienteilnehmer für realistisch. Ein Grund sind die in den vergangenen Jahren stärker als im Branchendurchschnitt gestiegen Projektgrößen im Chemieanlagenbau. Die hohe Komplexität von Megaprojekten wirkt sich dabei vor allem auf das Management der Baustellen erschwerend aus.
Erfahrungsgemäß betragen die reinen Baustellenkosten rund 20 % bis 30 % der Gesamtkosten eines Großanlagenbau-Projektes. Vor diesem Hintergrund sind die geschätzten Potenziale besonders signifikant. Bezieht man diese nicht auf die gesamten, sondern nur auf die reinen Baustellenkosten, so errechnen sich daraus erwartete Einsparungen von 10% bis über 25%. Damit sind über Verbesserungen im Baustellenmanagement Einsparungen von mehreren Millionen Euro bei Großprojekten zu realisieren. Als Hauptprobleme und wesentliche Kostentreiber für die Baustelle nennen die Befragten folgende Aspekte:

  • Mangel an qualifiziertem Personal,
  • unzureichender Umgang mit Abweichungen bzw. Veränderungen während der Bau- und Montagezeit, unzureichendes Claimsmanagement,
  • Defizite in der Materiallogistik,
  • Verspätete und/oder fehlerhafte Zulieferungen, verbunden mit einer unzureichenden Steuerung von Fertigung und Beschaffung,
  • verspätetes und/oder fehlerhaftes Engineering.

 

Angesichts dieser Einschätzungen liegt es nahe, dass die Umfrageteilnehmer nicht nur auf der Baustelle selbst, sondern bereits in deren Vorfeld beträchtliche Einsparpotenziale sehen. So kann ein optimiertes Engineering die reinen Baustellenkosten um mindestens 10% verringern – so die Einschätzung von rund drei Viertel der Befragten. Ebenso viele sehen in der verbesserten Steuerung der Fertigung und Beschaffung einen Hebel, um die im Großanlagenbau üblichen Montagezeiten von acht bis zwölf Monaten um mindestens 10 % zu reduzieren. Im Projektablauf sind somit Verkürzungen von mehreren Wochen oder sogar Monaten möglich.

Baustellen besser organisieren

Ansatzpunkte für Verbesserungen der Kosten- und Termineffizienz auf Großbaustellen sehen die Befragten auf zwei Ebenen: Zum einen müssen die Montagevoraussetzungen hinsichtlich Termintreue und Qualität im Vorfeld und Umfeld der Baustelle besser erreicht werden. Zum anderen bedarf es einer optimierten Organisation der Baustelle selbst, um eine effiziente Steuerung und Überwachung des Montageablaufs sicherzustellen. 66% der befragten Anlagenbauer und 41 % der befragten Investoren sehen erheblichen Handlungsbedarf, um die Montagevoraussetzungen besser zu erfüllen. Somit ist es die Gruppe der Anlagenbauer, die unmittelbar und am stärksten unter diesen Defiziten leidet. Die Investoren hingegen spüren den „Schmerz“ quasi zeitverzögert, nämlich dann, wenn es infolge dieser Abweichungen darum geht, einen Interessenausgleich zwischen Lieferant und Kunde zu erreichen. Einig sind sich Anlagenbauer und Investoren über die Hauptansatzpunkte, mit denen die Montagevoraussetzungen besser erfüllt werden sollen. Hier wurden insbesondere genannt:

  • rechtzeitige und vollständige Bereitstellung von Dokumenten und Zeichnungen,
  • rechtzeitige Fertigstellung der Fundamente,
  • rechtzeitige Bereitstellung ausreichend qualifizierten Personals,
  • rechtzeitige Vergabe von Bau- und Montageleistungen und Beauftragung von Subkontraktoren,,
  • pünktliche, vollständige und mängelfreie Lieferung von Maschinen und Komponenten,
  • rechtzeitige Absicherung der Liefertermine durch konsequentes Steuern der internen und externen Lieferanten.

 

Um diese Ziele zu erreichen, muss das Projekt auf der Basis eines Gesamtterminplans durchgängig geplant und gesteuert werden. Der Gesamtterminplan folgt aus einer Rückwärtsterminierung – ausgehend vom Übergabedatum an den Kunden.
Die dargestellten Ansatzpunkte zur Verbesserung des Montageablaufs stellen hohe Ansprüche an die Organisation einer Großbaustelle. Als wichtigste Instrumente hierfür nennen die Befragten moderne und durchgängige Logistiksysteme, Qualitätssicherungsmaßnahmen auf der Baustelle sowie effiziente Wareneingangskontrollen. Notwendig ist eine sofortige Identifizierung, Prüfung und Registrierung des Materials. Diese Anforderungen werden nach Einschätzung der Befragten in der Praxis nicht durchgängig erfüllt. Gefragt sind daher erfahrene Controller, Inspektoren und Expediter sowie moderne Systeme zur Unterstützung des Montageablaufs.

Neue Personalentwicklung gefordert

Erfolgreiches Baustellenmanagement steht und fällt mit einer ausreichenden personellen Ausstattung. Letztlich besteht die Herausforderung darin, eine genügende Zahl von Mitarbeitern mit einer jeweils aufgabenspezifischen Qualifikation zum richtigen Zeitpunkt vor Ort zu haben. Dies gelingt nicht immer, wie die Befragung zeigt. Vor diesem Hintergrund ist die Sicherung von Schlüsselpersonal eine der zentralen Herausforderungen für den Großanlagenbau. 50% der Befragten geben an, dass Schlüsselpositionen auf der Baustelle nicht rechtzeitig bzw. in der gewünschten Qualität besetzt werden können. Der größte Mangel herrscht demnach bei Bau- und Montageleitern. Aber auch der Bedarf an Montagepersonal, Inspektoren und Controllern kann nicht immer vollständig gedeckt werden. Folgende Gründe sind hierfür wesentlich:

  • Die sinkende Bereitschaft der Beschäftigten zu längeren Auslandsaufenthalten infolge mangelnder Flexibilität und/oder zu geringen finanziellen Anreizen und
  • eine unzureichende Personalentwicklung und Nachwuchsförderung.

 

Auf einer Großbaustelle sind es die Bauleiter mit ihrem Führungsteam, die in der zentralen Verantwortung für den geregelten und pünktlichen Fortgang der Arbeiten stehen. Die Umfrage zeigt: Mehr als die Hälfte der Bauleiter erfüllt das von den befragten Geschäftsführern und Vorständen definierte Anforderungsprofil nur befriedigend oder sogar schlechter. Defizite werden insbesondere im Hinblick auf eine strukturierte Arbeitsweise gesehen sowie bei der Vertragskompetenz. Überwiegend positiv bewertet werden hingegen der ausgeprägte Pragmatismus sowie die Loyalität zum eigenen Unternehmen. Diese Stärken werden auch dem übrigen Führungsteam (Supervisoren, Montageleiter, Inspektoren und Controller) zugeschrieben. Ansonsten – so die Einschätzung der Befragten – erfüllen aber über 50% dieser Schlüsselmitarbeiter ihre jeweiligen Anforderungsprofile nur befriedigend oder sogar schlechter.
Trotz der zum Teil prekären Personalsituation ist die langfristige Entwicklung von Baustellenpersonal durch strategische Personalarbeit nur bei 44 % der Befragten ein wichtiges Thema. Weitere Maßnahmen der Personalgewinnung sind u.a. das Erschließen ausländischer Personalmärkte, verbesserte Entsendebedingungen und das Anpassen der Gehaltsstrukturen sowie die die Überführung freier Mitarbeiter in Festangestellte. Festzuhalten bleibt: Die hohe Bedeutung von erfahrenen Bauleitern und Schlüsselpersonal für den Projekterfolg im Großanlagenbau spiegelt sich nicht angemessen in den Prioritäten der Personalpolitik wider.

Claimsmanagement: großes Potenzial

Besonderes Potenzial sehen die Teilnehmer in einer Verbesserung des Abweichungs- und Claimsmanagements auf der Baustelle. Die wichtigsten Ansatzpunkte hierfür liegen in der Regel nicht im Bereich der höheren Methoden des „Best-Excellence-Projektmanagements“, sondern vielmehr in den „Niederungen“ des Baustellen-Projektgeschehens. Dabei lassen sich insbesondere folgende Potenzialfelder identifizieren:

  • Projektplanung und Vertrag
  • Erfassen und Verfolgen von Abweichungen
  • Sensibilisierung und Qualifizierung des Montagepersonals

 

Fazit: Die Studie zeigt erhebliche Potenziale zur Effizienzsteigerung. Welche konkreten Maßnahmen zu treffen sind, muss jedes Unternehmen für sich definieren. Patentrezepte für ein effizientes Bau- und Montagemanagement von Großprojekten gibt es nicht – dies spiegeln die Einschätzungen der befragten Investoren und Anlagenbauer ganz deutlich wider. Es bedarf vielmehr individueller, zum eigenen Geschäftsmodell passender Strategien, die den Besonderheiten jedes einzelnen Projekts Rechnung tragen müssen.

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