Februar 2014
  • Anlagenabstellungen sind in der Prozessindustrie zwar die Regel. Dennoch ist jeder Stillstand ein einzigartiges Projekt, mit hohem Aufwand an Personal und Planung.
  • Ein Anlagenstillstand ist für Betreiber wie Dienstleister ein Rennen gegen die Zeit - jeder Tag Stillstand kostet je nach Größenordnung Millionen von Euro.
  • Bei der Wahl seiner Revisions-Dienstleister muss der Betreiber deshalb auf Nummer sicher gehen: Keine Experimente heißt hier der Wahlspruch.

Rund 70 externe Dienstleister mit mehr als 3.000 Monteuren waren aktiv. Auch darunter: Mitarbeiter von Bardenhagen Maschinenbau Oder (BMO), einem Unternehmen mit Schwerpunkt Instandhaltungs- und Reparaturservice: Mit 81 Stamm- und Zeit-Mitarbeitern war es die Aufgabe des Dienstleisters, die vorhandenen Armaturen einer Revision zu unterziehen. Industrielle Großanlagen, wie sie in der chemischen und petrochemischen Industrie vorkommen, müssen vom Betreiber in regelmäßigen Abständen für eine TÜV-Überprüfung außer Betrieb genommen werden – bei einer Raffinerie schreibt der Gesetzgeber dies im Abstand von fünf Jahren zum Schutz der Mitarbeiter und Umwelt vor. Bei einem solchen Shutdown (auch Turnaround genannt) sind Heerscharen von Monteuren damit beschäftigt, Dämmungen zu lösen, Armaturen, Pumpen und Rohrleitungen zu demontieren, diese zu reinigen, gründlich zu inspizieren und bei Bedarf zu reparieren beziehungsweise Teile wie Dichtungen zu ersetzen. Derart geplante Anlagenabstellungen sind in der Prozessindustrie zwar Standard – doch ist jeder Stillstand immer wieder ein quasi singuläres  Ereignis mit einem enormen Aufwand an Planung und Personal. Denn jeder Tag ohne Produktion kostet den Eigner enorme Summen. Um den Produktionsausfall möglichst gering zu halten, sind Praxiserfahrung und spezielles Know-how gefragt. Kaum ein Unternehmen kann bei solchen Projekten auf Unterstützung durch externe Spezialisten verzichten.

Flexibilität und Effizienz erhöht
Im Rahmen des Verbundstillstands standen in 19 Anlagen neben dem turnusmäßigen Überprüfen von Apparaten, Behältern und Armaturen auch das Realisieren von mehreren Optimierungs- beziehungsweise Ertüchtigungsprojekten auf dem Programm. Die Gesellschafter der PCK (Shell Deutschland Oil, Ruhr Oel sowie AET-Raffineriebeteiligungsgesellschaft) hatten für Revision, Instandhaltung und Anlageninspektion 50 Mio. und für Projekte 110 Mio. Euro bereitgestellt.
Zu den Ertüchtigungsprojekten zählten insbesondere Punkte wie eine verbesserte Leistung und Ausbeute: Unter anderem wurde ein FCC-Reaktor installiert, der die Energieeffizienz als auch die Flexibilität der FCC-Anlage verbesserte. So ist es dem Betreiber möglich, kurzfristig auf veränderte Marktbedingungen zu reagieren und gegebenenfalls mehr Flüssiggasanteile – sprich Propylen – zu Ungunsten von Benzinqualitäten zu produzieren. Die Cracker-Anlage spaltet die Rückstände aus der Destillation noch einmal in Flüssiggas, Benzin, Fraktionen für Dieselkraftstoff und leichtes Heizöl auf. Auch der Bau eines Aromizer-Ofens, in dem hochwertige Komponenten für Ottokraftstoffe entstehen, ermöglicht eine weitere Verbesserung des Wirkungsgrades und der Energieeffizienz. Nicht zuletzt optimiert der Ersatz von zwei Rohöl-Destillationskolonnen und einer Vakuum-Destillationskolonne die Produktausbeute in Richtung Dieselkraftstoff-Komponenten und verbessert die Anlagenauslastung.

1.200 revidierte Armaturen
In Revision gingen 19 von 36 Verarbeitungsanlagen; damit standen zwei Drittel der Rohölverarbeitungskapazität in der Raffinerie nicht zur Verfügung. Für den Raffinerie-Betreiber hieß dies: Etwa 750.000 t Rohöl konnten während des Stillstands nicht verarbeitet werden. Dem Gewerk „Armaturen-Revision“ kommt bei solchen Stillständen eine zentrale Rolle zu, übernehmen doch Ventile, Klappen, Schieber und Hähne in der Prozesstechnik Schlüsselfunktionen wie das Absperren, Regeln und Ableiten von Stoffströmen. Industriearmaturen sind sozusagen die Schaltstellen in einer verfahrenstechnischen Anlage. Als zentrale Komponenten der Anlagen-Automatisierung tragen sie zudem vielfach auch entscheidend zur Energieeffizienz bei.
Für den Dienstleister war es der erste Großeinsatz in der Raffinerie, auf deren Gelände das Unternehmen in gemieteten Gebäuden untergebracht ist. Diese Präsenz vor Ort war entscheidend, um während des Turnarounds rund 1.200 Armaturen, Regel- und Sicherheitsventile termingerecht und mit den gestellten Anforderungen an die Arbeitssicherheit instandsetzen zu können.

Getestete Einsatzfähigkeit
Reinigen, zerlegen, reparieren, prüfen: Während des vierwöchigen Stillstands herrschte in der Werkstatt des Instandhalters Hochbetrieb. Rund um die Uhr bewältigten Armaturenschlosser und Dreher, Anlagenmonteure und Mechatroniker die Wartungs- und Reparaturarbeiten. Hinzu kamen Aufgaben für die mobilen mechanischen Bearbeitungsmaschinen in den Anlagen der PCK, vor allem in der HFA-Anlage (Fluorwasserstoffsäure). Hier waren Flexibilität und Präzision gefragt. Besonders dann, wenn Teile beim Einbau kurzfristig anzupassen waren. Dann hieß es: Dichtflächen überdrehen, Oberflächen fräsen, Rohre trennen und anpassen. Reparaturschweißungen sind ein wichtiger Arbeitsschritt im Rahmen der Armaturenreparatur. Dieses Verfahren führt der Dienstleister nach TRB 200/AD-Merkblatt HP 2/1 sowie EN 288-3 durch und stellt im Anschluss die volle Funktionstüchtigkeit der instandgesetzten Armaturen wieder her. Im Rahmen der Reparatur lassen sich im Bedarfsfall Kegel, Kegelsitze und Spindeln speziell für den vorhandenen Armaturentyp anfertigen. Der letzte Arbeitsschritt sind dann Druckprüfungen und Einstellungen von Armaturen, Regelventilen und Sicherheitsventilen nach DIN EN 12266-1/2 auf hierfür zertifizierten und geeichten Prüfständen. Damit können Anwender die Einsatzfähigkeit reparierter Armaturen kurzfristig prüfen, inklusive der TÜV-Abnahme bei den Sicherheitsventilen.

Zum Thema
Entwicklungsmarkt Instandhaltung

Die Marktaussichten für Dienstleister im Bereich Instandhaltung sind gut, so eine Lünendonk-Studie von 2013: Auf 25,2 Mrd. Euro schätzen die Studienteilnehmer das Volumen des Industrieservice-Marktes – nach 16,6 Mrd. Euro im Vorjahr ein deutlicher Anstieg. Die befragten Unternehmen gehen davon aus, dass sich das Marktvolumen auch in Zukunft steigert. Als Grund nennen sie die in der Industrie wachsende Bereitschaft, nicht zum Kerngeschäft gehörende Prozesse an Dienstleister auszulagern und damit Kosten einzusparen. Integrierte Dienstleistungen sind weiter ein Branchentrend. Hierauf reagieren die Unternehmen mit Zukäufen und der Vergabe von Teilaufträgen an Subunternehmer. Größtes Hindernis für weiteres Wachstum ist vor allem der Mangel an geeigneten Fachkräften.

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