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1: Raman-Sonde an einem Reaktor. (Bild: Endress+Hauser)

  • Die Namur-Roadmaps zur Prozess-Sensorik werden umgesetzt.
  • Endress+Hauser hat die stoffliche Analyse im Prozess als Aufgabe angenommen
  • Als Teil der Unternehmensstrategie wurde die Roadmap bereits in ein umfangreiches Portfolio umgesetzt.

Mit der Namur-Roadmap „Prozess-Sensoren“, erstmalig veröffentlicht im Jahre 2004 [1], wurde durch Zusammenbringen von Technologie- und Marktsicht unter Einbezug sowohl von Anwendern als auch Herstellern ein künftiger Handlungsbedarf und das Potenzial im Bereich der Prozess-Sensorik in der verfahrenstechnischen Industrie aufgezeigt. Die Erstellung dieser Roadmap war ein gemeinsames Projekt führender Hersteller und Anwender von Prozesssensoren. Endress+Hauser war Mitglied und darüber hinaus auch einer der Initiatoren. Eine Technologie-Roadmap ist ja nicht nur eine bloße Vorausschau von Technologien, die da kommen mögen, sondern in gewissem Maße auch eine Vorgabe für die Industrie, dieser zu folgen und so Fortschritt zu erzeugen. Endress+Hauser hat diese Aufgabe angenommen und sie in die eigene Unternehmensstrategie einfließen lassen, welche umgesetzt ist und weiter umgesetzt wird.

Namur-Roadmaps: von der Vision über die Anforderungen zur Digitalisierung

Die Roadmap „Prozess-Sensoren 2015+“ aus dem Jahre 2009 [2] ist eine Erweiterung und Detaillierung der ersten Roadmap und damit die zweite der insgesamt drei Versionen [2]. Diese Erweiterung und Detaillierung basierte im Wesentlichen auf den Ergebnissen einer Befragung von mehr als 100 Betrieben der verfahrenstechnischen Industrie in Deutschland. Dadurch bekam diese Roadmap mehr den Charakter einer Anforderungs-Roadmap als einer reinen Technologie-Roadmap. Die dritte Roadmap dieser Reihe, die sogenannte Roadmap „Prozess-Sensoren 4.0“ [3] aus dem Jahre 2015, befasst sich ausschließlich mit der Digitalisierung in der verfahrenstechnischen Industrie – wenngleich mit einem starken Bezug zu Prozess-Sensoren. Es ist zu erwähnen, dass in dieser Roadmap bereits die Konzepte für das spätere Namur Open Architecture (NOA) gelegt wurden.

Mit ihrem starken Anwendungsbezug verschaffte die Technologie-Roadmap „Prozess-Sensoren 2015+“ den Herstellern von Prozess-Sensoren einen Überblick über die heutigen und zukünftigen Anwenderanforderungen. Dieses Wissen ist in die entsprechenden Produktstrategien eingeflossen, welche dann den Rahmen für eine nunmehr zielgerichtete Forschung und Produktentwicklung bildete.

Am Anfang der Roadmap steht eine Vision für Prozess-Sensoren. Diese gibt die Entwicklungsrichtung für Prozess-Sensoren in der verfahrenstechnischen Industrie vor. Von den sieben Punkten der Vision sei hier die aus unserer Sicht sehr bedeutsame genannt: „Idealerweise funktionieren die Sensorsysteme ohne Instandhaltung.“ Konkreter sind dann schon die allgemeinen Anforderungen an Prozess-Sensoren, die den genannten Punkt der Vision detaillieren zu: „Minimaler Instandhaltungsbedarf“ und „minimaler Aufwand für Kalibrierung und Justierung“. Weitere mehr in die Tiefe gehende Anforderungen sind dann über insgesamt 13 Thesen formuliert. Ein weiteres Ergebnis stellen dann die eigentlichen Technologie-Roadmaps dar, in welchen die zeitliche Entwicklung verschiedener Technologien, ihre potenzielle Anwendungshäufigkeit und der jeweilige Nutzen dargestellt werden. Bild 2 zeigt als Beispiel diese Roadmap für die Verfahren der Spektroskopie. Sehr konkret und detailliert werden dann in den 30 sogenannten Anforderungsblättern für verschiedene Verfahrensschritte in verschiedenen Subprozessen Messaufgaben für Prozess-Sensoren spezifiziert.

Umsetzung der Namur-Roadmap: Fokus auf minimalen Instandhaltungsbedarf

Umsetzung der Namur Roadmap Prozesssensoren 2015 bearbeitet 12.3.2020.docx

2: Roadmap technologischer Verfahren der Spektroskopie: Die Ordinate zeigt den erwarteten Nutzen, die Größe der Objekte die relative potenzielle Anwendungshäufigkeit (aus [2]).

Für einen Hersteller von Prozess-Sensoren für die Prozessautomatisierung stellt sich nun die Frage, was von dieser Vielzahl an Anforderungen sinnvoll und natürlich auch wirtschaftlich umzusetzen ist. Alles anzugehen, ist unmöglich. Wir haben uns auf das konzentriert, was in unseren Absatzmärkten die größte Wirksamkeit verspricht und damit einen Geschäftsbeitrag leisten kann. Darüber hinaus wollten und mussten wir natürlich Synergien in Technik und Prozessen nutzen. Dies führte letztlich zu einer Beschränkung auf die Anforderungen eines minimalen Instandhaltungsbedarfs und eines minimalen Aufwands für Kalibrierung und Justierung sowie auf Sensoren für die Erfassung von stofflichen Eigenschaften direkt im Prozess. Für diese in der These III und XIII behandelten Anforderungen steht auch eine Vielzahl von bereits erprobten Technologien zur Verfügung. Diese neuen Prozess-Sensoren bilden eine Erweiterung unseres bestehenden Portfolios an Prozess-Sensoren mit dem Schwerpunkt Erfassung von Stoffströmen (Durchfluss-, Füllstandmessung …) um Prozess-Sensoren zur Erfassung von stofflichen Eigenschaften. Dieses Vorgehen ist folgerichtig ein Teil unserer Unternehmensstrategie 2020+ geworden.

Um den Anforderungen an minimalen Instandhaltungsbedarf und minimalen Aufwand für Kalibrierung und Justierung zu genügen, haben wir eine Vielzahl von Verfahren und Techniken entwickelt. Diese mit dem Oberbegriff Heartbeat Technology benannte Funktionalität ermöglicht eine umfassende Diagnose, eine Verifikation metrologie-relevanter Eigenschaften sowie die vorausschauende Wartung für unsere Sensoren. Damit kann der Aufwand für Überprüfung und Kalibrierung drastisch gesenkt werden. Mit den Temperatursensor Trustsens mit interner Selbst-Kalibration kann sogar auf externe Kalibrierung völlig verzichtet werden.

NIR-Spektroskopie, TDL und Raman

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3: Teqwave: Messung bestimmter stofflicher Konzentrationen nach dem Prinzip von akustischen Oberflächenwellen.

Eine der gängigsten Technologien für die stoffliche Analyse im Prozess, insbesondere in der chemischen Verfahrenstechnik, ist die Nahinfrarot-Spektroskopie, eine Molekülspektroskopie. Sie ist als optisches Verfahren im Besonderen für eine Analyse im Prozess geeignet. Über die Akquisition des Unternehmens Spectra Sensors wurde der Zugang zu dieser Technologie geschaffen. Als ein Spin-Off der NASA entstanden, ist das Unternehmen ein Pionier der TDL-Technologie. TDL (Tunable Diode Laser) ist ein recht neues optisches Verfahren zur einfachen und sehr robusten Messung einzelner Substanzen. Mit Prozess-Sensoren für die Analyten H2S, C2H2, NH3, CO2, O2 und Gasfeuchte haben wir ein relevantes Portfolio für die Petrochemie und Erdgasindustrie geschaffen, welches zukünftig weiter ausgebaut werden wird.

Ein weiteres, ebenfalls optisches Verfahren für die stoffliche Analyse im Prozess ist die Raman-Spektroskopie. Sie hat je nach Anwendung Vorteile, aber auch Nachteile gegenüber der Nahinfrarot-Spektroskopie. Insgesamt werden beide Verfahren als komplementär angesehen; sie decken einen großen Anwendungsbereich ab. Wegen seiner hohen Spezifität gewinnt das im Vergleich eher neuere Verfahren der Raman-Spektroskopie in der chemischen und pharmazeutischen Verfahrenstechnik zunehmend an Bedeutung. Der Zugang zu dieser Technologie wurde ebenfalls über eine Akquisition geschaffen. Das akquirierte Unternehmen Kaiser Optical Systems gilt als ein Pionier auf dem Gebiet der extrem robusten und kalibrationsstabilen Prozess-Raman-Spektrometer.

Weitere, nicht so universelle, mehr auf bestimmte Markt- und Anwendungssegmente gerichtete Prozess-Sensoren wurden dem Portfolio hinzugefügt. Dazu zählt das recht neue Produkt Teqwave, welches mit akustischen Oberflächenwellen arbeitet. Damit können die Konzentrationen bestimmter Substanzen in Medien in Rohren oder Behältern gemessen werden. Ebenso Memosens Wave, eine neue Plattform für Inline-Spektrometer dediziert für flüssige Medien. Diese nutzt aktuell den optischen Wellenlängenbereich für UV-VIS, wird aber in Richtung größere Wellenlängen ausgebaut werden.

Klassische Messverfahren haben Potenzial zur stofflichen Analyse

Neben den neuen Verfahren bieten aber auch unsere klassischen Technologien für die Durchfluss- und Füllstandmessung technische Ansätze für Sensoren zur stofflichen Analyse. So wurde die Coriolis-Technik der Durchflussmessung mit dem Produkt Promass Q zu einem hochpräzisen Dichtemessgerät entwickelt. Ebenso die vibronische Füllstandmesstechnik mit dem Produkt Liquiphant Dichte. Über eine Dichtemessung können in einfachen Systemen Substanzanteile ermittelt werden. Unbedingt erwähnt werden muss dazu das Durchfluss-Messgerät Proline Prosonic Flow B 200. Dieser Prozess-Sensor für Biogas kann integriert den Durchfluss und die Methankonzentration messen. Dabei wird der Durchfluss über die Laufzeit von Ultraschallsignalen, die Methankonzentration über deren Schallgeschwindigkeit ermittelt.

Um unsere Märkte mit diesem erweiterten Portfolio optimal betreuen zu können, wurde unsere Vertriebs- und Supportorganisation entsprechend angepasst und ausgebaut. Zudem haben wir auf dem Campus der Universität Freiburg eine Forschungsabteilung, das Sensor Automation Lab, aufgebaut. Hier werden neue Sensortechnologien für die stoffliche Analyse im Prozess entwickelt.

[1] Abele, Thomas & Drathen, Hasso & Westerkamp, Dieter. (2004). Technologie-Roadmap Prozess-Sensoren.
[2] https://www.namur.net/de/arbeitsfelder-und-projektgruppen/af-3-feldgeraete/ak-36-analysenmesstechnik/roadmap-sensorik-2009.html
[3] Maiwald, Michael. (2016). Die Technologie-Roadmap „Prozess-Sensoren 4.0“ – Chancen für neue Automatisierungskonzepte und neue Geschäftsmodelle. ATP Plus – Das Magazin der Automatisierungstechnik. 1. 12-21.

 

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