Juni 2012
  • Die getriebelose Bauweise der Kompressoren ermöglicht hohe Effizienz, kompakte Abmessungen und niedrige Lärmbelastung bei der Erzeugung von ölfreier Druckluft.
  • Die Drucklufterzeugung lässt sich präzise schwankenden Anforderungen anpassen.
  • Durch garantierte Verfügbarkeit des Verdichters und die Übernahme aller Wartungsarbeiten für einen Pauschalbetrag lassen sich Wartungskosten genau kalkulieren.
  • Durch die wärmetechnische Kopplung von Kompressor und Adsorptionstrockner lässt sich die für die Regeneration des Adsorptionsmittels benötigte Wärme ohne zusätzlichen Energieaufwand bereitstellen.
Achema 2012 Halle 8.0 - J41

Wenn die Farbe eines Autos – vor allem eines der Oberklasse – beim Betrachter einen „Wow“-Effekt erzeugt, dann sind häufig die Entwickler der Merck KGaA dafür verantwortlich. Denn die Performance-Materials-Sparte des Konzerns entwickelt und fertigt Pigmente für Effektlacke, die zum Beispiel einen besonderen Glimmer-Effekt aufweisen. Am Standort Gernsheim, wo neben den Effektpigmenten auch Flüssigkristalle hergestellt werden, verfolgen die Verantwortlichen für die Produktion die Strategie, innovative Produkte mit modernen Verfahren herzustellen. Auch bei der Energieerzeugung setzen die Veranwortlichen auf moderne Technik.

Hohe Anforderungen an Qualität und Verfügbarkeit

Eine Bahnlinie teilt das weitläufige Areal in Gernsheim in zwei Bereiche. Aus diesem Grund ist die Werksdruckluftversorgung auf zwei Stationen aufgeteilt, die in ein gemeinsames Netz einspeisen. Zuständig für die Versorgung der zahlreichen Einzelbetriebe an den Standorten Darmstadt und Gernsheim mit allen benötigten Energien und Medien ist die Abteilung Energieversorgung. Achim Zapp, zuständig für die Energieversorgung des Standortes Gernsheim, erläutert: „Wir sind Dienstleister für unsere internen Kunden. Auch bei Druckluft besteht die Herausforderung darin, die schwankenden Bedarfsmengen rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr, in der zugesicherten Qualität mit höchster Verfügbarkeit preiswert bereitzustellen.“

Genau genommen sind zwei Netze zu versorgen: Die Betriebe erhalten allgemeine Druckluft mit einem garantierten Drucktaupunkt von 2 °C und so genannte Regelluft für die Steuerung der vielen pneumatisch betätigten Regelorgane, die nochmals trockener ist und einen Drucktaupunkt von maximal -20 °C aufweist. Der Gesamtbedarf an Druckluft schwankt stark und lässt sich – da sehr viele Verbraucher angeschlossen sind – kaum im Voraus planen. Zumeist müssen zwischen 6.000 und 9.000 m3/h bereitgestellt werden.

Ölfreie Druckluft, ölfrei erzeugt

Für die Erzeugung solcher Mengen sind bislang – nicht nur bei diesem Großkonzern – Turbokompressoren die erste Wahl. Als Anfang 2010 in einer der beiden Stationen ein solcher Verdichter ersetzt werden sollte, nutzte der Verantwortliche für die Planung und den Betrieb der Druckluftversorgung, Wolfgang F. Petri, die Tatsache, dass der Verdichter nur noch als Redundanzmaschine zum Einsatz kam. Er hat sich schließlich für den Einsatz der Quantima-Technologie entschieden. Diese Kompressoren arbeiten mit einem innovativen Antriebskonzept: Ein drehzahlgeregelter High-Speed-Elektromotor treibt eine Rotorwelle an, die an beiden Seiten mit jeweils einem Impeller verbunden ist. Das einzige bewegliche Bauteil, die direkt angetriebene Rotorwelle, wird von adaptiven Magnetlagern berührungslos geführt – ohne Getriebe, Wälzlager, Öl und Verschleiß.

Die einfache, getriebelose Bauweise ermöglicht aber nicht nur hohe Effizienz, sondern auch kompakte Abmessungen. Auf gleicher Aufstellfläche leisten die Verdichter etwa doppelt so viel wie herkömmliche Schrauben- oder Turbokompressoren. Außerdem erübrigen sich die Aufwendungen für Schallschutzmaßnahmen, da der dB(A)-Wert bei 69 liegt. Auch dies war für den Betreiber ein wichtiges Kriterium, da sich die Lärmbelastung der Mitarbeiter damit deutlich reduzieren ließ.

Die angesaugte Luft wird in den Impellern in zwei Stufen auf den Betriebsdruck verdichtet und bei den Standardversionen der Verdichter über einen Nachkühler abgekühlt. Das Steuer- und Regelsystem sorgt dafür, dass die Anlage immer exakt die geforderte Druckluftmenge zur Verfügung stellt. Zudem benötigen die Verdichter im lastfreien Betrieb mit 2,5% einen Bruchteil der Energie, den ein Schrauben- oder Turbokompressor üblicher Bauart im Leerlauf benötigt. Durch die Drehzahlregelung der Kompressoren werden die Verluste an den Druckregelklappen vermieden. Ein angenehmer Nebeneffekt: Der geringe Anlaufstrom der Maschine. Dadurch reduzieren sich ohne weitere Investitionen die Netzrückwirkungen (insbesondere kurze Spannungsschwankungen im Netz beim Anlauf großer Maschinen) auf ein Minimum.

Garantierte Leistungsdaten und planbare Betriebskosten

Das Prinzip versprach Vorteile – zunächst auf dem Papier, dann anhand einer Präsentation durch den Maschinenhersteller in Gernsheim. „Aus unserer Sicht bot das neue Verdichtungsprinzip auch den Vorteil, dass die Anlagen eine hohe Schalthäufigkeit erlauben. Unsere Turboverdichter können wir maximal dreimal pro Stunde ein- und ausschalten. Wir sind damit also wenig flexibel und müssen hin- und wieder bei schwankendem Bedarf verlustbehaftet abblasen“, berichtet Wolfgang Petri. Ein weiterer kommerzieller Aspekt ist die garantierte Verfügbarkeit des Verdichters und die Übernahme aller Wartungsarbeiten für einen Pauschalbetrag. Somit lassen sich Wartungskosten genau kalkulieren.

Die Leistungsdaten des Kompressors über die geplante Lebensdauer von zehn Jahren wurden ebenfalls vertraglich fixiert. Vor der Auslieferung hatte der Hersteller den gekauften Verdichter einem ‚Factory Acceptance Test‘ auf seinem Werksprüfstand unterzogen und unter definierten Bedingungen Leistungsmessungen vorgenommen – mit dem Ergebnis, dass alle garantierten Werte eingehalten wurden. Anschließend wurden diese Tests noch durch einen ‚Site Acceptance Test‘ vor Ort verifiziert. Dabei wurde unter anderem die gelieferte Druckluftmenge und die Leistungsaufnahme des Kompressors gemessen. Die Werte werden nun jährlich gemessen und sind Bestandteil der Service-Vereinbarung.
Mit dem Verdichter vom Typ Q-52 (max. Liefermenge 3.100 m3/h bei 7 bar; 300 kW Antriebsleistung) lieferte der Hersteller einen ‚Heat of Compression‘ Adsorptionstrockner, der die Verdichterwärme für die Vollstrom-Heißgasregeneration nutzt. Diese wärmetechnische Kopplung von Kompressor und Trockner ist hoch effizient, da sich die für die Regeneration des Adsorptionsmittels benötigte Wärme ohne zusätzlichen Energieaufwand bereitstellen lässt. Um das größtmögliche Wärmepotenzial zu nutzen, wird in diesem Fall auf den Nachkühler verzichtet und die Druckluft über einen Heißgasabgang im Vollstrom abgeführt.

Geringere Abwärme ausreichend für Adsorptionstrockner

Rund neun Monate nach dem Einsatz des ersten Kompressors der Baureihe, als ein großer Turboverdichter in der zweiten Druckluftstation altersbedingt ersetzt werden sollte, entschied sich der Betreiber für die gleiche Technologie. In dieser Station schwankte der Bedarf stark in kurzen Intervallen. Deshalb hat der Betreiber den Turboverdichter, der 4.500 m3/h lieferte, durch zwei kleinere Anlagen der gleichen Serie mit einer Liefermenge von 2.500 und 3.100 m3/h ersetzt. So lassen sich die Anlagen immer bedarfsgerecht fahren.

Bei der Projektierung zeigte sich, dass die energieeffiziente Drucklufterzeugung unter Umständen einen unerwünschten Nebeneffekt hat. Die neuen Maschinen arbeiten so effizient, dass wenig Abwärme entsteht. Deshalb war es fraglich, ob die Austrittstemperatur hoch genug ist, um den vorhandenen Adsorptionstrockner mit genügend heißer Regenerationsluft zu versorgen. „Nach Aussage des Trocknerherstellers sollte die geringere Wärmemenge ausreichen. Wir haben das aber einen Monat lang getestet und dabei bewusst den ‚worst case‘ simuliert: dass nur die kleinere Anlage arbeitet und die große ausgeschaltet bleibt. Dieser Test hat gezeigt, dass Luftmenge und Temperatur für die Regeneration ausreichen. Wir sind also auf der sicheren Seite“, betont Petri. Da zwei der drei neuen Kompressoren erst vor wenigen Monaten installiert wurden, gibt es noch keine exakten Berechnungen zu den Energieeinsparungen. Eine Schätzung ist auf der Basis der vorhandenen Daten ergibt Einsparungen von rund 60.000 Euro an Energiekosten pro Jahr. Dabei sind aber noch nicht alle Möglichkeiten des Feintunings ausgeschöpft.

Als nächstes Projekt plant der Betreiber die steuerungstechnische Verknüpfung der Kompressoren. Dabei soll der zentralen Leitwarte immer die Möglichkeit der manuellen Beeinflussung erhalten bleiben.

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