November 2011
  • Plant Asset Management (PAM) ist keine Softwarelösung, sondern eine Managementaufgabe, die die aktive Mitarbeit des Betreibers erfordert.
  • Um die Einstiegshürde in PAM zu reduzieren, bietet der Automatisierungsspezialist
  • Yokogawa neben Softwarelösungen Dienstleistungen an.
  • Das Serviceangebot reicht von der Sammlung und Identifizierung relevanter Prozessinformationen über die Basis­analyse z. B. von Regelkreisen, Pumpen und anderen „nicht intelligenten" Apparaten bis hin zur integrierten Behandlung komplexer Betriebs- oder Prozessabläufe.

Leitsysteme und sicherheitsgerichtete Steuerungen sind unentbehrlich, um verfahrenstechnische Prozesse effizient und sicher zu führen. Doch ein Maximum an Produktivität und Effizienz ist damit noch nicht automatisch erreicht. Dafür ist mehr als nur klassische Instandhaltung notwendig, selbst wenn diese bereits moderne Aspekte wie zustandsbasierte (condition-based) oder vorausschauende Wartung (predictive maintenance) einbezieht. Dazu gehört das Wissen um bisweilen schwer durchschaubare, versteckte Abhängigkeiten, die gerade bei langjährig gewachsenen Anlagen häufig auftreten. Genau hier kann Plant Asset Management (PAM) – richtig ein- und umgesetzt – seine Stärken zeigen.

Dazu bedarf es zunächst einer detaillierten Bestandsaufnahme aller Systeme und Apparate, ihrer Betriebszustände und der damit verbundenen Prozesskonzepte sowie einer mehrdimensionalen Priorisierung. Oft sind solche Informationen – anders als einfache Diagnosedaten, etwa von intelligenten Feldgeräten – nicht auf Knopfdruck bzw. Mausklick verfügbar. Bisweilen führt nur eine ungerichtete statistische Analyse auf die richtige Spur. „Ein Ventil einer Gasaufbereitungsanlage vor einer Erdgaspipeline, das manchmal über Monate hinweg in immer gleicher Stellung verharren muss, ist nicht unbedingt das primäre Objekt für eine PAM-Datenanalyse“, sagt Michael Büßelmann, Manager Vigilant-Plant Services Europe & Africa von Yokogawa Europe B.V. „Wenn man allerdings genauer hinsieht und die Aktivitätsdaten des ventilinternen PID-Reglers einbezieht, dann stellt man fest, dass dieser Regler nahezu ständig aktiv ist. Er nimmt geringfügige Veränderungen der Ventilstellung vor, ohne dass das Leitsystem dies überhaupt erfassen würde.“ Jeden Monat addieren sich diese minimalen und unnötigen Korrekturen zu einer Wegstrecke, die einen erheblichen zusätzlichen Ventilverschleiß zur Folge hat. Das Resultat: Aufgrund der ständigen Aktivität des internen Stellungsreglers ist zu erwarten, dass sich die Lebensdauer des Ventils von normalerweise rund zehn Jahren auf etwa ein Jahr drastisch verkürzt. „Diese Erkenntnis und die kritische Bedeutung der Aufbereitungsanlage für eine kontinuierliche Gasversorgung schafften eine starke Motivation, entsprechende Regelparameter anzupassen, was inzwischen geschehen ist“, berichtet Büßelmann.

PAM als Dienstleistung

Beispiele wie dieses belegen nachdrücklich den Nutzen von Plant Asset Management. Sie erhöhen die Bereitschaft der Anlagenbetreiber, Zeit und Geld in PAM-Aktivitäten zu investieren und dabei spezielle Systeme einzusetzen, etwa den Plant Resource Manager (PRM) oder das Spezialdiagnosepaket Insight-Suite AE von Yokogawa. Doch der Automatisierungsspezialist bietet nicht nur Software, sondern erbringt mit Hilfe dieser Werkzeuge auf Wunsch PAM auch als Dienstleistung. Zu überschaubaren, planbaren Kosten und gegebenenfalls für begrenzte Zeiträume ist dies auf unterschiedlichen Komplexitätsebenen möglich, je nachdem, welche Vorarbeiten bereits geleistet sind. So reicht das Serviceangebot von der Sammlung und Identifizierung relevanter Prozessinformationen über die Basis­analyse z. B. von Regelkreisen, Pumpen und anderen „nicht intelligenten“ Apparaten bis hin zur integrierten Behandlung komplexer Betriebs- oder Prozessabläufe. Dazu gehört die modellbasierte Diagnose von Wärmetauschern ebenso wie die Alarmoptimierung anhand statistischer Betrachtungen oder die systematische Analyse und Optimierung der Energieeffizienz von Prozessen.

In allen Fällen führt eine enge Zusammenarbeit der Betriebsingenieure mit den Ingenieuren des PAM-Anbieters zum Erfolg. „Hier kommen Prozess-Know-how und Automatisierungsexpertise zusammen. Wir diskutieren die Ergebnisse unserer Untersuchungen mit den Betreibern, um zu effizienten Lösungen zu kommen. Aufgrund unserer Projekterfahrungen verdeutlichen wir dabei dem Betreiber im Sinne eines Benchmarking, wo attraktive Verbesserungspotenziale liegen“, erklärt Tim-Peter Henrichs, Head of Industrial Automation Business Development der Yokogawa Deutschland GmbH. Er betont, dass in solchen Diskussionen gerade „Betriebsfremde“ oft wichtige Denkanstöße liefern können. „Wenn bestimmte Regelkreise z. B. weniger als die Hälfte der Betriebszeit im Automatikbetrieb arbeiten, dann muss man prüfen, warum das so ist“, sagt er. Oft deute das auf nicht optimal konfigurierte Regelkreise oder auch auf inkonsistente Automatisierung hin. Es könne aber auch sein, dass unterschiedliche Anlagenfahrer an dieser Stelle ihr individuelles Know-how einbringen. Dann lässt sich die Betriebsmannschaft entlasten, indem „Best practice“-Verfahrensweisen definiert und (teil)automatisiert abgearbeitet werden.

Gerade bei der Diagnose von „nicht intelligenten“ Apparaten wieWärmeübertragern ist PAM auf indirekte Methoden angewiesen. Diese indirekte Diagnose wurde inzwischen zu hoher Reife entwickelt. So verfügt der Systemanbieter über ein Diagnosemodul auf der Basis thermodynamischer Berechnungen aus gemessenen Parametern wie Druck, Temperatur und Durchfluss und eines statistischen Modells bzw. neuronalen Netzes. Das Diagnosemodul  ist in der Lage, dem Anlagenfahrer für nahezu alle üblichen Wärmeübertrager anhand weniger einfacher Schlüsselparameter (key performance indicators, KPIs) stets das aktuelle Leistungsprofil und eventuelle Wartungsanforderungen darzustellen.

 
Nicht intelligente Apparate einbeziehen

Zu diesem KPIs zählen etwa der Fouling-Index, der relative Druckabfall in Rohr(bündel) und Mantel sowie der Wärmeübertragungskoeffizient. Auch spezifische Diagnosesysteme etwa für Pumpen und andere rotierende Apparate sowie die Korrosionsüberwachung gibt es bereits, weitere werden entwickelt.

Das Diagnosesystem aus der InsightSuite AE kam z. B. bei der Rayong Olefins Co., Ltd., Thailand, erfolgreich zum Einsatz. Es wurde dort außerdem genutzt, um verschiedene Optimierungsansätze für die Energieeffizienz auszuarbeiten. Die entsprechenden Einsparpotenziale liegen jährlich bei jeweils bis zu einer halben Million US-Dollar.

Fazit und Ausblick: Plant Asset Management muss Nutzen stiften, um akzeptiert und in betriebliche Abläufe integriert zu werden. Nur wenn es ebenso selbstverständlich wie Leit- oder Sicherheitssystem zum Betriebsablauf gehört, kann es einen nachhaltigen Beitrag auf dem Weg zur Operational Excellence leisten. Konzepte für Neuanlagen müssen zudem berücksichtigen, dass PAM eine Lebenszyklus-Aufgabe ist, die bereits mit der Prozessauslegung und der Konstruktion der Anlage beginnt. Dabei wird besonders deutlich, wie sehr PAM – im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses – einen Erkenntnisgewinn bewirkt, der dann in weitere Projekte einfließt. „Indem wir als Dienstleister in PAM-Projekten Erfahrungen sammeln, entwickeln wir uns zu einem immer kompetenteren Automatisierungspartner“, folgert Michael Büßelmann.

Interview mit Tim-Peter Henrichs, Yokogawa Deutschland,
und Michael Büßelmann, Yokogawa Europe

„Von der Haft- zur Gleitreibung“
CT: Beim Thema „Asset Management“ denken Automatisierer meist an die Diagnose von Feldgeräten. Was meinen Sie mit „Plant Asset Management“ bzw. PAM?
Henrichs: Plant Asset Management meint das Management der Produktivität ganzer Produktionsanlagen. Mit dem Fokus auf reinem Feldgeräte-Management wurde das Thema in der Vergangenheit vom falschen Ende her angepackt. Das eigentliche Potenzial liegt vielmehr da, wo viel Mechanik im Spiel ist. Beim PAM geht es um mehr als um Feldgeräte und auch mehr als Instandhaltungsmanagement. Es geht darum, die Nutzungsreserven einer Anlage optimal auszuschöpfen.

CT: Wo sehen Sie die größten Potenziale für Plant Asset Management?
Büßelmann: Ein wesentliches Potenzial liegt darin, dass das Anlagenpersonal Feedback über den optimalen Betriebszustand der Anlage und ihrer Komponenten erhält. So kann die Anlage schonend gefahren werden.  In einem deutschen Chemieunternehmen konnten beispielsweise die Wartungskosten für Pumpen um 20 bis 30 Prozent gesenkt werden, allein weil das PAM-System regelmäßig meldet, wenn eine Pumpe im Grenzbereich arbeitet. PAM macht Zusammenhänge transparent und ermöglicht es zudem, die Rest-Lebensdauer von Assets abzuschätzen. Auch die Risiken beim Wiederhochfahren einer Anlage auf Volllast, nachdem diese in wirtschaftlich schwierigen Zeiten nach der Methode „Break and fix“ gefahren wurde, lassen sich durch PAM abschätzen.
Henrichs: Viele Informationen für das Plant Asset Management, auch für die nicht intelligenten Assets, sind im Leitsystem bereits vorhanden und können von bei uns bereits vorhandenen Diagnosemodulen weiterverarbeitet werden.

CT:  Was machen Sie, um die Einstiegshürden zu überwinden?
Büßelmann: Wir bieten den Betreibern eine Dienstleistung an, die ihm hilft, den Anfang zu machen. Das beginnt mit einer Analyse über die komplette Automatisierungs-Infrastruktur. Das kostet nicht viel. Mit den Ergebnissen entwickeln wir einen Benchmark, bei dem der Kunde im Vergleich zu anderen erfährt, wo er steht. Dabei wird das Potenzial für Verbesserungsmaßnahmen klar identifiziert.
Der gesamte Prozess entspricht der Lean-Six-Sigma-Vorgehensweise. Die ersten drei Schritte darin, das sind „Define“, „Measure“ und „Analyse“, bieten wir als fertiges Paket an. Wenn dann noch ein digitaler Feldbus vorhanden ist, kann man das PAM anschließen und den nächsten Schritt tun.
 
CT: Wie gehen Sie konkret vor?
Büßelmann: Zu Beginn wird analysiert: Bereits nach einer einfachen Bestandsaufnahme ist es möglich, Einsparpotenziale aufzuzeigen. In den meisten Anlagen stellt man fest, dass 75 bis 80 Prozent der Assets falsch gewartet werden. Über eine Risikomatrix wird definiert, welche Assets produktivitätskritisch sind. Und für diese ist es oft sinnvoll, prädiktive Maßnahmen umzusetzen, anstatt das Asset lediglich in den vom Hersteller vorgeschriebenen Abständen zu warten. Wir stellen also die Betrachtungsweise auf den Kopf: nicht mehr vom Asset her denken, sondern von seiner Bedeutung für die Produktion. Risikomatrix und Kritikalitätsanalyse machen transparent, wo die kritischen Punkte liegen und welche Assets nach welcher Strategie – von „Break and fix“ bis zur prädiktiven Strategie – gefahren werden können.
Henrichs: Darauf folgt die kontinuierliche Umsetzung. Dazu kommt mindestens ein Jahr lang regelmäßig ein Mitarbeiter von uns vorbei, analysiert die Verläufe und macht Vorschläge, wie man mit Alarmmeldungen etc. umgehen sollte. Auf diese Weise werden neue Abläufe in den Betrieben implementiert.

CT: Welche Erfahrungen haben Sie mit diesen Services bisher gemacht?
Büßelmann: In Produktionsbetrieben mit dünner Personaldecke ist Plant Asset Management eine der Tätigkeiten, die im angespannten Tagesgeschäft als erstes liegen bleibt. Diesen Kreis durchbrechen wir mit unserem Service. Wir nehmen die Dinge in die Hand, für die das Betriebspersonal keine Zeit hat, erstellen monatliche Schwachstellen- und Fortschrittsberichte. Dabei lassen wir uns an Zielen messen.
Und: Wir sorgen für Aha-Erlebnisse, wenn wir Schwachpunkte wie ständig agierende Stellungsregler aufzeigen und helfen, Standzeiten zu verlängern. Solche Erfolgserlebnisse motivieren den Betreiber, weiterzumachen. Es geht darum, die Anfangshürde zu überwinden – sozusagen von der Haftreibung in die Gleitreibung zu kommen.

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