November 2011

Zehn bis 25 % der in Anlagen der deutschen Industrie eingesetzten Energie könnten durch den Einsatz von Automatisierungstechnik eingespart werden, schätzt der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronik­industrie, ZVEI. Für ganz Deutschland soll das Einsparpotenzial gar sieben Milliarden Euro pro Jahr betragen. Und insbesondere die Prozessindustrien, in denen große Stoffströme unter Einsatz von Wärme und Strom umgewandelt oder behandelt werden, ist das Potenzial groß. Doch Umfragen des ZVEI haben ergeben, dass 80 % der Firmen bei Energieeffizienzinvestitionen lediglich Anschaffungspreis oder Amortisationszeit (Pay-off), nicht aber ein Rentabilitätsmaß (z.B. Barwert) nutzen.

Gemeinsam mit Wirtschaftsprüfern von Deloitte und finanziert von neun Mitgliedsunternehmen des Verbands (Siemens, ABB, Festo, Endress+Hauser, Pepperl+Fuchs, Phoenix Contact, Krohne, Vega, Auma) wurde deshalb ein Berechnungstool entwickelt, mit dem sich abschätzen lässt, wie viel Energie in einem konkreten Anwendungsfall eingespart werden könnte. Reine Investitionskosten, beispielsweise für die Anschaffung effizienterer Pumpen oder Gebläse, reichen dabei zur Bewertung nicht aus. Um die Amortisation und vor allem die langfristigen Einspareffekte bewerten zu können, müssen die Kosten über den gesamten Lebenszyklus einer Anlage betrachtet werden. In der Praxis – insbesondere bei Investitions- und Vergabeentscheidungen beim Bau neuer Anlagen oder neuer Anlagenerweiterungen ein oftmals unmögliches Unterfangen.

Barwert statt Anschaffungspreis

Hier leistet das kostenlos nutzbare Berechnungstool Hilfestellung. Die vom ZVEI angebotene Software basiert auf einem generischen Berechnungsmodell (Lifecycle Cost Evaluation, LCE) und erlaubt es, den Barwert und die Annuität einer Investition zu berechnen. Die ausgefeilte Excel-Tabelle berücksichtigt dabei unterschiedlichste Anwendungsszenarien und Industrien. Darunter industrielle Produktionsanlagen, Klärwerke, Brauereien und Abfüllanlagen, Gebäudetechnik usw. Für verfahrenstechnische Prozesse können einerseits einzelne Komponenten wie Pumpen mit Frequenzumrichter, der Einsatz energieeffizienter Motoren oder die Installation von Messgeräten berechnet werden, andererseits wird es möglich, die Auswirkungen auf eine ganze Anlage zu kalkulieren. Betrachtet werden dabei unterschiedlichste Punkte, darunter Installations-, Betriebs- und De­installationsphasen sowie sämtliche Kostenpositionen, die von den Material- bis zu den Personalkosten reichen.

Die Kosten werden dabei den drei Lebenszyklusphasen – Installation, Betrieb und Deinstallation – zugeordnet. Bei der Berechnung können sowohl einzelne Phasen als auch einzelne Kostenhaupt- und -unterkategorien betrachtet werden. Dabei werden anwendungsspezifische Kostenpositionen ermittelt, indem einzelne Kostenkategorien addiert werden. So setzen sich beispielsweise Instandhaltungskosten aus Personal- und Materialkosten sowie bezogenen Leistungen zusammen. Aber auch Vergleichsparameter wie Diskontierungssatz sowie Veränderungen bei den Energiekosten können berücksichtigt werden.

Jährlich 11.000 Euro gespart

In einem konkreten Beispiel wurde für die Kläranlage Böblingen-Sindelfingen berechnet, ob es sich lohnt, die an Pumpen angebrachten Rückschlagklappen gegen Schieber mit pneumatischen Antrieben auszutauschen – eine Investition in Höhe von 25.000 Euro. Denn im Gegensatz zur Rückschlagklappe geben Schieber einen größeren Strömungsquerschnitt frei, und es entsteht kein Druckverlust zur Öffnung der Rückschlagklappe. Verglichen wurde dabei die ursprüngliche Kläranlage (Projekt I) mit  dem umgerüsteten Fall (Projekt II). Die Umrüstung (Projekt II) weist bei Betrachtung des gesamten Lebenszyklusses die  deutlich  geringeren  Energiekosten aus.  Bezogen auf  den Leistungsbedarf des gesamten Klärwerkes ergeben sich Einsparungen von 2% des Gesamtbedarfs an elektrischer Energie. Projekt II führt über die Nutzungsdauer  von  24  Jahren  jedes  Jahr   zu  einer  Einsparung von 11.276 Euro.

Gerade bei Investitionen der Kommunen und Öffentlichen Hand erhält oft nur der Anbieter mit dem in Bezug auf die reinen Investitonskosten günstigsten Angebot den Zuschlag – obwohl die Vergabeordnung nahelegt, Lebenszykluskosten und Energieeffizienz bei der Auftragsvergabe zu berücksichtigen. „Wir wollen mit dem Referenzmodell zeigen, dass es wirtschaftlich sinnvoll ist, bei Investitionen nicht die reinen Anschaffungs-, sondern die gesamten Lebenszykluskosten zu betrachten“, sagt Michael Ziesemer, Vorsitzender des Fachbereichs Messtechnik und Prozessautomatisierung im ZVEI. Um für die Kommunen Rechtssicherheit zu erreichen, wurde deshalb die Wirtschaftsprüfer-Gesellschaft Deloitte bei der Entwicklung des Berechnungstools beteiligt. So soll verhindert werden, dass Bieter mit aus Investitionssicht niedrigeren Angeboten gegen eine Vergabe nach Lebenszykluskosten-Kriterien rechtlich vorgehen.

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