Die Situation mutet anachronistisch an: Ein Produktionsauftrag für eine Mehrproduktanlage wird in der Zentrale im kaufmännischen ERP-System erfasst, vom Disponent an den Produktionsbetrieb gefaxt, dort per Excel in den Produktionsablauf eingetaktet und schließlich wieder händisch ins Leitsystem eingetippt, um den Prozess zu starten. Qualitätsdaten werden auf demselben Weg rückwärts wieder in Richtung ERP transferiert, um Spec-Dokumente zu erstellen. Verbesserungsmaßnahmen bestanden in den vergangenen Jahren – wenn überhaupt – dann darin, das Fax durch E-Mail zu ersetzen. Professionelles Manufacturing Execution Management sieht anders aus.
Große Chemiekonzerne haben das inzwischen erkannt. Beim BASF-Projekt Opal (wir berichteten in CT 10/2010) geht es beispielsweise darum, Prozesse durch Einsatz von MES-Systemen und der zur Informationsgewinnung notwendigen Automatisierungstechnik kontinuierlich zu Optimieren. Doch in vielen Batchproduktionen der Chemie ist das noch Zukunftsmusik. „In vielen Bereichen steht MES immer noch für ,My Excel Sheets‘“, berichtet Max Weinmann, stellvertretender Direktor Projects & Services Operations bei Emerson aus seiner täglichen Beratungspraxis – mit den oben genannten negativen Folgen. Gerade in Anlagen, in denen viele Varianten produziert werden und der Aufwand für das Materialhandling groß ist, spielen MES-Systeme ihre Stärken aus und helfen dabei, Fehler zu vermeiden. Außerdem ermöglichen sie über Funktionen wie die KPI-Analyse Antworten auf die Fragen, wie effizient momentan produziert wird, was der Grund für Qualitätsabweichungen ist und wie die Fahrweise optimiert werden kann. Dazu kommen Aspekte wie die integrierte Produktionslogistik oder eine zustandsbasierte Instandhaltung.  
Doch obwohl es MES-Lösungen bereits seit anderthalb Jahrzehnten gibt, ist deren Verbreitung in der Chemie bislang im Vergleich zu anderen Branchen relativ gering. Warum das so ist, liegt vor allem an der Historie: Manufacturing Execution Systems waren noch vor zehn Jahren in der Regel Insellösungen, die mehr oder weniger gut zwischen den Polen ERP-System zur Unternehmensführung und Automatisierungssystem zur Prozesssteuerung eingespannt waren. Das Spannungsfeld bestand hier vor allem in der transaktionsorientierten Unternehmenssoftware und den Echtzeit-Anforderungen des Leitsystems. Um diese zu verbinden, waren in der Regel teure Anpassungen notwendig. Dazu kam der Anspruch der MES-Anbieter, möglichst vielfältige Aufgabenstellungen und Branchen in einem mehr oder minder monolithischen System abzubilden. Die Folge: hoher Anpassungsaufwand und Projektkosten.
Doch bei allem Lehrgeld, das Hersteller und Anwender in den ersten Jahren der MES-Systeme bezahlen mussten: Das Nutzenpotenzial ist enorm. Lassen sich durch die MES-Lösung Bedienfehler vermeiden, kann sich die Einführung unter Umständen bereits durch eine vermiedene Fehlcharge amortisieren. Aber auch kürzere Durchlaufzeiten und bessere Ausbeuten, niedrigere Lagerbestände und ein optimierter Material- und Arbeitseinsatz beeinflussen die Amortisationszeit der Investition.

Hoher Nutzen für den Betrieb
Was unter einem MES-System zu verstehen ist, beschreibt eine 90-seitige Broschüre des Herstellerverbands ZVEI, bei deren Erstellung der Standard IEC 62264 (S95) sowie VDI-Richtlinien und Namur-Empfehlungen praxisnah einbezogen wurden. MES steht darin im Sinne der VDI-Richtlinie 5600 als Synonym für alle Lösungen und Systeme im Bereich der Funktionsebene 3 „Betriebliche Fertigung und Steuerung“, gemäß IEC 62264. Dies umfasst die Planung, die Führung sowie Analyse und Bewertung des Produktionsprozesses.
In der Batchfertigung in Chemieunternehmen wird die Produktion, ausgehend von dem per ERP-System geplanten Auftrag, in Produktionskampagnen organisiert. Als Basis für jedes einzelne Produkt dienen Produktionsrezepte, in denen entweder Fahranweisungen für den Bediener oder verfahrenstechnische Grundfunktionen für die automatisierte Abarbeitung festgelegt sind. Die Rezepturen enthalten neben den Mengen an Einsatzstoffen und den Steuerungsparametern auch Anforderungen an die Anlagenverschaltung, Arbeitsanweisungen (SOPs) etc. MES-Systeme können dabei das gesamte Tätigkeitsspektrum unterstützen.
In der Planung lassen sich beispielsweise durch die optimale Auswahl und Belegung von Behältern, Reaktoren und Aufbereitungs- und Verpackungsequipment sowie eine ausgeklügelte Planung des Personalbedarfs unter Berücksichtigung der geforderten Qualifikation die Durchlaufzeiten und Produktionskosten senken. Mit sinkenden Durchlaufzeiten ist es zudem möglich, den Lagerbestand von Produkten und damit die Kapitalbindung zu reduzieren.
In der Produktionsvorbereitung werden Reinigungsstatus des Equipments sowie die Verschaltung von Anlagenteilen geprüft. Die Produktion selbst wird qualitätssicher geführt und dokumentiert und kann z.B. das Vier-Augen-Prinzip bei der Materialzugabe durch eine Prüfung per Barcode ersetzen. Da die Produktionsdaten in einem solchen System elektronisch erfasst werden, stehen sie auch vollständig zur Verfügung, und es lassen sich qualitätsrelevante Abweichungen schnell erkennen.

Modularität verringert Konfigurationskosten
Ein Problem früherer Systeme besteht vor allem in der unzureichenden Integration mit übergeordneten ERP- und insbesondere den unterlagerten Automatisierungssystemen. MES-Module laufen dort weitgehend als isolierte Applikationen ab und kommunizierten nur über spezielle Schnittstellen mit dem Leitsystem. Der Aufwand für die Anpassung der Systeme an die Anforderungen des Anwenders führte häufig zu hohen Entwicklungskosten. Inzwischen werden MES-Lösungen allerdings weitgehend aus Modulen zusammengestellt. Der konfigurierbare Anteil beträgt dabei 60 bis 70 %, der Rest sind kundenspezifische Erweiterungen.
Modularität und Skalierbarkeit standen bei dem MES Syncade von Emerson im Vordergrund: Das Echtzeitsystem kann den gesamten Fertigungsprozess – von der Produktionsplanung über die Vorbereitung der Steuerungsrezeptur, Lager- und Auslagervorgänge sowie Wäge- und Rohstoff-Verteilsysteme bis hin zum eigentlichen Fertigungsschritt und dem anschließenden Freigabeprozess – abdecken. Dabei hat der Anwender die Wahl, sowohl einzelne Module oder aber das komplette Softwarepaket einzusetzen. Dies – aber auch die Nutzung von Web-Technologien – führt dazu, dass das System nicht nur für Konzerne sondern auch für kleine und mittelständische Unternehmen im regulierten Umfeld zu vertretbaren Projektkosten möglich wird.
Die Stärke des MES besteht vor allem in der nahtlosen Integration in die Echtzeit-Welt der Automatisierungs- und Steuerungssysteme als auch der transaktionalen Welt der ERP sowie des Wartungsmanagements. Diese geschieht über standardisierte Schnittstellen durch die der Konfigurationsaufwand niedrig gehalten wird. Das System kann unabhängig von der darunter eingesetzten Automatisierungs- und Leittechnik eingesetzt werden. Funktionalität und Interoperabilität entsprechen dem derzeitigen ISA95-Standard.
Als Bedienerschnittstelle ist lediglich der Internet-Explorer notwendig, der sowohl auf PCs als auch auf mobilen Endgeräten wie PDAs etc. läuft. Konfiguration und Setup erfordern keine Programmierkenntnisse. Die Software läuft auf einer Microsoft.Net-Plattform, so dass die Leistung vergleichsweise einfach skaliert werden kann. Weitere Merkmale sind:
die einheitliche, integrierte Rezepturerstellung für elektronische Workflows (MES-Ebene) und für die automatisierten Abläufe im Leitsystem,
integrierte ISA88/95-Ausführungsumgebung für einen Arbeitsablauf im Chargenumfeld,
integriertes Dokumentenmanagement, so dass der Zugriff auf Produktionsinformationen einfach und im Kontext erfolgen kann,
Echtzeit-Kontrolle zur Verifikation von eingesetztem Material, Equipment oder Qualifikation des Personals.

Synchronisation zwischen MES- und PLS-Ebene ohne zusätzlichen Engineeringaufwand
Eine Besonderheit der Syncade-Lösung besteht darin, dass in Syncade ein einheitliches Rezept für MES und PLS erstellt werden kann, wobei MES Rezeptobjekte sowohl in PLS-Rezeptobjekte eingebunden sein können als auch umgekehrt. Die Synchronisation zwischen MES- und PLS-Ebene zur Laufzeit erfolgt dabei ohne zusätzlichen Engineeringaufwand. Dadurch sind keine fehleranfälligen doppelten Eingaben notwendig. Auch die im Leitsystem definierten Grundfunktionen und die Definitionen der Teilanlagen können in das MES-System eingelesen werden, um so Doppeleingaben zu vermeiden. „Ein wesentlicher Aspekt, der für den Einsatz einer standardisierten Lösung  mit einem konfigurierbaren Produkt spricht, ist die Versionierung“, erläutert Max Weinmann: „Speziallösungen, die ausschließlich für eine Anwendung erstellt wurden, bergen immer die Gefahr von Updateproblemen.“ Beim modularen Syncade verfolgt der Hersteller eine klare Versionspolitik, die Kompatibilitätsprobleme vermeiden hilft.
Durch den modularen Aufbau will der Anbieter interessierten Betreibern den Einstieg erleichtern. So nutzt beispielsweise das Pharmaunternehmen Eli Lilly ein Modul zur Implementierung eines weltweiten Dokumentenmanagements. Dabei greifen über 10.000 aktive Nutzer an 22 Standorten auf mehr als 80.000 Dokumente im regulierten Umfeld zu und nutzen dabei die elektronischen Logbuch-Funktionen sowie Electronic Batch Records. In der Wirkstofffertigung bei Lonza kommt die Softwarelösung zur papierlosen Herstellung zum Einsatz und sorgt für einen hohen Integrationsgrad.
In der Chemie kann das System neben Mehrproduktanlagen auch den Betrieb von Tanklagern deutlich sicherer machen: „In Tanklagern der Chemie gibt es häufig zahllose Verschaltungsmöglichkeiten, außerdem muss überwacht werden, ob Tanks vor dem Befüllen mit neuem Produkt gereinigt worden sind. Diese Anforderungen sind in das Modul zum Tanklagermanagement mit eingeflossen“, erläutert Weinmann.
Fazit: MES-Lösungen wie das modulare System Syncade schlagen nicht nur die Brücke zwischen Produktions- und Unternehmensebene, sondern vernetzen auch einzelne Komponenten der Wertschöpfungskette. Dadurch wird ein durchgängiger Informationsfluss erreicht, der zu einer flexiblen Produktion führt. Das Nutzenpotenzial im Hinblick auf eine optimierte Produktion ist hoch.?

„MES“-Werkzeug
Königsweg zur optimalen Produktion

Die Syncade Suite ist eine Lösung für das Betriebsmanagement inklusive elektronischer Produktionssteuerung zur Optimierung anlagenweiter Arbeitsprozesse. Das skalierbar aufgebaute Softwarepaket beinhaltet Module für das Ressourcenmanagement, die Betriebsoptimierung, Informationsintegration und Qualitätsmanagement. Eine Besonderheit von Syncade ist die integrierte Rezepterstellung sowohl für die auf MES-Ebene definierten elektronischen Arbeitsanweisungen, als auch für die im Leitsystem Delta V ausgeführten automatisierten Rezeptteilen in einem gemeinsamen Rezept.

Entscheider-Facts:
Für Betreiber und Manager

Informationsbrüche, wie sie bei der Abwicklung von Produktionsaufträgen mittels Bürokommunikation entstehen, führen zu Qualitätsverlusten und stehen einer Prozessoptimierung entgegen.
Manufacturing Execution Management-Systeme (MES) können dabei helfen, die Produktion kontinuierlich zu optimieren und die Qualität zu erhöhen.
Das MES-System Syncade ist modular aufgebaut und kann skaliert werden. Die auf Web-Technologien basierende Software hat für Batchfertiger ein hohes Nutzenpotenzial.

Hier erhalten Sie weitere Informationen zur Syncade-Suite des Anbieters Emerson.

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