Typischer Aufbau einer radiometrischen Messung

Abbildung 1: Typischer Aufbau einer radiometrischen Messung (Bild: Berthold Technologies GmbH & Co.KG)

Aggressive Atmosphären, hohe Temperaturen und Drücke, Anbackungen an Behälterwänden, Phasenbildung, sich ändernde Gasdichten – extreme Prozessbedingungen sind in der Chemieindustrie keine Seltenheit. Prozesse, die unter solchen Bedingungen stattfinden, müssen überwacht werden. Dabei spielt die Überwachung nicht nur aus sicherheitstechnischen Gründen eine große Rolle, sondern hilft auch bei der Optimierung des Prozesses. Messungen der Dichte, des Füllstandes oder Grenzstandmessungen tragen maßgeblich dazu bei, kritische Prozesse sicherer zu machen. Vergleicht man die verfügbaren Messtechnologien, wird man in Anbetracht der extremen Messbedingungen zwangsläufig auf radiometrische Messsysteme stoßen. Seit mehr als 70 Jahren werden solche Systeme von Berthold eingesetzt, sind tausendfach installiert und haben sich unter den anspruchsvollsten Bedingungen bewährt.

Prinzip der Abschwächung

Der Begriff Radiometrie kann von den zwei Wörtern „radius“ und „metiri“ abgeleitet werden - die lateinischen Begriffe für „Strahl“ und „messen“. Einfach ausgedrückt bedeutet Radiometrie demnach „messen mit Strahlung“. Typischerweise besteht ein radiometrisches Messsystem aus zwei Komponenten (Abbildung 1): einer Quelle, die Gammastrahlung emittiert, und einem Detektor, der die einfallende Strahlung detektieren kann. In den meisten Fällen sind diese zwei Komponenten auf der jeweils gegenüberliegenden Seite der zu messenden Geometrie, wie z. B. einem Behälter oder einer Rohrleitung, angebracht. Die Strahlenquelle ist dabei aus Strahlenschutzgründen in einer Abschirmung aus Blei untergebracht, die die Strahlung nur in einem bestimmten Austrittwinkel freigibt.

Trifft die Strahlung auf den empfindlichen Detektor, wird diese dort über Lichtblitze in ein elektrisches Signal umgewandelt, welches anschließend weiterverarbeitet wird. Das Messprinzip basiert auf einem einfachen, aber raffiniertem Konzept – dem Prinzip der Abschwächung. Die Gammastrahlung durchdringt den Behälter, sowie dessen Inhalt, und wird anschließend vom gegenüberliegenden Detektor erfasst. In Abhängigkeit von der Menge und der Dichte des zu durchstrahlenden Materials, wird die Strahlung dabei mehr oder weniger stark abgeschwächt – mehr Material und höhere Dichte führen zu mehr Absorption. Die am Detektor ankommende Strahlung ist somit ein Maß für die Abschwächung und mit Hilfe einer entsprechenden Kalibrierung kann der relevante Messwert, wie z. B. Dichte oder Füllstand, ermittelt werden.

Individualität durch breites Portfolio

Um unterschiedlichste Messgeometrien und Anforderungen erfüllen zu können, gibt es nicht die eine, universelle radiometrische Lösung. Erst durch Kombination verschiedener Strahler und Detektoren ist es möglich, die perfekte, maßgeschneiderte Lösung für jede Messaufgabe zu finden. Je nach Anwendungsbereich können Punkt- oder Stabstrahler zum Einsatz kommen, es kann zwischen verschiedenen Nukliden gewählt werden und die Aktivität der Strahler wird individuell ausgelegt. Auch die notwendige Abschirmung für die Strahler wird dementsprechend angepasst. Neben den Strahlern gibt es auch eine Vielfalt an unterschiedlichen Detektoren (Abbildung 2). Diese unterscheiden sich nicht nur in ihrer Größe, sondern auch im Material oder den verfügbaren Kommunikationsschnittstellen.

Verschiedene Detektortypen
Abbildung 2: Verschiedene Detektortypen für unterschiedliche Anwendungen (Bild: Berthold Technologies GmbH & Co.KG)

Durch das breite Portfolio können viele verschiedene Anwendungsbereiche abgedeckt werden, bei denen z. B. der Füllstand oder die Dichte bestimmt werden soll. Messsysteme von Berthold liefern zum Beispiel wichtige Prozessinformationen in der Produktion von Polyethylen und Polypropylen, in Urea und PTA-Anlagen, sowie in der Cellulose- oder Gummi-Produktion. Darüber hinaus werden Berthold-Produkte in zahlreichen Prozessen bei der Kohlevergasung eingesetzt. Zu den Kunden gehören einige der weltweit größten und besten auf ihrem Gebiet - BASF, Bayer, Exxon Mobil und Shell, um nur einige zu nennen.

Vorteile der berührungslosen Technologie

Wie bereits erwähnt, kommt Radiometrie häufig bei extremen Prozessbedingungen zum Einsatz. Einer der Gründe dafür ist die berührungslose Technologie, wodurch die Messkomponenten selbst kein Kontakt zum Messgut haben. Durch die Außenmontage (Abbildung 3) ist die Installation sehr einfach und kann auch an bestehenden Behältern oder Rohrleitungen problemlos nachgerüstet werden.

Radiometrische Dichtemessung an einer Rohrleitung
Abbildung 3: Radiometrische Dichtemessung an einer Rohrleitung (Bild: Berthold Technologies GmbH & Co.KG)

Einer der größten Vorteile der Radiometrie ist deren Wartungsfreiheit und Wegfall von Nachkalibrierungen. Die Betriebskosten sind im Vergleich zu anderen Technologien somit niedrig. Weitere charakteristische Eigenschaften dieser Technologie sind deren Temperatur- und Langzeitstabilität. Viele Anwender setzen ihre radiometrischen Messungen bereits seit mehreren Jahren ohne jegliche Performanceprobleme ein.

Handhabbare Herausforderungen

Durch die Verwendung radioaktiver Strahler, gibt es durchaus einige Herausforderungen zu meistern. Hierzu zählen beispielsweise der Einfluss von Fremdstrahlung durch Schweißnahtprüfungen oder durch ein selbst radioaktives Messprodukt. Um dennoch zuverlässige Messergebnisse zu liefern, werden verschiedene Features eingesetzt. Alle Berthold-Detektoren sind mit der Fremdstrahlungserkennung XIP (X-Ray Interference Protection) ausgestattet, wodurch ein Verfälschen des Messergebnisses verhindert wird. Der Einfluss durch natürlich vorkommende radioaktive Stoffe (sog. NORM) im Messgut kann durch den Einsatz der Funktion PRC (Product Radiation Compensation) kompensiert werden. Auch Schwankungen der Gasdichte im Prozess können den Messwert verfälschen, welchen jedoch mit dem Feature GPC (Gas Property Compensation) entgegengewirkt werden kann. Selbstverständlich müssen beim Einsatz radiometrischer Messungen alle geltenden Strahlenschutzbestimmungen eingehalten werden, was auch einen administrativen Aufwand nach sich zieht. Da Radiometrie jedoch häufig die einzig verbleibende zuverlässige Technologie ist, ist deren Einsatz dennoch gerechtfertigt.

Dort, wo Prozessbedingungen so extrem sind, dass herkömmliche Technologien versagen, ist es sinnvoll auf radiometrische Messungen zu vertrauen. Die Entwicklungen im Anlagenbau zeigen einen Trend zu immer mehr extremen Bedingungen, zum Ausreizen physikalischer Grenzen und zum Fahren der Anlagen am Anschlag des technisch Möglichen. Die Technologie der Radiometrie, so exotisch sie auch erscheinen mag, wird damit noch für lange Zeit ihre Daseinsberechtigung finden.

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