Kunststoffabfälle sind ein anspruchsvolles Schüttgut

Kunststoffabfälle sind ein anspruchsvolles Schüttgut und erfordern spezialisierte Lösungen zur Aufbereitung und Wiederverwertung. (Bild: 831days – Adobe Stock)

  • Der Wechsel von der Linear- zur Kreislaufwirtschaft erfordert neue Teilprozesse zur Kunststoffaufbereitung und Wiederverwertung entlang der Prozesskette.
  • Gemischte Kunststoffabfälle sind ein anspruchsvolles Schüttgut, dessen Verarbeitung spezialisierte Lösungen für Prozessschritte wie Sortieren, Fördern und Zerkleinern notwendig macht.
  • Kommunikation und Kooperation vom Kunstoffhersteller über Recyclingunternehmen bis zum Verbraucher sowie Teilnahme von Politik und Öffentlichkeit sind Voraussetzung für einen erfolgreichen Übergang in die Kreislaufwirtschaft.

Verpackungsmüll in den Ozeanen und Mikroplastik in Lebensmitteln haben zuletzt die öffentliche Meinung über Kunststoffe geprägt. Dass Kunststoffabfälle ein Umweltproblem darstellen, darüber herrscht auch in der Branche selbst weitgehend Einigkeit. Genauso unumstritten ist aber auch, dass Kunststoffe extrem vielseitig in ihren Materialeigenschaften sind und somit in vielen Fällen das optimale Material für eine Anwendung aus dieser Stoffklasse kommt. Die wertvollen Werkstoffe so vollständig wie möglich wiederzuverwerten, nicht in die Umwelt gelangen zu lassen und somit Belastungen zu vermeiden, ist die offensichtliche Lösung dieses Problems.

Effizient über den gesamten Recyclingprozess

„Die Kunststoffindustrie hat erkannt, dass sie nachhaltiger produzieren muss, um dem veränderten Konsumverhalten der Endverbraucher und der weltweit immer strenger werdenden Umweltgesetzgebung gerecht zu werden“, bestätigt Thomas Weischer, Head of Sales LSTK Plants im Bereich Plastics Processors & Compounders beim Extruder-Spezialisten Coperion. Soll zudem ein immer größerer Anteil des Materials möglichst häufig wiederverwertet werden, steigen auch die Qualitätsansprüche. Um den kunststoffaufbereitenden und -verarbeitenden Betrieben eine nachhaltige Produktion zu ermöglichen, müssen Technologieanbieter darum „von der Rohstoffförderung über die Dosierung, Extrusion bis hin zur Granulierung und Förderung der Endprodukte Lösungen realisieren, die über den gesamten Recyclingprozess mit höchster Effizienz arbeiten und gleichzeitig die Qualität der Rezyklate erhöhen“, so Weischer.

Dabei treten auch neue Herausforderungen auf: Um den Wechsel von der Linear- zur Kreislaufwirtschaft herbeizuführen, sind entlang der Prozesskette völlig neue Teilprozesse zur Aufbereitung und Wiederverwertung notwendig. Die gestiegene Aufmerksamkeit bietet der Recyclingbranche und ihren Zulieferern aber die Chance, in einem wichtigen Marktsegment zur treibenden Kraft hinter dem Eintritt in die Kreislaufwirtschaft zu werden: „Der Markt wächst, und er stellt die Maschinen- und Anlagenbauer vor technische Herausforderungen, weil diverse Prozesse erst noch entwickelt oder an größere Durchsatzleistungen angepasst oder wirtschaftlich gestaltet werden müssen“, fasst Heiko Bach, Business Development Manager Schwerindustrie bei Schmersal zusammen.

Technisch herausfordernd ist insbesondere die häufig extrem heterogene Zusammensetzung des Ausgangsmaterials: Erstens handelt es sich oft um Gemische verschiedener Kunststoffsorten mit teils unterschiedlichen Eigenschaften. Zweitens liegt selbst in sortenreinen Sammlungen in der Regel Material in stark abweichenden Qualitäten vor. „Das hat vor allem Auswirkungen auf den Werkstoff der produktberührten Teile, denn die zu recycelnden Materialien sind sowohl chemisch als auch abrasiv vielfältiger geworden“, sagt Bastian Tigges, Technical Sales Engineer beim Mischer-Spezialisten Lödige. „Angesichts der steigenden Anforderungen nimmt auch das Bewusstsein für die Qualität der eingesetzten Anlagen zu.“

„Prozesse und Produkte kontinuierlich verbessern“

Um aus diesen anspruchsvollen Ausgangsstoffen hochwertige Rezyklate zu produzieren, sind sowohl geeignete Lösungen zum Fördern, Sortieren und Zerkleinern der gesammelten Kunststoffe als auch Anlagen für Transport, Mischen und Aufbereiten der daraus gewonnenen Materialien erforderlich. Anbieter von Schüttguttechnik unterstützen die Recyclingbetreiber mit ihrem Know-how. So spezifiziert beispielsweise Coperion das Schüttgut-Handling genau passend für die zu verarbeitenden Rezyklate und berücksichtigt für seine Flug- und Langsam-Förderverfahren zum Beispiel die Neigung des Produkts zur Staub- und Fadenbildung sowie den produktspezifischen Verschleiß der Rohrleitung und Reststaubgehalt. Lödige stattet die Mischwerkzeuge seiner Industriemischer nach Bedarf mit besonders widerstandsfähigen Beschichtungen aus, die beim Umgang mit abrasiven Medien die Lebensdauer und Wirtschaftlichkeit der Anlage erhöhen.

Kunststoff-Rezyklate
Mit steigenden Anforderungen an die Qualität von Kunststoff-Rezyklaten steigt auch der Bedarf an hochwertiger Schüttguttechnik. (Bild: Pavel – stock.adobe.com)

Um sicherzustellen, dass die Ausrüstung zur Anwendung passt, hat Andritz für seine Zerkleinerer ein Recycling Technology Center eingerichtet. „Wir wissen, wie wichtig es ist, Prozesse und Produkte kontinuierlich zu verbessern“, erläutert Michael Waupotitsch, Vice President Reject and Recycling bei Andritz. „Darum bieten wir unseren Kunden auch die Möglichkeit, mit neuen Maschinen und Konfigurationen sowie mit verschiedensten Materialien zu experimentieren, um die wirklich beste Lösung für den jeweiligen Bedarf zu finden.“ So sind Tests mit unterschiedlichen Abfallströmen und das Nachbilden kompletter Recyclingprozesse möglich.

Damit sich Kreislaufwirtschaft und nachhaltige Produktion durchsetzen können, ist ein sicherer und wirtschaftlicher Betrieb der Recyclinganlagen genauso wichtig wie die geeignete Technologie. Durch die unterschiedliche Zusammensetzung der Rohstoffe kann es auch häufiger zu Störungen durch Verunreinigungen kommen. Anlagenbauer müssen dies als Sicherheitsfaktor bei der Konstruktion berücksichtigen. Für Schmersal zählt neben der Kernkompetenz in Maschinensicherheit außerdem die Energieeffizienz zu den entscheidenden Faktoren. Das Bewusstsein steigt, sorgsam mit Energie und den begrenzten Ressourcen umzugehen, und moderne Produktionskonzepte haben zum Ziel, Verschwendung zu vermeiden. Viele, insbesondere größere Unternehmen haben Energiemanagementsysteme eingeführt und bewerten die Umweltauswirkungen ihrer Produkte beziehungsweise ihrer Produktion und fordern das Gleiche von ihren Zulieferern. Auch der stetig steigende Wettbewerbs- und Kostendruck ist ein Treiber dafür, mit Energie und Rohstoffen zu haushalten.

„Chemische Wiederaufarbeitung ist unerlässlich“

Einen zusätzlichen Ansatz zum rein mechanischen Recycling – also dem Sortieren, Aufarbeiten und anschließenden Überführen in möglichst reine Rezyklate – verfolgt der Kunststoffhersteller Covestro: „Für den kompletten Wandel zur Kreislaufwirtschaft ist abhängig von der jeweiligen Anwendung auch eine chemische Wiederaufarbeitung und Kreislaufführung von Kohlenstoffverbindungen unerlässlich“, so Dr. Christian Haessler, Leiter des globalen Circular Economy Program des Konzerns. „Ziel muss es sein, mit möglichst energieeffizienten Methoden gebrauchte Kunststoffe wieder in ihre Moleküle umzuwandeln.“ Covestro entwickelt gemeinsam mit Partnern chemische Verfahren, zum Beispiel zur Rückgewinnung der Rohstoffe aus dem Weichschaum aus Matratzen.

Außerdem ist das Unternehmen in einem Projekt mit Circularise und Domo Chemicals beteiligt, das die Rückverfolgung von Kunststoffen bis zu den Rohstoffen mittels Blockchain-Technologie untersucht, um ein sortenreines werkstoffliches Recycling zu erleichtern oder überhaupt erst zu ermöglichen. Solche Kooperationen sollen auch in Zukunft bei der großflächigen industriellen Umsetzung von Recylingverfahren helfen. Durch die höhere Aufmerksamkeit und verstärkte Kommunikation über solche Technologien entstehen neue Initiativen, aber auch Netzwerke für eine intensivere Forschung sowie einen weiteren Ausbau und Nutzung von Recyclingverfahren.

Für die Zukunft erwarten die Betreiber und Zulieferer vor allem Hilfe durch zunehmende Digitalisierung. Während Automatisierung bereits viele Sortierungs- und Aufbereitungsprozesse energie- und zeiteffizienter und damit wirtschaftlicher gemacht hat, wächst mit dem Trend zum Recycling auch der Bedarf an hohem Durchsatz. Das bedeutet zum einen Anlagen, die größere Mengen in kürzerer Zeit bewältigen können, und zum anderen schlicht eine steigende Anzahl der betriebenen Anlagen. Hier wird die Automatisierung voranschreiten, und Technologien wie Highspeed-Bildverarbeitung und -Sortierung sowie Robotik werden stärkeren Einsatz finden. „Auch die aktuellen „Großtrends“ wie Industrie 4.0, Digitalisierung und Vernetzung werden stärker Einzug in die Recyclingindustrie und ihre Anlagen halten“, ist Geschäftsentwickler Heiko Bach von Schmersal überzeugt.

Kunstoffhersteller
Zusammenarbeit vom Kunstoffhersteller über Recyclingunternehmen bis zum Verbraucher sowie Teilnahme von Politik und Öffentlichkeit sind Voraussetzung für den Übergang in die Kreislaufwirtschaft. (Bild: yokie – stock.adobe.com)

Akzeptanz und Zusammenarbeit

Letztendlich kommt es aber auch darauf an, dass Recycling und Kunststoffprodukte auch bei Verbrauchern, in der öffentlichen Wahrnehmung und in der Politik entsprechende Akzeptanz finden. Technologische Fortschritte und Machbarkeit tragen ihren Teil dazu bei. Genauso wichtig sind aber auch die gesetzlichen und finanziellen Rahmenbedingungen. Dazu gehören beispielsweise Förderprogramme und Quoten für den Einsatz recycelter Kunststoffe. So bietet der derzeit niedrige Ölpreis beispielsweise nur wenig finanziellen Anreiz, fossile Rohmaterialien durch Rezyklate zu ersetzen. Recyclingquoten könnten diesen Anreiz steigern. Insgesamt müssen Recyclingunternehmen und Technologieanbieter sowie Kunststoffhersteller und -verbraucher kommunizieren und zusammenarbeiten, um energie- und ressourceneffiziente Produktion auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft zu ermöglichen.

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