- Die petrochemische Industrie muss fossile durch nachwachsende Rohstoffe ersetzen.
- Ein Teil des industriellen Kohlenstoffbedarfs könnte über Biomasse wie Holzabfälle gedeckt werden.
- Aus Abfällen wie Holzresten könnten sich künftig globale Abfallströme zur Energiegewinnung entwickeln.
Energiepartnerschaften zwischen politischen Verbündeten sind ein grundlegendes Instrument der Klima-Geopolitik. Zukünftige Energiepartnerschaften sollten sich auf die Lösung von zwei sich ergänzenden systemischen Herausforderungen konzentrieren: Primärmaterialströme zu ermöglichen und sekundäre Materialströme zu unterstützen. Unter anderem holzartige Biomasse aus den USA gehört zu den Energiequellen der Zukunft. Das Material weist einen hohen biogenen Kohlenstoffgehalt und eine einzigartige biomolekulare Struktur auf. Diese Eigenschaften machen es zum Hauptmotor für eine Transition der petrochemischen Industrielandschaft weg von fossilen hin zu nachwachsenden Rohstoffen.
Für die Begrenzung des Klimawandels sind die kommenden Jahre entscheidend: Neue Erhebungen ziehen neue Klimaschutzziele nach sich, die unterschiedlich hoch ambitioniert sind – Fakt ist, die Zeit zur Schadensbegrenzung ist knapp. In den nächsten Jahren wird sich entscheiden, welche Länder den Hochlauf dieser neuen Wertschöpfungsketten mitbestimmen – und davon wirtschaftlich profitieren werden. Das Unternehmen Enviva bietet mit Holzpellets den Grundstoff und somit die Grundlage für diese Wachstumsbranche.
Primärmaterialströme ermöglichen
Nachhaltig gewonnene holzartige Biomasserückstände können Erdöl als Produktionsrohstoff in mehreren Industrien ersetzen oder komplementieren. Die Biomasserückstände könnten auch die Probleme lösen, die mit geografisch begrenzten, stark schwankenden und teuren fossilen Brennstoffen verbunden sind. Außerdem ist Biomasse bisher der einzige Defossilisierungsträger, der seine eigene Lieferkette defossilisiert. Mittelfristig wird der erste klimapositive Warenstrom entstehen, der auf dem Handel mit holziger Biomasse aus biogenen-Kohlenstoff-Überschussregionen wie dem Südosten der USA in biogene-K-Defizitregionen wie Europa basiert. Es sind erhöhte öffentliche Ausgaben für Bio-Contract-for-Difference-Systeme erforderlich, um Innovationen im Bereich der biobasierten Defossilisierung zu beschleunigen, die Leistung zu verbessern und die Kosten für biobasierte Produkte wie Flugkraftstoffe, Chemikalien und Materialien zu senken.
Sekundäre Materialströme unterstützen
In einer zunehmend ressourcen- und klimabewussten Welt ist endliche biogene Ressourcen wiederzuverwenden, ein wichtiger Bestandteil der Defossilisierungsstrategie. Die Biozirkularität schließt Kreisläufe von Biomasserohstoffen, Mineralien, Wasser und Kohlenstoff. Was früher als Abfall betrachtet wurde, wie Holzreste, wird in Bioprozesse aufgenommen und genutzt, um Produkte und Energie zu gewinnen. „Abfall“ ist nicht mehr per se ein lokales Produkt. In einer integrierten globalen Wirtschaft sollten die Akteure mit globalen Abfallströmen handeln, um höherwertige Industrieströme zu speisen. Das einzig Verschwenderische am Abfall wird sein, eine Gelegenheit zu verpassen.
Industrieller Wandel braucht Kohlenstoffsicherheit
Holzpellets aus dem Südosten der USA, die aus nachhaltiger Forstwirtschaft stammen, eröffnen der deutschen und europäischen Wirtschaft somit Chancen im Hinblick auf die Energienutzung. Da zahlreiche industrielle Prozesse auf fossilfreien Kohlenstoff angewiesen sind, um klimaneutral zu werden, bietet holzartige Biomasse eine Möglichkeit, fossilen Kohlenstoff in etablierten Wertschöpfungsketten endgültig zu ersetzen. Die chemische Industrie wird in den kommenden Jahren einen enormen zusätzlichen Bio-K-Bedarf verzeichnen müssen, um den Wandel von einer fossilen zu einer grünen Bioökonomie bewältigen zu können. Es muss ein Umdenken bezogen auf biogenen Kohlenstoff stattfinden, denn wie Wasserstoff ist auch Biomasse eine strategische Transformationsressource für die Industrie, die zur grünen Kohlenstoffsicherheit des Kontinents beitragen wird.
Heute werden weltweit 450 Mio. t kohlenstoffhaltiger Chemikalien produziert, von denen 85 % auf fossilen Brennstoffen basieren, der Rest auf Biomasse und Recycling. Schätzungen zufolge wird diese Zahl bis 2050 auf 1 Mrd. t ansteigen, was bedeutet, dass die Kohlenstoffproduktion auf Grundlage erneuerbarer Energie- und Materialquellen um das 15-fache steigen muss. Außerdem wird der Markt für pflanzliche Materialien bis 2026 voraussichtlich 85 Mrd. USD wert sein. Schätzungen zufolge wird allein der Weltmarkt für biogene Kunststoffe bis 2025 ein Volumen von 28 Mrd. USD erreichen, mit einer jährlichen Wachstumsrate von 26 %. Das sind Marktsegmente, die dem stotternden Motor der deutschen Wirtschaft nicht entgehen sollten.
Kohlenstoffbedarf des industriellen Wandels
Allein im Jahr 2021 mussten laut VCI aufgrund von Problemen in der Lieferkette 35 % der deutschen Chemieunternehmen ihre Produktion drosseln, während
10 % der Unternehmen ihre Anlagen vorübergehend geschlossen haben. Mittel- bis langfristig wird eine unzureichende Versorgung mit biogenem Kohlenstoff Auswirkungen auf die gesamte chemische Industrie sowie auf die Verkehrs- und Energieversorgung haben.
In der chemischen Industrie wird dies vor allem die folgenden Akteure betreffen: KMU, die sich genauso schnell umstellen müssen wie große Unternehmen, aber nicht über ausreichende Entwicklungsressourcen oder ein diversifiziertes Portfolio verfügen; Großunternehmen, die umfangreiche Biomasseressourcen benötigen, um ihre Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen zu überwinden; Vertriebshändler, bei denen einige ihrer Lieferanten nicht mehr in der Lage sein werden, um zusätzliche Margen zu konkurrieren und Unternehmen der Agroforstwirtschaft, der Forstwirtschaft und der Agrarindustrie, die zu „game changers“ auf dem aufstrebenden Gebiet der Defossilisierung der Industrie werden.
Biomassebedarf und -verfügbarkeit
Ergänzend zu lokalen Abnahmeverträgen mit Forst- und Landwirtschaftsunternehmen wird das Biomasseangebot mittelfristig ergänzt durch zunehmende Importe. Die steigende Nachfrage nach Biomasse in vielen Sektoren weltweit wird die Versorgungsmöglichkeiten einschränken. Hier muss auch die Bundesregierung agieren: Die Biomassestrategie der Bundesregierung erfordert, die Flächennutzung weiterzuentwickeln und Importstrategien über Energiepartnerschaften, etwa mit den USA, zu konkretisieren. Auf der Angebotsseite sind die Volumina für nachhaltige, homogene, langfristig verfügbare Biomasse seit Jahren rückläufig. Laut VCI liegt das technisch mobilisierbare Biomassepotenzial in Deutschland zwischen 12,8 und 45,5 Mio. t. Dieser Verfügbarkeit steht nicht nur eine hohe Nachfrage entgegen, sondern ordnungspolitische Faktoren schränken den Ausbau der Angebotsseite langfristig ein. Denn, die LULUCF-Ziele in Deutschland werden weiter zunehmen und mit der biogenen-K-Nutzung konkurrieren. Zudem ist es schwer abzuschätzen, wie viele weitere Industrien Alternativen für den traditionellen fossilen Input benötigen. Laut der Chemistry-4-Climate-Fact-Finding-Studie über Biomassepotenziale, liegt der Bedarf für biogenen Kohlenstoff 2026 bei 26 bis 30 Mio. t. Dadurch könnte hier eine potenzielle Lücke von minimal 20 Mio. t biogenem Kohlenstoff entstehen, wenn der Faktor 0,5 angesetzt wird, um Biomassevolumina und die Volumina biogenen Kohlenstoffs miteinander vergleichen zu können. Denn 1 t Biomasse beinhaltet etwa 0,5 t Kohlenstoff.
Auf der Angebotsseite gibt es jedoch folgende Chancen, um die gigantische Lücke füllen zu können. Die wachsenden Waldgebiete im Südosten der USA, die
1,1 Mio. km2 umfassen, bilden ein Ressourcenpotenzial für den europäischen Markt und damit auch für die deutsche Chemieindustrie. Allein das Restholz-Potenzial beträgt bis zu 35 Mio. t/a. Bestehende Wertschöpfungsketten fördern bis dato 12 Mio. t Restholz-Potenziale zu Tage, fast ausschließlich für den Export. Bis Mitte dieses Jahrzehnts werden diese Potenziale auf 20 Mio. t ansteigen und damit dem europäischen Markt zur Verfügung gestellt werden. Der globale Markt an Holzpellets allein beträgt fast 50 Mio. t. Der Nutzungswandel trägt gleichzeitig dazu bei, dass die stoffliche Verwertung, etwa in der petrochemischen Industrie, die energetische Nutzung ablösen wird. Mit einer transatlantischen Partnerschaft könnte diese Achillesverse wieder in den Styx getunkt und die Zeitenwende einer grünen Wirtschaft eingeleitet werden.