Explosion in an industry, armed police wearing bulletproof vests

Jeden Tag kommt es in einem Industrieunternehmen in Deutschland zu einer Staubexplosion. (Bild: Fernando Cortés – stock.adobe.com)

  • Änderungen in den Anwendungen und Verfahren wirken sich auch auf den Explosionsschutz aus.
  • Blindes Vertrauen in die Technik und die Lieferanten ersetzen immer öfter das eigene Risikobewusstsein.
  • Für die Sicherheit verantwortlich sind allerdings nicht die Hersteller von Anlagenkomponenten, sondern die Betreiber der Anlagen.

Wenn es in der Produktion rummst, sind häufig Spezialisten gefragt. Gerade beim Verarbeiten von pulverförmigen Stoffen oder Granulaten ist die Explosionsgefahr latent vorhanden. Dass der Teufel im Detail steckt, musste unlängst ein Betreiber einer Anlage erfahren, in der Methylzellulose vermahlen wird. Beim Öffnen einer Revisionsklappe an einem Zyklonabscheider war es zu einer Staubexplosion gekommen, bei der ein Mitarbeiter schwer verletzt wurde. Vorausgegangen war dem Ereignis ein Brand im Heizregister, bei dem sich brennende Partikel abgelöst hatten. Wie die Partikel in das Register geraten waren, blieb zunächst unklar – denn eigentlich sollte an dieser Stelle gar kein Staub auftreten. Des Rätsels Lösung: Weil von zwei parallel installierten Anlagen eine außer Betrieb war, saugte die verbleibende Anlage staubhaltige Luft entgegen der eigentlichen Strömungsrichtung aus der inaktiven Anlage an.

Das Fallbeispiel beschreibt eine mögliche Ursache für Explosionsereignisse in Schüttgutanlagen: Mängel bei der Konstruktion und Anlagenplanung. Doch es gibt noch zahlreiche weitere – denn überall dort, wo brennbare Feststoffe verarbeitet werden, besteht das Risiko von Explosionen. Vor allem Staub wird dabei oft unterschätzt. Zirka 80 % aller in der Industrie vorkommenden Stäube sind brennbar. Sind heiße Oberflächen oder andere Zündquellen vorhanden, genügt oft bereits eine aufgewirbelte Staubschicht, um eine Explosion aus­zulösen.

Jeden Tag ereignet sich in Deutschland eine Staubexplosion

In Deutschland ereignet sich durchschnittlich jeden Tag in einem Industriebetrieb eine Staubexplosion. Mit rund einem Viertel der Ereignisse führt die Lebens- und Futtermittelindustrie die Negativstatistik an. Um solche Ereignisse zu vermeiden, haben Anlagenausrüster in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche technische Lösungen entwickelt. Generell unterscheidet man im Explosionsschutz drei verschiedene Ansätze: den primären Explosionsschutz, der darauf zielt, die Bildung explosiver Atmosphären zu verhindern – zum Beispiel indem brennbare Stoffe ersetzt werden oder Sauerstoff aus dem Prozess durch nicht brennbare Gase verdrängt wird (Inertisierung). Der sekundäre Explosionsschutz zielt darauf, zu verhindern, dass vorhandene explosionsfähige Atmosphären gezündet werden. Dies geschieht beispielsweise dadurch, dass heiße Oberflächen vermieden werden oder die Bildung mechanischer oder elektrischer Funken unterbunden wird. Falls sich Explosionen nicht gänzlich ausschließen lassen, werden in der dritten Variante – dem tertiären Explosionsschutz – die Auswirkungen einer Explosion durch konstruktive Maßnahmen beschränkt. Dazu dienen beispielsweise eine explosionsfeste Bauweise, Systeme zur Explosionsunterdrückung und solche, mit denen die Ausbreitung von Flammen und damit die Übertragung von Explosionen verhindert werden.

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Technik wie Sensoren und Überwachungssysteme helfen, die Sicherheit zu erhöhen ... Bild: chanjaok1 – stock.adobe.com

Um Explosionen und deren Auswirkungen auf Mitarbeiter und die Umwelt zu vermeiden, wurden weltweit zahlreiche Schutzvorschriften entwickelt. Der Zündschutz bei elektrischen Geräten wird beispielsweise in der Norm IEC 60079 beschrieben. Für nicht elektrische Geräte, die in Ex-Atmosphären eingesetzt werden sollen, ist die ISO 80079 ein maßgeblicher Standard. In Europa sind die Anforderungen in der seit 2014 gültigen Richtlinie 2014/34/EU (Atex) definiert. Doch weil nationale Normen außerhalb Europas oft abweichen, ist der Aufwand für die Entwicklung und Zulassung solcher Geräte hoch.

Betreiber sind in der Verantwortung

Für die Sicherheit verantwortlich sind allerdings nicht die Hersteller von Anlagenkomponenten, sondern die Betreiber der Anlagen. Sie selbst müssen sicherstellen, dass ihre Mitarbeiter und die Umwelt keinen Schaden erleiden. Dazu müssen sie die Risiken ihrer Prozesse beurteilen und Anlagen, in denen brennbare Stoffe verarbeitet werden, in Gefahrenzonen einteilen, Maßnahmen treffen und diese im Explosionsschutzdokument festhalten.

Dass trotz hoher regulatorischer Hürden immer mehr Unternehmen Lösungen für den Explosionsschutz anbieten, hat einen Grund: Explosionsschutz ist ein Milliardenmarkt mit Potenzial. Nach Angaben des Beratungsunternehmens ARC wurde 2017 weltweit explosionssichere Anlagenausrüstung im Wert von 4,6 Mrd. US-Dollar verkauft. Bis 2023 wird der Markt den Marktforschern zufolge jährlich um 5 % wachsen.

Für Hersteller von Explosionsschutzausrüstung ist dies zunächst erfreulich. Allerdings weckt das schiere Marktvolumen auch das Interesse schwarzer Schafe: Immer häufiger werden Fälle publik, in denen für den Einsatz in Ex-Zonen ungeeignete Geräte mit gefälschter Ex-Zulassung ausgeliefert wurden. Das können Druckentlastungseinrichtungen sein, die im Zweifelsfall nicht oder zu spät öffnen, oder – was der weitaus häufigere Fall ist – elektrische Geräte, die trotz CE-Kennzeichnung und Atex-Zertifikat zur Zündquelle werden. Häufig sind dies Mobiltelefone, Tablet-Computer oder andere Bediengeräte, aber auch Lampen und Leuchten. Es lohnt sich also, genau hinzuschauen. Oft lassen sich die häufig aus Fernost bezogenen Geräte über eine fehlerhafte Ex-Kennzeichnung entlarven.

Ex-Schutz-Know-how tut not

Worker checking valves on the fuel supply systems. Concept of industry

... doch A und O bleibt im Explosionsschutz das Sicherheitsbewusstsein der Anlagenfahrer. Bild: bobex73 – stock.adobe.com

Neben neuen Geräten für den Einsatz im Ex-Bereich haben auch Änderungen in den Anwendungen und Verfahren Konsequenzen für den Explosionsschutz. Der Trend zur Produktion on Demand und zu Spezialprodukten („Losgröße 1“) kann die Sicherheitseigenschaften eines Produkts komplett verändern. So sind Fälle bekannt, bei denen der Zusatz von Vitaminen zu einer Lebensmittelrezeptur dazu führte, dass sich die Reaktivität des Produktstaubs (KSt-Wert) verdoppelte.

Gleichzeitig beobachten Branchenkenner, dass Know-how und Sicherheitsbewusstsein der Anlagenfahrer im Hinblick auf den Brand- und Explosionsschutz sinken. Vor allem in Branchen, in denen sich Unfälle weniger stark auf das Unternehmensimage auswirken, ist die Bereitschaft in Know-how und Explosionsschutz zu investieren, weniger ausgeprägt. Dazu kommt der Trend, dass blindes Vertrauen in die Technik und die Lieferanten auf der Seite der Betreiber immer öfter das eigene Risikobewusstsein ersetzen und dann das grundlegende Verständnis für den Explosionsschutz fehlt.

Dem begegnen die Hersteller von Ex-Schutzeinrichtungen mit Beratungsdienstleistungen, aber auch mit noch mehr Technik: Sensoren und Überwachungssysteme sollen die sicherheitstechnische Ausrüstung im Blick behalten und dafür sorgen, dass Explosionsereignisse nicht unerkannt bleiben. Denn häufig werden kleinere Ereignisse im Betriebsablauf verschwiegen und systematische Fehler deshalb nicht erkannt.

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