Die EU will die Mengen an Kunststoffabfällen reduzieren.

Plastik bietet einen viel zu großen Wert, um im Müll zu landen. (Bild: vchalup - fotolia)

Das Ziel ist ehrgeizig: die „Alliance to End Plastic Waste“ (AEPW) hat sich nicht weniger vorgenommen, als ihr Name angibt, nämlich den Eintrag von Plastikmüll in die Umwelt sowie das bereits in der Umwelt vorhandene Plastik zu eliminieren. Ein besonderer Fokus soll dabei dem Plastik in den Ozeanen gelten, da hier besonders hoher Handlungsbedarf besteht. Prognosen zufolge könnte schon in etwas über zwanzig Jahren mehr Plastik als Fisch in den Weltmeeren schwimmen.

Kooperation über die Wertschöpfungskette hinaus

Während es zwar schon verschiedene Programme zur Reduktion von Plastikmüll gebe, wie Verbote von Plastiktüten, Strohhalmen, Einwegbesteck und Ähnlichem, seien diese bislang nur begrenzt effektiv, erklärte die moderierende Journalistin Hannah Vaughan Jones in ihren einleitenden Worten zur Verkündung der Unternehmensallianz in London am Mittwoch, 16.01.2019. Jones befragte einige hochrangige Vertreter von teilnehmenden Unternehmen über Sinn und Zweck sowie geplante Vorgehensweise der Allianz gegen den Plastikmüll.

David Taylor, CEO des Konsumgüterkonzerns Procter & Gamble, betonte das Ausmaß, in dem die AEPW die gesamte Wertschöpfungskette des Bereichs Plastik abdeckt: Beteiligt sind Rohstofflieferanten, Chemiekonzerne, Kunststoffproduzenten, Konsumgüterhersteller und Recycling-Unternehmen aus aller Welt. Darüber hinaus soll die Zusammenarbeit nicht nur Konzerne entlang der Wertschöpfungskette umfassen, sondern sich auch auf Regierungen, Nicht-Regierungs-Organisationen und Investorengruppen erstrecken.

„Nachhaltige Lösungen können wir nur gemeinsam entwickeln, wenn wir entlang der gesamten Wertschöpfungskette zusammenarbeiten", sagt Hans van Bylen, Vorstandsvorsitzender von Henkel und Präsident des VCI. (Bild: Henkel)

„Nachhaltige Lösungen können wir nur gemeinsam entwickeln, wenn wir entlang der gesamten Wertschöpfungskette zusammenarbeiten", sagt Hans van Bylen, Vorstandsvorsitzender von Henkel und Präsident des VCI. (Bild: Henkel)

„Zusammenarbeit ist alles“, sagte BASF-Chef Martin Brudermüller, wenn es darum gehe „den unvorstellbaren Wert von Plastik“ zu erschließen und aus Plastikmüll Mehrwert zu schaffen. Zwar nicht vor Ort in London, sondern in eigenen Mitteilungen schlossen sich Kollegen aus Deutschland dieser Einschätzung an: „Nachhaltige Lösungen für diese Herausforderungen können wir nur gemeinsam entwickeln, wenn wir entlang der gesamten Wertschöpfungskette zusammenarbeiten – von Zulieferern, Handelspartnern, Verbrauchern und Organisationen bis hin zu Regierungen“, sagte Hans Van Bylen, Vorstandsvorsitzender von Henkel. „Wir bei Covestro sind überzeugt, dass Kunststoffe viel zu wertvoll sind, um als Müll in der Umwelt zu enden. Sämtlicher Abfall sollte als Ressource betrachtet werden“, erklärte der Vorstandsvorsitzende des Kunststoffherstellers, Dr. Markus Steilemann.

1,5 Milliarden Dollar in fünf Jahren

Peter Bakker, CEO des Weltwirtschaftsrates für Nachhaltige Entwicklung (WBCSD), bezeichnete das Ausmaß der von der Allianz geplanten Kooperation auf der Verkündung in London als „bislang beispiellos“ sowohl in der Anzahl der beteiligten Unternehmen und Organisationen als auch der geografischen Ausdehnung, und auch in den gesteckten Zielen sowie der Finanzierung: Rund eine Milliarde US-Dollar haben die 29 Partnerunternehmen bereits zugesagt, in den nächsten fünf Jahren wollen sie mindestens 1,5 Mrd. Dollar in die Arbeit der Allianz investieren. Die AEPW arbeitet mit dem WBCSD als strategischem Partner sowie dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) zusammen.

Das Geld soll in Projekte fließen, die „augenblickliche Wirkung und anhaltende Wirkung“ bei der Beseitigung von Plastikmüll zeigen, so Bob Patel, CEO des Chemiekonzerns Lyondellbasell. Diese Projekte sollen dabei einer oder mehreren von vier Säulen zuzuordnen sein, auf denen sich die Allianz aufbaut. Entscheidend sei schnelles Handeln bei allen dieser vier Säulen.

Vier tragende Säulen

Die erste Säule ist der Aufbau der nötigen Infrastruktur: Logistikzentren zum Einsammeln von Plastikabfällen auf kommunaler Ebene, Sortieranlagen zum Trennen verschiedener Kunststoffe sowie Recyclinganlagen zur Wiederverwertung oder chemischen Umwandlung der Polymere in ihre Bestandteile seien wichtige Schlüsselelemente, betont Jean-Marc Boursier, Senior Executive Vice President des Versorgungs- und Abfallmanagement-Unternehmens Suez. Als zweite Säule nennen die Partner Innovationen aller Art. Neuentwicklungen, etwa bei Recyclingverfahren oder neuen Werkstoffen und Ressourcen, sollen gemeinsam entwickelt und so schnell wie möglich der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden.

Nur mit kompletter Kreislaufwirtschaft lässt sich Plastik nachhaltig nutzen, betont Jim Fitterling, CEO von Dow Chemical. (Bild: Dow)

Nur mit kompletter Kreislaufwirtschaft lässt sich Plastik nachhaltig nutzen, betont Jim Fitterling, CEO von Dow Chemical. (Bild: Dow)

„Wir müssen neue Produkte und Technologien erforschen“, sagte Jim Fitterling, CEO des Chemieriesen Dow, denn „die Nachhaltigkeit von Plastik lässt sich nicht leugnen“. Demzufolge helfen Plastikverpackungen dabei, Nahrungsmittel länger frisch zu halten und weniger zu verschwenden. Alternativen zu vielen Plastikverpackungen belasteten die Umwelt während ihrer Produktion vier bis fünfmal mehr als Plastik. Für Nachhaltigkeit mit Plastik seien jedoch Technologien für eine vollständige Kreislaufwirtschaft zwingend erforderlich.

Die dritte Säule sind Investitionen in Aufklärungsarbeit und Kontakt mit der Bevölkerung. Auch die Verbraucher sollen über die eingerichteten Recyclingprozesse informiert werden und verstärkt ein Bewusstsein dafür entwickeln, Plastikabfälle zu reduzieren und wiederzuverwerten. Die vierte Säule schließlich sind Bemühungen, bereits in der Umwelt angehäuften Plastikmüll zu entfernen.

Dieser letzte Schritt widmet sich besonders den Ozeanen, in denen sich das Plastik letztendlich sammelt. „Plastik in den Ozeanen beginnt als Müll an Land“, erklärte Laurent Auguste, Senior Executive Vice President des Umwelttechnik-Unternehmens Veolia. Vor allem über Flüsse gelangt das Plastik dann in die Meere. Insbesondere in den wachsenden Volkswirtschaften in Südostasien steigt derzeit mit dem Lebensstandard auch die Menge an produziertem Plastikmüll. Geschätzte 60 % des Plastiks in den Ozeanen stamme aus nur fünf Ländern in dieser Region, so Auguste. Darum will die AEPW der Region Südostasien besondere Aufmerksamkeit widmen.

Von der Quelle an die Frontlinie

Ein Beispiel für ein von der AEPW unterstütztes Projekt ist „Renew Oceans“ am Ganges-Fluss in Indien. Der Ganges befördert allein jedes Jahr rund 1 Milliarde Kilogramm Plastik in den Ozean. Er ist damit einer von zehn Flüssen auf der Erde, die allein 90 % des Plastiks in die Ozeane spülen. Um das Plastikproblem in den Ozeanen an einer seiner Quellen zu bekämpfen, nutzt das Projekt ab 2019 die Biozaun-Technologie des Unternehmens Renewlogy, um Plastikabfälle einzufangen und umzulenken. Unternehmensgründerin und CEO Priyanka Bakaya will im Rahmen des Projekts auch stark mit der Bevölkerung vor Ort zusammenarbeiten. Da das Müllsammeln entlang des Flusses für viele Familien eine wichtige Einkommensquelle ist, sollen diese Familien am Wert des gesammelten Plastiks teilhaben und in den Recyclingprozess eingebunden werden.

Ein Teil der Investitionssumme von 1,5 Mrd. US-Dollar geht außerdem an das „Incubator Network“, ein 2018 von der Investmentfirma Circulate Capital gegründetes Netzwerk. Dieses unterstützt Start-ups, die Technologien und Geschäftsmodelle zum Vermeiden von Plastikmüll in den Ozeanen und allgemein für verbessertes Abfallmanagement entwickeln. Ziel ist auch, „das Kapital für Infrastruktur in Südostasien zusammenzubringen“, so Rob Kaplan, CEO und Gründer der Investmentfirma. Man wolle „Ressourcen an die Frontlinie schaffen.“

“Wir können den Plastikmüll beseitigen”

"Ich lade alle Unternehmen ein, die Teil der Wertschöpfungskette sind, sich uns anzuschließen", so der Aufruf von David Taylor, CEO von Procter

"Ich lade alle Unternehmen ein, die Teil der Wertschöpfungskette sind, sich uns anzuschließen", so der Aufruf von David Taylor, CEO von Procter & Gamble. (Bild: Procter & Gamble)

Die derzeitige Situation der wachsenden Plastik-Müllberge bezeichnet Lyondellbasell-CEO Patel als „unakzeptabel, und das muss gelöst werden.“ Es handele sich jedoch um eine Herausforderung, die sich nicht an einem Tag lösen ließe, aber ein Anfang sei gemacht. Auf die Frage, ob sich das Plastikproblem noch während unserer Lebenszeit lösen ließe, und was dazu nötig sei, antwortet der Vorsitzende des WBCSD Bakker: “Es wären noch viel mehr Firmen nötig.” Dem schließt sich Procter&Gamble-Chef Taylor an: „Ich lade alle Unternehmen ein, die Teil der Wertschöpfungskette sind, sich uns anzuschließen. Wir können Veränderungen bewirken und den Plastikmüll beseitigen.“

Gründungsmitglieder der AEPW sind: BASF, Berry Global, Braskem, Chevron Phillips Chemical, Clariant, Covestro, Dow, DSM, Exxonmobil, Formosa Plastics, Henkel, Lyondellbasell, Mitsubishi Chemical, Mitsui Chemicals, Nova Chemicals, Oxychem, Polyone, Procter & Gamble, Reliance Industries, Sabic, Sasol, Suez, Shell, SCG Chemicals, Sumitomo Chemical, Total, Veolia und Versalis.

(ak)

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