Erde Energie

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  • Anstrengungen zu mehr Energieeffizienz sind ein wichtiger Schlüssel, um die globalen Klimaziele zu erreichen, haben aber in den letzten Jahren zusehends nachgelassen.
  • Die Corona-Pandemie hat dem einen weiteren Schock hinzugefügt und Investitionen in Effizienzmaßnahmen – trotz zahlreicher Konjunkturpakete – unattraktiver gemacht.
  • Schon vor Corona haben in Deutschland die Industrie und die anderen Sektoren die Effizienzziele zuletzt deutlich verfehlt.

Das ohnehin schon schleppende Tempo im Bereich Energieeffizienz hat sich so laut einem Bericht der Internationalen Energiebehörde IEA aufgrund der globalen wirtschaftlichen Lage 2020 weiter verlangsamt. Schon seit 2015 sind demnach die weltweiten Fortschritte bei der Primärenergieintensität, also dem Verbrauch von Primärenergie im Vergleich zur Wirtschaftsleistung, rückläufig. Die Covid-19-Krise sorgt nun aber für zusätzliche Belastungen. Infolge der wirtschaftlichen Krise und der damit verbundenen anhaltend niedrigen Energiepreise erwartet die IEA für 2020 eine Verbesserung der Energieintensität um nur 0,8 %. Die ist die schwächste Rate seit zehn Jahren und entspricht etwa der Hälfte des Fortschritts von 2019 (1,6 %) und 2018 (1,5 %) – wobei schon diese Raten deutlich unter dem Niveau lagen, das die IEA als notwendig ansieht, um die globalen Klima- und Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.

Corona macht Effizienzmaßnahmen unattraktiv

Besonders besorgniserregend für die Zukunft ist dabei der weltweit zu beobachtende Einbruch der Investitionen in Energieeffizienz – also in industrielle Anlagen, aber auch private und öffentliche Gebäude oder Fahrzeuge. Dieser Trend hat sich mit der durch die Pandemie ausgelöste Wirtschaftskrise noch verschärft, heißt es in dem Bericht. In der Industrie und im Gewerbe haben sich durch die niedrigeren Energiepreise die Amortisationszeiten für eigentlich wichtige Effizienzmaßnahmen um 10 bis 40 % verlängert und diese dadurch deutlich unattraktiver gemacht. Auch in den anderen Sektoren hat sich etwa die Anschaffung von moderneren PKW verlangsamt – ebenso wie voraussichtlich der Bau von effizienteren Gebäuden. Insgesamt schätzt die IEA, dass die weltweiten Investitionen in Energieeffizienz im Jahr 2020 um 9 % gesunken sein werden.

Entwicklung der weltweiten  Engergieeffizienz-Verbesserungen
Entwicklung der weltweiten
Engergieeffizienz-Verbesserungen: Das Coronajahr 2020 versetzte den Verbesserungen der Energieintensität einen weiteren Schlag – auf ohnehin niedrigem Niveau. Daten: IEA

Die IEA fordert daher die nationalen Regierungen weltweit auf, die Energieeffizienz in ihren Konjunkturpaketen deutlich stärker zu berücksichtigen. Bis Ende Oktober hat die IEA in den Konjunkturpaketen Energieeffizienz-Maßnahmen in Höhe von 66 Mrd. US-Dollar registriert. Diese Anstrengungen beurteilt die Energieagentur als unzureichend und gleichzeitig unausgewogen, etwa im Hinblick auf die verschiedenen Sektoren: Mehr als 60 % der Mittel für Energieeffizienz-Maßnahmen konzentrierten sich demnach entweder auf den Gebäudesektor (26 Mrd. US-Dollar) oder die Elektromobilität (20 Mrd. US-Dollar). Und auch regional diagnostiziert die Energieagentur ein Ungleichgewicht: Ganze 86 % der weltweit angekündigten öffentlichen Aufwendungen für Energieeffizienz kommen aus Europa, die restlichen 14 % verteilen sich auf den asiatisch-pazifischen Raum und Nordamerika. Dabei sollte Energieeffizienz ganz oben auf der To-do-Liste jeder Regierung stehen: Neben den ökologischen Vorteilen sei die Energieeffizienz auch ein Job-Motor, bringe die Wirtschaft in Schwung und spare den Verbrauchern Geld. „Es gibt keine Ausrede, nicht viel mehr Ressourcen dafür einzusetzen“, erklärte daher IEA-Exekutivdirektor Fatih Birol. Schon durch die bisher angekündigten Maßnahmen könnten zwischen 2021 und 2023 etwa 1,8 Mio. Vollzeitarbeitsplätze geschaffen werden, 16 % davon in der Industrie.

Energieintensität in der Industrie könnte sogar zunehmen

Die Energieintensität in der Industrie könnte jetzt sogar steigen.
Energieintensität in der Industrie eyetronic – stock.adobe.com (Bild: eyetronic – stock.adobe.com)

Während die Fortschritte also eher schleppend verlaufen, könnte die Energieintensität im Sektor Industrie sogar zunehmen. Das liegt daran, dass vorgelagerte energieintensive Industrien – wie etwa der Chemieindustrie – einen höheren Anteil an der weltweiten Gesamtproduktion einnehmen. In Europa und den USA lag beispielsweise die Automobilproduktion – ein weniger energieintensiver Fertigungsprozess – in der ersten Jahreshälfte 2020 etwa 30 % unter dem Vorjahr, während etwa die sehr energieintensive Metallherstellung nur um ca. 15 % zurückging. Ein weiterer Effekt: Die wirtschaftliche Unsicherheit derzeit dürfte dazu führen, dass Industrieunternehmen ihre Investitionen neu priorisieren. Und hier haben – wie bereits erwähnt – Effizienzmaßnahmen derzeit einen schweren Stand, da die Energiepreise ohnehin weiterhin niedrig bleiben dürften.

Die Corona-Pandemie hat daneben auch große Auswirkungen auf die anderen Sektoren. So hat die Pandemie etwa im Verkehrsbereich zu einer deutlich niedrigeren Auslastung von Flugzeugen sowie im öffentlichen Fern- und Nahverkehr geführt, wodurch der Energieverbrauch pro Flug- bzw. Fahrgast und zurückgelegtem Kilometer steigt. Auch in Büros steigt die Energieintensität, wenn sich mehr Mitarbeiter im Homeoffice befinden. Zudem wird hier mehr gelüftet – und Lüftung macht schon ohne Pandemie etwa 30 % der Energiekosten eines Gebäudes aus. Einen Lichtblick sieht die IEA immerhin im Bereich Haushaltsgeräte: Demnach weisen die Daten darauf hin, dass die privaten Haushalte weltweit mehr in den Kauf neuerer Geräte investieren und einige ineffiziente Modelle ersetzen.

Deutschland taugt derzeit nicht als Vorbild

Dass die Corona-Pandemie nicht alleine für die geringen Fortschritte bei der Energieeffizient verantwortlich gemacht werden kann, zeigt ein Blick auf Deutschland. Schon 2019 wurden hierzulande die Erwartungen in einen kontinuierlichen Anstieg der Energieeffizienz, wie die aktuellen Zahlen zeigen, welche die Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen im November 2020 veröffentlicht hat. Vor allem in der Industrie und im Verkehrsbereich hat sich die Energieeffizienz demnach wieder verschlechtert. Die privaten Haushalte und der Sektor Gewerbe-Handel-Dienstleistungen verzeichneten zwar Zugewinne, bleiben aber ebenfalls deutlich hinter den Zielmarken zurück: Die Bundesregierung strebt eine Steigerung der Energieproduktivität bezogen auf den Endenergieverbrauch um durchschnittlich 2,1 % pro Jahr an.

Ausgaben für Energieeffizienz-Maßnahmen in den weltweiten Konjunkturpaketen
Nationale Regierungen investieren in ihren Konjunkturpaketen derzeit vor allem in den Gebäudebereich. Daten: IEA

Diese Zielmarke konnte jedoch auf lange Frist keiner der Sektoren erfüllen. Im Zeitraum 1991 bis 2019 lag die bereinigte gesamtwirtschaftliche Effizienzverbesserung bei rund 1,4 % pro Jahr. Für die Industrie steht dabei noch ein geringeres Plus von durchschnittlich 1,0 %. Ein Grund dafür: Die Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen in der Industrie erfordert typischerweise hohe Investitionen. Und diese sind nach Einschätzung der AG Energiebilanzen in den zurückliegenden Jahren auch infolge unklarer industriepolitischer Rahmenbedingungen insbesondere in den energieintensiven Branchen zunehmend unterblieben. Ein Problem in der Industrie war zuletzt vor allem die Effizienz des Brennstoffeinsatzes. Diese nahm 2019 gegenüber dem Vorjahr um 3,2 % ab. Beim Stromeinsatz war dagegen bezogen auf 1.000 Euro Bruttoproduktion ein Anstieg von 1,2 % zu verzeichnen. Insgesamt steht für die Energieeffizienz der deutschen Industrie 2019 ein Minus von 2,2 %.

Haushalte, Handel und Verkehr nicht besser als die Industrie

Die privaten Haushalte dagegen konnten 2019 ihren Wärme- und Brennstoffbedarf pro Wohnfläche um
1,6 % senken. Die Effizienz des Stromeinsatzes der Haushalte verbesserte sich sogar um 1,8 %. Damit hat sich der auf die Wohnfläche bezogene Energieeinsatz seit 1991 um beinahe ein Viertel vermindert. Der Jahresdurchschnittswert der zurückliegenden drei Jahrzehnte erreicht allerdings nur eine Höhe von 0,8 % und liegt damit ebenfalls deutlich unter dem Zielwert von 2,1 %. Nach Einschätzung der AG Energiebilanzen liegen vor allem im Bevölkerungszuwachs aber auch in der unzureichenden Ausschöpfung vorhandener Effizienzpotenziale wesentliche Gründe, dass die privaten Haushalte auch bei der Einsparung von Treibhausgasen nicht mit den Zielen Schritt halten.

Im Verkehrsbereich hat sich nach den aktuellen Zahlen die Energieeffizienz im Jahresvergleich 2018/19 um rund 0,4 % verschlechtert. Jahresdurchschnittlich kommt dieser Sektor seit 1990 auf Effizienzverbesserungen von 1,2 %. 2019 führten niedrige Kraftstoffpreise, der anhaltende Trend zu PS-starken Fahrzeugen und die verhaltenen Zulassungen für Fahrzeuge mit alternativen Antriebstechniken dazu, dass erheblichen Potenziale für Effizienzverbesserungen ungenutzt blieben.

Entwicklung der Engerieeffizienz in Deutschland, pro Jahr (1991-2019)
Entwicklung der Engerieeffizienz in Deutschland, pro Jahr (1991-2019): In Deutschland hat auf längere Perspektive keiner der Sektoren das Effizienzziel erreicht. Daten: AG Energiebilanzen

Auch der Sektor Gewerbe-Handel-Dienstleistungen verzeichnete 2019 eine Effizienzverschlechterung von 1,6 %. Seit 1990 liegt die Zunahme der Effizienz im Jahresdurchschnitt bei 1,7 % und nähert sich damit am stärksten der Zielmarke der Bundesregierung an. Während beim Brennstoffeinsatz in diesem Sektor bezogen auf die Bruttowertschöpfung 2019 Effizienzrückgänge von überdurchschnittlichen 2,8 % verzeichnet werden konnten, kam es beim Stromeinsatz zu einer deutlichen Verbesserung um 3,4 %. Bezogen auf den Endenergieverbrauch aller Sektoren ergibt sich für 2019 eine Steigerung der Energieeffizienz um rund 0,4 % gegenüber 2018. Der langjährige Durchschnittswert liegt mit 1,2 % deutlich unter der Zielmarke. Für Deutschland also gilt wie für die Welt insgesamt: Die Effizienz-Anstrengungen müssen in allen Sektoren weiter verstärkt werden, um die globalen Klimaziele zu erfüllen. Die gute Nachricht dabei: Richtig verstanden kann Energieeffizienz dann auch zu einem wichtigen Motor für den „Neustart“ der Wirtschaft nach der Corona-Pandemie werden.

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