Abb3_Einbringen des Hochdruck-Dampfkessels
  • Das Praxisbeispiel zeigt, wie eine systematische und umfassende Betrachtung der im Unternehmen vorliegenden Ausgangssituation die Energieeffizienz und damit die Kosteneffizienz deutlich verbessern kann.
  • Bei der Überarbeitung eines ersten Konzepts traten zahlreiche, zunächst unberücksichtigte Faktoren auf, die entscheidende zusätzliche Energiesparmaßnahmen ermöglichten.
  • Trotz zunächst verdoppelter Investitionskosten betrug der Return on Invest nur 2,7 Jahre, während der Energieverbrauch um 23 % sank und so Kosten und CO2-Emission eingespart wurden.
Abb2_Einbringen des Erdgas-BHKW

Ein Blockheizkraftwerk gilt als einfache Möglichkeit, Energiekosten zu senken. Solche Maßnahmen sollten aber sorgfältig und vor allem umfassend geplant werden.

Nicht berücksichtigte Rahmenbedingungen, Prozessanforderungen und Betriebsbedingungen führen zu Nachträgen im Anlagenbau oder reduzieren die erwarteten Erlöse während des Anlagenbetriebes. Teilweise droht sogar die Stilllegung des BHKW, da energiewirtschaftliche Gesetze sträflich missachtet werden. Entsprechend wichtig ist die Frage: Wie kann ein Industrieunternehmen die heutigen technischen, kaufmännischen und energiewirtschaftlichen Anforderungen in praxistaugliche Lösungen zur Steigerung der Kosteneffizienz umwandeln?

So führte der Blick auf den Strom- und Erdgaslastgang in einem Industrieunternehmen der Lebensmittelbranche zur Entscheidung, ein BHKW mit einer elektrischen Leistung von mehr als 2.000 kW zu installieren. Da kein Heizungssystem vorhanden war, sollte eine Absorptionskältemaschine die Abwärme zur Industriekühlung bis -30 °C verwenden. Die finanzierende Bank wollte die Investitionssumme von rund 2 Mio. Euro absichern und bat um eine unabhängige Stellungnahme.

Neue Strategie für unberücksichtigte Faktoren

Bei einer umfänglichen Begehung und systematischen Analyse des Industrieunternehmens mit seinen Produktionsprozessen, Prozessanforderungen, Energieversorgungssystemen und Energieerzeugungsanlagen kam die Notwendigkeit zum Umdenken auf. Bei den bisherigen Betrachtungen waren zahlreiche Faktoren unberücksichtigt, nämlich:

  • die vorhandenen Potenziale zur Energieeinsparung,
  • die Möglichkeiten zur Umstellung von Hochdruckdampf auf ein klassisches Heizwassersystem,
  • die Optimierung der Betriebsabläufe,
  • die Betriebskosten (Versicherung, Wartung und Instandhaltung, Personal),
  • die mangelnden Versorgungssicherheiten,
  • die prozessbedingten Abluftreinigungsanlagen,
  • die prozessrelevanten Anforderungen an die Energieversorgung,
  • der vorhandene Sanierungsstau,
  • die notwendige übergeordnete Regelungs­technik,
  • die geplante Unternehmensentwicklung.

Der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung fehlte daher das zwingend benötigte Fundament, um eine Finanzierung sicherzustellen. Die technische und kaufmännische Lösung war darum zu überarbeiten. Ziel war es, alle notwendigen betrieblichen, technischen, genehmigungsrechtlichen und energiewirtschaftlichen Aspekte zu betrachten, zu bewerten und in eine neue Gesamtlösung zu überführen.
Ein wesentlicher Punkt bei der neu entwickelten Strategie zur Projektentwicklung war die Analyse und Optimierung von innen nach außen, also von den Prozessen ausgehend, bis hin zu der Energiebeschaffung. Nur so ließ sich sicherstellen, dass alle Effizienzpotenziale und Betriebsabläufe erkannt und berücksichtigt wurden. Nach der Analyse und Konzeptentwicklung identifizierten die Berater insgesamt elf wirtschaftliche Einsparmaßnahmen, von denen acht unmittelbar umgesetzt wurden. Die restlichen Maßnahmen wurden aus strategischen Gründen zurückgestellt, um sie im Rahmen der anstehenden Produkt- und Prozessentwicklung erneut zu bewerten und zu entscheiden.

Dampf- und Wärmeverteilung

Die systematische Analyse ergab, dass rund 7.000 kg/h Dampfleistung durch ein Pumpenwarmwassersystem substituiert werden konnten. Dies hatte zur Folge, dass nun Wärmeverbraucher vorhanden waren, die mit der Motorenwärme des BHKW sowie weiterer Wärmerückgewinnungspotenziale versorgt werden konnten. Darüber hinaus war die Voraussetzung für alternative Energieerzeugungsanlagen wie Warmwasserkessel oder Wärmepumpen geschaffen. Diese Situation eröffnete zusätzliche Handlungsoptionen für die Entwicklung des neuen Energiekonzeptes.
Die prozessbedingt notwendige Reinigung der Rauchgase aus den Rauchkammern geschah bislang durch eine thermische Nachverbrennung (TNV). Die Anlage erzeugte neben der Rauchgasreinigung Hochdruckdampf für die Produktionsprozesse. Der Jahresnutzungsgrad dieser Kesselanlage lag jedoch nur bei rund 35 %. Eine neu installierte Abluftreinigungsanlage reduzierte den Energieverbrauch um rund 6.800 MWh/a und damit das ausgestoßene CO2 um 1.700 t/a. Aus dem Rauchgas ließ sich darüber hinaus eine Wärmeleistung von rund 280 kW auskoppeln und in das neue Heizungsnetz einspeisen.

Den zuvor genutzten Dampf stellten zwei Hochdruckdampfkessel mit einer Gesamtleistung von 22 t/h bereit. Deren Jahresnutzungsgrad lag zwischen 35 % und 85 %. Der ältere der beiden Kessel wurde durch einen neuen 4-Zug-Dampfkessel mit einer Leistung von 10 t/h und einem Dampfdruck von 10 bar ersetzt. Der vierte Zug wurde speziell für dieses Projekt installiert, er nutzt die Abgaswärme der geplanten BHKW-Anlage zur Dampferzeugung. Diese Anlagenkonfiguration spart Aufstellungsfläche, da der sonst übliche singuläre, dem BHKW nachgeschaltete Abhitzekessel zur Dampferzeugung entfällt. Die Lösung stellt außerdem sicher, dass die Abgaswärme des BHKW immer vorrangig genutzt wird. Der Dampfkessel ist zusätzlich mit einem modulierenden Erdgasbrenner ausgestattet, sodass eine bedarfsgerechte Dampferzeugung jederzeit möglich ist. Die Modernisierung der Anlagentechnik, der übergeordneten Regelungstechnik und neuen Kondensatwirtschaft spart rund 5.800 MWh/a an Erdgas und reduziert damit CO2-Emissionen um etwa 1.400 t/a. Die Verluste sinken von 65 % unter 10 %.

Mehr Wärme durch Rückgewinnung

Zur Wärmerückgewinnung wurden verschiedene Systeme in die Anlagentechnik integriert. Das aus den Kochprozessen anfallende Autoklaven-Abwasser hat mit rund 40 °C und einer Dauerleistung von rund 375 kW ein erhebliches Wärmerückgewinnungspotenzial. Die vorhandenen Druckluftanlagen konnten bisher ihre Abwärme nicht auf das Wärmenetz übertragen. Hierzu wurden die vorhandenen Anlagen mit einer Abwärmeleistung von 100 kW durch das neue Heizungssystem in das Gesamtsystem eingebunden.

Da die verschiedenen Abwärmepotenziale auch unterschiedliche Temperaturniveaus haben, wurde eine kaskadierte Frischwasseranlage zur Prozesswassererwärmung installiert. Nach den Temperaturniveaus geordnet wird das benötigte Frischwasser mit einem Volumenstrom von rund 15 m³/h von 10 °C auf rund 40 °C vorerwärmt. Die restliche Nacherwärmung auf rund 85 °C erfolgt über die BHKW-Motorenwärme. Die Erdgaseinsparung beträgt 1.670 MWh/a, dies entspricht einer CO2-Reduzierung von 400 t/a.

Das gleiche System ersetzte eine veraltete und ineffiziente Wärmerückgewinnung aus der Ölkühlung der Kältemaschinen. Die neue Frischwasseranlage nutzt das vorhandene Abwärmepotenzial von 250 kW wesentlich effektiver und stellt die Versorgungsqualität des Prozesswassers sicher. Dies reduziert den Verbrauch an eingesetztem Reinigungsmittel und trägt wesentlich zur Umweltentlastung bei. Darüber erfüllt das System die hygienischen Anforderungen. Die Anlageneffizienz stieg um mehr als 60 %. Diese Modernisierung spart weitere 650 MWh/a an Erdgas, entsprechend 160 t/a CO2.

Eigener Strom und Wärmeübertragung

Die zahlreichen Effizienzmaßnahmen reduzierten den Erdgaslastgang und den damit verbundenen Wärmebedarf wesentlich. Aus diesem Grund erwies sich die zuerst geplante Eigenstromerzeugungsanlage als überdimensioniert. An dem Industriestandort wurde stattdessen eine nicht serienmäßige, hocheffiziente KWK-Anlage mit einer elektrischen Leistung von 1.200 kW sowie einer thermischen Leistung von 1.500 kW installiert. Das Unternehmen nutzt die erzeugten Strom-, Dampf- und Wärmemengen vollständig intern. Aufgrund der veränderlichen Produktions- und Betriebsbedingungen installierte der Betreiber einen Pufferspeicher mit einem Volumen von 100 m³. Die KWK-Anlage spart rund 2.000 t/a CO2 ein.

Prozessbedingt kommt innerhalb der Produktion Direktdampf zum Einsatz. Hierdurch ist es notwendig, permanent Permeat (voll entsalztes Wasser) aufzubereiten und dem Dampfsystem zuzuführen. Die Vorerwärmung des VE-Wassers geschieht mit Hilfe der Abgasströme des BHKW und des Dampfkessels. Sie erwärmen das VE-Wasser durch Brennwert-Wärmeübertrager um 45 Kelvin. Die Leistung dieser neu installierten Wärmeübertrager liegt beim Dampfkessel bei 264 kW und beim BHKW bei 535 kW. Diese Maßnahme spart wiederum Erdgas im Wert von 1.400 MWh/a und rund 350 t/a.

Energiebezugsentwicklung

Die implementierten Maßnahmen senkten den Verbrauch an Erdgas und Strom deutlich. Bilder: Müller Beckmann

Gesamtlösung der Effizienzverfahren

Im Rahmen des Projektes fanden außerdem umfangreiche Sanierungsmaßnahmen im Rohrleitungsbau sowie die Installation einer Wasserenthärtungsanlage zur Verbesserung des Anlagenbetriebes an den Produktionsmaschinen und eines neuen Speisewassermoduls inklusive neuer Entgasung statt. Die Investitionssumme aller beschriebenen Effizienzlösungen betrug 3,91 Mio. Euro. Die aufgeführten Maßnahmen sparen demgegenüber rund 1,43 Mio Euro/a und rund 6.440 t/a CO2 ein. Die CO2-Einsparungen dieser integralen Lösung sind mit 34 % überdurchschnittlich hoch.

Das Projektmanagement hatte dem Kunden die Projektrealisierung zum Festpreis ohne Nachträge zugesagt. Eine termingerechte Anlagengenehmigung war ebenfalls erforderlich, um die KWK-Förderung sicherstellen zu können. Obwohl hierfür nur drei Monate zur Verfügung standen und die Genehmigung durch die Behörde auf den Gesamtstandort ausgedehnt wurde, war das Ziel zu erreichen. Insbesondere die frühzeitige Integration des Anlagenbauers führte zu einem konstruktiven und lösungsorientierten Umsetzungsprozess. So war eine optimale Abstimmung zwischen Produktion, Energieversorgung und Anlagenbau möglich, was eine unterbrechungsfreie Produktion sicherstellte. Durch die systematische Analyse und Festlegung von Leistungszielen waren die Verantwortungen zwischen den Parteien eindeutig geregelt. Dies sicherte die Einhaltung des Termin- und Kostenrahmens. Nachträge ließen sich auf ein Minimum reduzieren oder ganz vermeiden.

Das Beratungsunternehmen übernahm auf Wunsch des Auftraggebers auch den Nachweis und die Sicherstellung der unternommenen Effizienzmaßnahmen. Damit erfüllt der Betreiber alle Anforderungen der DIN EN ISO 50003 und 50006. Ein aufgrund der Komplexität der Produktion und der gesamten Einflussfaktoren entwickeltes Energiemodell auf Basis der multivariaten Regressionsanalyse ermöglicht es darüber hinaus, Veränderungen zeitnah zu bewerten und Gegenmaßnahmen einzuleiten.

Fazit: Das umfassende Energiekonzept hat die Investitionssumme verdoppelt. Gleichzeitig sank die elektrische Leistung des geplanten BHKW von vorher über 2 MW auf realisierte 1,2 MW. Die Installation einer Absorptionskältemaschine mit einem Wirkungsgrad von 15 % entfiel gänzlich. Die frei gewordenen Investitionen flossen unter anderem in weitere Effizienzmaßnahmen. Insgesamt fiel die Wirtschaftlichkeit wesentlich höher aus: Der statische Return on Investment betrug trotz sehr hoher Sanierungsinvestitionen 2,7 Jahre. Ein um rund 23 % reduzierter Energieverbrauch, bezogen auf die Medien Strom und Erdgas, trägt entscheidend zur nachhaltigen Kostenreduzierung und zum Umweltschutz bei.

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