Zwei Männer in Anzug und Krawatte streiten wild gestikulierend

(Bild: be free – StockAdobe.com)

Also kehren sie ihr den Rücken zu. Dieselbe Gefahr droht Unternehmen. In politisch und wirtschaftlich unsicheren Zeiten sehnen sich viele Menschen nach einer „starken Führung“ – genauer gesagt nach einer Führung, die ihnen Halt und Orientierung gibt, sodass sie trotz aller Widrigkeiten ihre Zuversicht nicht verlieren. Dieses Gefühl kann ein Führungsteam Menschen nur vermitteln, wenn es sich nach außen erkennbar bei seinem Handeln von einer gemeinsamen Vision leiten lässt und sich dabei auf einen gemeinsamen Wertekanon stützt.


Einigkeit in der Führung

Diesen Teamspirit, der zu einem gemeinsamen Ziehen am selben Strang führt, vermissen aktuell viele Bundesbürger bei unserer Regierung. Stattdessen werden sie permanent Zeugen von Streitigkeiten in der Ampel-Koalition. Und kaum ist ein Zwist scheinbar beigelegt und die Regierungsvertreter verkünden „künftig agieren wir stärker als Team“ folgt bereits der nächste Streit.

Die Regierungsparteien sind sich einig, ist hingegen ein Gefühl, das den Bürgern selten vermittelt wird; stattdessen werden wider den Willenserklärungen immer neue Differenzen zur Schau gestellt. Dabei entsteht Vertrauen in eine Führung nur, wenn man bei dem Team in den Handlungen trotz aller punktuellen Meinungsunterschiede unter anderem eine wechselseitige Wertschätzung und das Bestreben, gemeinsam die anstehenden Aufgaben zu lösen, spürt. Dieser Teamspirit, der auf einer gemeinsamen Vision und Wertebasis basiert, ist unabhängig davon, wie stark die Fetzen fliegen, wenn das Top-Team hinter verschlossener Tür tagt.

Gemeinsame Werte und Ziele

Die Art von Zusammenhalt, die von gemeinsamen Werten und Zielvorstellungen getragen wird, fehlt unserer politischen Führung aktuell. Und das hat Konsequenzen. Die Umfragewerte von Bundeskanzler Olaf Scholz & Co. sinken immer weiter in den Keller, während die AfD erstarkt. Und seit Monaten wird darüber debattiert: Bricht die Koalition bald auseinander? Wäre es nicht besser, Neuwahlen durchzuführen? Das heißt, unsere Regierung wird von einer wachsenden Zahl von Bürgern als „lame duck“ wahrgenommen, der es zunehmend schwerfällt, etwas zu bewegen, selbst wenn sie etwas bewegen möchte. Keine idealen Voraussetzungen, um eine Zeitenwende zu vollziehen!


Zuversicht und Veränderungswillen

Studien belegen: Menschen werden von Positivität angezogen. Deshalb wird es für ein Führungsteam extrem schwierig, Menschen zu inspirieren, sie als Mitstreiter zu gewinnen und bei ihnen die nötige Veränderungsenergie zu erzeugen, wenn eine vergiftete Atmosphäre herrscht. Diese Atmosphäre entsteht durch Konflikte und Streitereien, die auch zu emotionalen Verletzungen führen, und Versuche, sich auf Kosten anderer zu profilieren.

Wenn ein Führungsteam selbst kein solidarisches Verhalten, bei dem jeder dem anderen auch mal Zugeständnisse macht, zeigt, dann kann es ein solches Verhalten auch nicht vom „Fußvolk“ erwarten. Wenn es selbst nicht die Zuversicht ausstrahlt „wir erreichen unser Ziel, wenn …“, dann kann es auch nicht erwarten, dass das „Fußvolk“ seine Ängste beiseite schiebt und die Schaufel in die Hand nimmt, um die nötigen Veränderungen zu vollziehen. Sowohl für die Politik als auch Wirtschaft gilt: Im Verhalten der Bürger beziehungsweise Mitarbeitenden spiegelt sich weitgehend das Verhalten der Führungsmannschaft wider.

Sich Zeit für die Menschen nehmen

Hinzu kommt: Haben die Betroffenen – seien dies Mitarbeitende oder Bürger – das Gefühl „unsere Führung ist primär mit sich selbst beschäftigt“, dann entsteht bei ihnen auch fast automatisch das Gefühl „die da oben interessieren sich nicht mehr für uns“ oder „die da oben nehmen unsere Bedürfnisse nicht mehr wahr“. Das ist unabhängig davon, wie oft die Verantwortlichen abends zum Beispiel als Politiker – nach einem gewiss anstrengenden Arbeitstag – in Talkshows sitzen und dort versuchen, den Bürgern ihre Entscheidungen und Handlungen zu erläutern.

Hinzu kommt ein weiterer Punkt: Wird in einem Führungsteam, weil eine gemeinsame Wertebasis und Vision und eventuell auch das nötige wechselseitige Vertrauen fehlen, auch das Treffen von Entscheidungen schwierig, entsteht automatisch ein Drang zum Durchreagieren, also Entscheiden ohne Einbezug der Betroffenen. Das heißt, es wird weitgehend nur noch mit Vorgaben reagiert oder geführt, gemäß der Maxime: „So haben wir es nun mal entschieden, also machen wir es auch so – Punkt. Aus. Basta.“

Keine Widerstände produzieren

Das erzeugt bei allen Betroffenen, denen ihre persönliche Autonomie wichtig ist, das Gefühl: Hilfe, meine (Entscheidungs- und Handlungs-)Freiheit und Selbstbestimmung werden verletzt oder sind bedroht. Also reagieren sie mit Ablehnung oder gar Widerstand. Dieses Phänomen, das in der Sozialpsychologe als Reaktanz bezeichnet wird, konnte man in den zurückliegenden Jahren außer in der Corona-Zeit, auch in der Debatte um den Einbau von Wärmepumpen gut betrachten. Bei ihr hatten nicht wenige Bürger das Gefühl: „Die Politiker mischen sich zu stark in unser Leben ein; sie schränken unsere Freiheit ein.“ Also zeigten sie Widerstand.

Ähnliche Probleme drohen aktuell vielen Unternehmen. Zum Beispiel, wenn es um die Frage geht, wie nutzen wir die Künstliche Intelligenz in unserer Organisation – ebenfalls ein Thema, bei dem sich viele Mitarbeitende nicht nur in ihrem Recht auf Selbstbestimmung, sondern sogar existenziell bedroht fühlen. Deshalb besteht auch hier die Gefahr, dass die Unternehmen auf erhebliche Widerstände und Akzeptanzprobleme stoßen, sofern ihre Führungskräfte kein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte der Mitarbeitenden haben und sie nicht ausreichend in ihre Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozesse einbinden, so dass die Betroffenen das Gefühl haben „ich werde gehört“.

Die Mitarbeitenden zu Beteiligten machen

Generell gilt: Wie offen Menschen für Veränderungen sind, hängt weitgehend von der Qualität ihrer Führung ab. Haben sie das Gefühl, meine Wünsche und Bedürfnisse werden wahr- und ernstgenommen und fließen in die Entscheidungen ein, entwickeln sie Vertrauen in ihre Führung sowie deren Ideen und Vorhaben.
Entsprechend wichtig ist ein Führungsstil, der gezielt den Dialog und den Diskurs mit den Betroffenen sucht und sich erkennbar an gemeinsamen übergeordneten Werten orientiert. Der Führungsstil sollte die Mitarbeitenden zu Beteiligten machen, ihnen einen konkreten Weg zum Ziel aufweisen sowie beim Erwerb neuer Kompetenzen und dem Einüben neuer Verhaltensweisen unterstützen.

Denn nur mit ihm können die Betroffenen – seien dies Mitarbeitende oder Bürger – als Mitstreiter gewonnen und die Herausforderungen unserer Zeit wirklich gemeistert werden; unter anderem, weil bei ihnen dann das Gefühl entsteht „wir sitzen alle im selben Boot“ und sind ein Team.

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