Am Kapital fehlt es nicht: Ob China, Indien, der Nahe Osten oder USA – internationale Finanzinvestoren und multinationale Konzerne sind überall auf der Welt auf der Suche nach lukrativen Investitionsmöglichkeiten. Die dominierenden Faktoren bei der Standortwahl sind einerseits Wachstumsmöglichkeiten, auf der anderen Seite ist politische Stabilität gefragt. Angesichts des beeindruckenden Wachstums der asiatischen Märkte schien der europäische Raum in den vergangenen zehn Jahren aus dem Blickfeld der Investoren zu verschwinden. Zu Unrecht, glauben die Betreiber der hiesigen Chemieparks, und ein einfaches Zahlenbeispiel bestätigt diese Sicht: 2% Wachstum in Europa übertrifft in absoluten Zahlen leicht ein 15%iges Wachstum in Asien. „Get Europe back on the chemical investment map“ heißt deshalb das Ziel der Non-profit-Vereinigung ECSPP, in der sich Chemiestandorte aus Deutschland, Benelux und Großbritannien zusammengefunden haben.
„Was haben Industrieparks in Deutschland ausländischen Investoren zu bieten und wie gehen Sie vor?“ lautete die Fragestellung des 9. Heidelberger Kamingesprächs, zu dem sich neun Chemiepark-Experten zusammengefunden hatten. Und gleich zu Beginn wurde klar, dass die Notwendigkeit, internationale Investoren für Aktivitäten an den Chemiestandorten zu gewinnen, von allen Chemiepark-Betreibern erkannt ist. „Die Kunst wird sein, ausländische Investoren zu finden, die hier neu anfangen“, meint Birgit Schneider, Geschäftsführerin der ChemCoast e.V., und Dr. Klaus-Dieter Juszak, Vorsitzender der Fachvereinigung Chemieparks/Chemiestandorte im Verband der Chemischen Industrie, VCI, ergänzt: „Wir brauchen die Investitionen in Techniken, die eine Zukunft haben. Und das heißt: Neu bauen.“
Doch Neuansiedlungen auf Freiflächen im Park sind bislang eher die Ausnahme. „Wir müssen das Thema Internationalisierung von innen heraus entwickeln“, erklärt Dr. Andreas Brockmeyer, Leiter Standortansiedlung bei Infraserv Höchst. Denn in der Regel sind Investoren aus dem internationalen Raum am Marktzugang und den vorhandenen Marktanteilen einzelner Unternehmen an europäischen Standorten interessiert und kaufen sich durch Übernahmen in die in Chemieparks ansässigen Unternehmen einschließlich der vorhandenen Produktion. „Diese Unternehmen sind die Kristallisationskeime“, stellt Juszak fest. Denn: Wachstum erfolgt in den Chemie- und Industrieparks in der Regel von innen heraus, indem die Ansiedler am Standort ihr Engagement ausweiten.
Der Ruf des Standorts D im Ausland ist besser als es scheint
Unterschiedlicher Meinung sind die Experten allerdings darin, welches Ansehen der Standort Deutschland im Ausland genießt und welche Kriterien bei der Standortwahl dominieren: So werden komplexe Steuergesetze, das umfangreiche Tarif- und Kündigungsrecht sowie strenge Umwelt- und Genehmigungsvorschriften zum Teil als Hemmnisse für Investitionen gesehen. Argumente, die Petronella Gerards, Head of Site Marketing, Nuon Industriepark Oberbruch, so nicht gelten lassen will: „Wir haben 500 ausländische Unternehmen dazu befragt – diese Punkte waren – bis auf die Personalfrage – kein Problem.“
Und auch das Argument des deutschen Kündigungs- und Tarifrechts lässt sich entkräften. Gerards: „Es ist durchaus möglich, die Personalkosten in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern günstig darzustellen.“ Denn neben einer hohen Produktivität der Arbeitskräfte, einer guten Ausbildung und einer hohen Qualität der Arbeit zählen auch die vergleichsweise niedrige Personalfluktuation und die in den vergangenen Jahren durch Öffnungsklauseln flexibilisierten Tarife zu den Vorteilen des Chemiestandorts Deutschland. „Viele Chemiepark-Betreiber geben sich große Mühe, die Kosten an den Standorten deutlich zu senken. Dazu kommt, dass wir die produzierenden Unternehmen auch temporär mit gut ausgebildetem Personal unterstützen können“, verdeutlicht Dr. Jörg-Michael Söder, Leiter Chemieparkmarketing bei Bayer Industry Services. „Bei World Scale-Anlagen spielen die Personalkosten keine Rolle. Je kleiner die Anlage, desto bedeutender werden die Arbeitskosten. Aber inzwischen sind auch Spezialtarife möglich. Diese Flexibilität müssen wir den Investoren spätestens im Stadium der intensiven Diskussion erklären“, meint Klaus-Dieter Juszak.
„Genehmigungsverfahren sind in Deutschland inzwischen deutlich schneller als in anderen europäischen Ländern“, berichtet Birgit Schneider. Einer Feststellung, der sich auch Hans-Jürgen Müggenborg, auf Chemieparkrecht spezialisierter Fachanwalt, anschließt: „Das Rechtssystem in Deutschland mag von außen kompliziert erscheinen, aber es funktioniert sehr gut und bietet den Unternehmen einen sicheren Rahmen.“
Chemieparks müssen ihre Leistungen besser verkaufen
Einen weiteren Vorbehalt, der aber inzwischen mehr und mehr an Bedeutung verliert, sehen Ingrid Knöpfle, Leiterin Öffentlichkeitsarbeit im Industriepark Gersthofen, und Jörg-Michael Söder in der Angst potenzieller Ansiedler, in einem großen, von einem „Major User“ geprägten Chemiepark die eigene Identität zu verlieren. Knöpfle: „Wir müssen den Unternehmen am Standort immer wieder deutlich machen, welchen Vorteil die Gemeinschaft im Industriepark bietet.“ Und ihr Kollege, Walter Kraus, Leiter Facility Management bei IGS, ergänzt: „Die Tatsache, dass es einen Standortbetreiber gibt, der den Industriepark entwickeln will, ist für die Ansiedler von großem Vorteil.“
Überhaupt ist das mögliche Leistungsspektrum der Chemieparks im Ausland, aber auch im Inland, häufig kaum bekannt: „Das reicht bis hin zu dem von der Sportmarke Nike praktizierten Prinzip: Der Investor konzentriert sich ausschließlich auf die Produktentwicklung und -vermarktung, alle anderen Aufgaben, wie zum Beispiel die Produktion, organisiert der Chemiepark-Betreiber“, erklärt Klaus-Dieter Juszak. Neben Aspekten wie geringen Fixkosten, die durch den Bezug von Leistungen wie Infrastruktur, Ver- und Entsorgung und anderen Services vom Parkbetreiber möglich werden, profitieren Ansiedler auch von den am Standort vorhandenen Netzwerken: „Wir können Investoren auf sehr kleinem Raum komplexe Netzwerke aus Versorgung, Infrastruktur, Logistik und Nähe zum Abnehmer bieten“, verdeutlicht Söder. Dazu kommt der Faktor „Made in Germany“, der für manchen Produzenten eine wichtige Rolle spielt. „Für den chinesischen Diagnostik-Hersteller Rose Europe war dies ein wichtiger Aspekt für die Ansiedlung im Industriepark Höchst“, berichtet Andreas Brockmeyer. Dazu kommen Netzwerke außerhalb des Industrieparks: „In Bayern haben sich inzwischen einige Cluster – beispielsweise mit der Nähe zu Abnehmerindustrien wie den Automobilherstellern – gebildet“, verdeutlicht Walter Kraus einen weiteren Vorteil.
Ein Problem für die rechtlich selbstständigen Standortbetreiber ist deren fehlender Einfluss auf die Geschäftsmodelle der Ansiedler: Hatten vor der Öffnung der Chemiestandorte multinationale Konzerne wie Bayer oder Hoechst dafür gesorgt, dass die Standorte bei Produktionsverlagerungen durch die Verlegung oder Gründung neuer Betriebe ausgelastet blieben, so kommt diese Aufgabe heute und vermehrt in der Zukunft auf die Chemiepark-Betreiber zu. „Für diese Aufgabe haben die Standorte keine generelle Lösung“, stellt Klaus-Dieter Juszak fest. Und so ist es für die Standorte umso wichtiger, ihre spezifischen Vorteile darzustellen und durch Wirtschaftlichkeitsrechnungen zu belegen. „In vielen Fällen konnten wir nachweisen, dass die Produktion im Industriepark Höchst günstiger ist als im Ausland“, nennt Andreas Brockmeyer ein Beispiel. In Heinsberg wurde die Ansiedlung des japanischen Faserherstellers Toho Tenax zu einer Erfolgsgeschichte: „Der Industriepark Heinsberg konnte sich gegen Standorte in USA und Japan durchsetzen“, berichtet Petronella Gerards.
Attraktives Umfeld für qualifizierte Arbeitnehmer
Und spätestens dann kommen auch weiche Faktoren zum Tragen: „Der Standort Deutschland hat Mitarbeitern und Familien aus dem Ausland etwas zu bieten“, bringt es Thilo Höchst, Geschäftsführer der Fachvereinigung Chemieparks im VCI, auf den Punkt. Ob Kultur, Bildungsangebote oder die Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung: Während es für viele Unternehmen inzwischen Probleme bereitet, qualifizierte Mitarbeiter für einen längeren Aufenthalt in den entwicklungsbedürftigen „Emerging Markets“ zu gewinnen, werben Chemieparks in Deutschland mit Aussagen wie „Arbeiten, wo andere Urlaub machen“ (Gersthofen).
Allerdings sind die vielen individuellen Vermarktungsansätze der einzelnen Chemiestandorte und Regionen im Ausland für potenzielle Investoren auch verwirrend und führen zu einem diffusen Außenbild der deutschen Chemieparks. Auch regionale Initiativen wie ChemCologne, ChemSite, ChemCoast oder CeChemNet konnten daran bislang wenig ändern. In einer gemeinsamen Anstrengung mit Invest in Germany versucht die Chemiepark-Fachvereinigung im VCI das Außenbild des Landes insgesamt zu prägen. Da jedoch jeder Industriepark selbst Investoren anziehen möchte, dürfte jedoch vor allem die Aufgabe, das Produkt „Chemiepark“ zu erklären, im Vordergrund stehen. „Die Vorteile des Chemiepark-Konzepts darzustellen, ist die wichtigste Aufgabe im Außenmarketing“, ist sich Petronella Gerards sicher. Dem stimmt auch Jörg-Michael Söder zu: „Das Konzept ´Chemiepark´ bekannter zu machen, ist eine permanente Aufgabe – sowohl im In- als auch im Ausland.“
„Wir müssen das Thema Internationalisierung von innen heraus entwickeln“
Dr. Andreas Brockmeyer, Leiter Standortansiedlung bei Infraserv Höchst
„Die in Chemieparks ansässigen Unternehmen sind die Kristallisationskeime“
Dr. Klaus-Dieter Juszak, Vorsitzender der Fachvereinigung Chemieparks/Chemiestandorte im Verband der Chemischen Industrie, VCI
„Es ist durchaus möglich, die Personalkosten in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern günstig darzustellen“
Petronella Gerards, Leiterin Industrieparkmarketing, Nuon Industriepark Oberbruch
„Genehmigungsverfahren sind in Deutschland inzwischen deutlich schneller als in anderen europäischen Ländern“
Birgit Schneider, Geschäftsführerin der ChemCoast e.V.
„Das Rechtssystem in Deutschland mag von außen kompliziert erscheinen, aber es funktioniert sehr gut und bietet den Unternehmen einen sicheren Rahmen“
Hans-Jürgen Müggenborg ist auf Chemieparkrecht spezialisierter Fachanwalt
„Wir können Investoren auf sehr kleinem Raum komplexe Netzwerke aus Versorgung, Infrastruktur, Logistik und Nähe zum Abnehmer bieten“
Dr. Jörg-Michael Söder, Leiter Chemieparkmarketing bei Bayer Industry Services
„Wir müssen den Unternehmen am Standort immer wieder deutlich machen, welchen Vorteil die Gemeinschaft im Industriepark bietet“
Ingrid Knöpfle, IGS
„Die Tatsache, dass es einen Standortbetreiber gibt, der den Industriepark entwickeln will, ist für die Ansiedler von großem Vorteil“
Walter Kraus, Leiter Facility Management bei IGS
„Der Standort Deutschland hat Mitarbeitern und Familien aus dem Ausland etwas zu bieten“
Thilo Höchst, Geschäftsführer der Fachvereinigung Chemieparks im VCI
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