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Prototyp der mobilen Comprex-Unit. (Bild: Hammann)

  • Rohrleitungssysteme erfordern regelmäßige Reinigungsmaßnahmen, um den sauberen und effizienten Betrieb sicherzustellen. Darüber hinaus benötigen Produktleitungen, vor allem, wenn sie unterschiedliche Produkte transportieren, bei jedem Produktwechsel eine gründliche Reinigung.
  • Etablierte Verfahren erfordern ein hohes Maß an Integrationsaufwand oder erzeugen große Mengen an Abwasser und damit Entsorgungskosten.
  • Das vorgestellte Verfahren arbeitet mit wenig Wasser effizient und gründlich, erzeugt wenig Abwasser und ist einfach in bestehende Rohrleitungssysteme zu integrieren. Ein auf die Anforderungen der BASF angepasstes Gerät amortisierte sich durch gesparte Entsorgungskosten in kurzer Zeit.

Bei Produkten auf Wasserbasis, etwa wässrigen Lösungen, Emulsionen oder Dispersionen, dient oft die Wasserspülung dazu, verbleibende Reste des vorher beförderten Produkts auszutragen. Je nach Anforderungen an die Reinheit fallen dabei mehr oder weniger große Volumina an Abwasser an, die anschließend zu entsorgen sind. Die Kosten dafür machen häufig einen großen Anteil der betrieblichen Ausgaben aus. Hinzu kommt, dass industrielle Anlagen häufig kritische Stoffe enthalten, die gesondert zu sammeln und aufwendiger zu entsorgen sind. Deshalb liegt es auf der Hand, die Spülung – oder besser ausgedrückt – die Reinigung wirksam zu gestalten, um möglichst wenig Abwasser zu erzeugen.

Luft statt Molche

Eine Möglichkeit ist der Einsatz von Molchen. Für dieses Reinigungsverfahren werden Schleusen benötigt, um den Molch in den zu reinigenden Rohrleitungsabschnitt einzubringen und anschließend wieder herausnehmen zu können. Problematisch sind bei diesem Verfahren geometrische Änderungen in der Rohrleitung wie Nennweitenwechsel, Formstücke mit engen Radien oder bestimmte Armaturen. Pumpen, Absperrklappen oder Rückflussverhinderer lassen sich damit überhaupt nicht reinigen und müssen unter Umständen ausgebaut werden. Außerdem können beim Molchen vor allem in Produktleitungen für Dispersionen oder viskose Lösungen mehr oder weniger dicke Produktfilme an den Innenflächen der Leitung zurückbleiben.

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Druckluft und Wasser: schematische Darstellung des Comprex-Reinigungsverfahrens

Für solche Anwendungen eignet sich das von der Firma Hammann entwickelte Comprex-Verfahren. Die Reinigungsmethode basiert auf der kontrollierten, impulsartigen Zugabe von Druckluft in eine mit Wasser teilgefüllte Rohrleitung. Dies beschleunigt Wasserblöcke in der Leitung auf hohe Geschwindigkeiten bis 20 m/s. Dadurch werden Verunreinigungen, Ablagerungen oder im Falle von Produktleitungen auch Reste des transportierten Produktes mobilisiert und ausgetragen. Im Gegensatz zur konventionellen Wasserspülung fallen bei der Comprex-Reinigung allerdings bis zu zehnmal geringere Abwasser-Volumina an.

Häufige Produktwechsel erfordern aber eine jederzeit verfügbare Technik. Aus diesem Grund wurde der Bereich Anlagenbau und das Tochterunternehmen Hammann Engineering gegründet. Dieses konzipiert und baut Geräte und Zubehör für die Comprex-Reinigung. Diese sind je nach Anforderung des Produktionsbetriebs unterschiedlich.

Konzeptentwicklung und Testphase

Im Agroprodukte-Betrieb der BASF in Ludwigshafen, in dem Pflanzenschutzmittel abgefüllt werden, herrschen bei Produktwechseln hohe Anforderungen an die Sauberkeit der Produktleitungen. Hieraus ergeben sich besondere Maßnahmen, vor allem um Kreuzkontaminationen durch Produktreste sicher zu vermeiden als auch um den mikrobiellen Befall der Rohrleitungen zu verhindern. Bisher wurde diesen Anforderungen mit Wasserspülung begegnet, wobei große Mengen an VE-Wasser benötigt wurden. Die Comprex-Reinigung sollte gegenüber den bisherigen, sehr arbeits- und kostenintensiven Maßnahmen Vorteile bringen.

Folgende Rahmenbedingungen waren zu beachten:

  • zahlreiche Produktwechsel im Jahr,
  • mehrere Produktleitungen unterschiedlicher Länge,
  • minimale Umbaumaßnahmen an den bestehenden Anlagen,
  • keine Festinstallation, sondern eine mobil im gesamten Betrieb einsetzbare Lösung,
  • möglichst einfacher Prozessablauf mit geringem Bedienaufwand,
  • Reinigen mit Druckluft und VE-Wasser aus vorhandenem Netz,
  • Trocknen der Rohrleitung nach erfolgter Reinigung,
  • möglichst geringe Mengen an VE-Wasser und somit produktbelastetem Abwasser,
  • Kosteneinsparung vor allem durch verringerte Abwassermengen und Stillstandzeiten.
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Kodierte Trockenkupplungen vermeiden Fehler beim Anschließen der Leitungen.

Im ersten Schritt war es notwendig, die Wirksamkeit der Comprex-Reinigung unter Beweis zu stellen. Mehrere Versuchsreinigungen mit Comprex-Einheiten im Jahr 2017 zeigten, dass das Verfahren geeignet ist. Der gegenüber der bisherigen Wasserspülung um etwa 50 bis 75 % verringerte Wasserbedarf zeigte das hohe Einsparpotenzial für thermische Abwasserentsorgung auf. Der Weg war frei für die Entwicklung und den Bau eines angepassten Prototyps.

Flexible Reinigungstechnik für den Betrieb

Das spezielle Gerät mit der Bezeichnung A8700 bezieht Strom, VE-Wasser und Druckluft aus den entsprechenden Betriebsnetzen des Chemiekonzerns. Die Steuerung erfolgt über eine an die Anforderungen des Abfüllbetriebs angepasste Software. Die Versuchsreinigungen bestätigten das Wertschöpfungspotenzial. Sie ermöglichten darüber hinaus, die Anforderungen an die endgültige Reinigungseinheit zu verfeinern. Dazu zählten:

  • fahrbare Ausführung für verschiedene Einspeise­stellen,
  • Bauteile und Werkstoffe nach BASF-Spezifikationen,
  • kodierte Trockenkupplungen, um Anschlussfehler zu verhindern,
  • Größe des internen Druckluftbehälters von 1.000 Litern,
  • interne Druckluft- und Wasserregelung,
  • individuelle Reinigungsprogramme für jeden Rohrleitungsabschnitt im Abfüllbetrieb,
  • einfache Touchscreen-Bedienung mit Symbolen und den wichtigsten Informationen,
  • automatisch ablaufende Reinigung und anschließende Trocknung,
  • Dokumentation jedes Vorgangs einschließlich Bedarf an Druckluft und VE-Wasser,
  • Zugabe von zusätzlichen Reinigungsmitteln möglich.

Das Erstellen der für den Agroprodukte-Betrieb angepassten Software sowie die Planung und der Bau der einzelnen Komponenten nach BASF-Vorgaben war Anfang 2018 abgeschlossen, sodass die Auslieferung des Gerätes im Frühjahr 2018 möglich war. Nach der Inbetriebnahme im Sommer 2018 erfolgten zusammen mit dem Auftraggeber noch kleine Optimierungen an der Software. Seit Ende 2018 arbeitet das Gerät zuverlässig und erfolgreich. Die Investition amortisierte sich bereits nach kurzer Zeit.

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Die Bedienung erfolgt komfortabel per Touchscreen.

Mit den ersten Wochen im Regelbetrieb ist die Betriebsmannschaft äußerst zufrieden. Die anfallende Menge an produktbelastetem Abwasser ließ sich um durchschnittlich 70 % verringern. Dies stellt einen wichtigen Beitrag in Richtung Nachhaltigkeit dar. Nicht zuletzt spart der Betreiber dadurch jährlich erhebliche Entsorgungskosten und reduziert den CO2-Ausstoß für das Verbrennen der Abwässer.

Die begleitende laborseitige Beprobung des Reinigungsergebnisses lag in allen Fällen deutlich unterhalb des Grenzwertes. Die Werte deuten auf ein weiteres Optimierungspotenzial hinsichtlich des Wasserbedarfs hin. Hierzu sind in nächster Zeit weitere Anpassungen des Reinigungsverfahrens geplant.

 

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