Die zirkuläre Ökonomie des Plastikrecyclings.

Die zirkuläre Ökonomie des Plastikrecyclings. (Bild: Die Grafik wurde aus Wei et. al. ACS Catal. 2022, 12, 3382−3396 übernommen und abgeändert.)

Industriell angewendetes Plastikrecycling kann auf verschiedene Arten erfolgen. Die meist genutzten sind Energierückgewinnung (Verbrennung), mechanisches und chemisches Recycling. Alle drei genannten Prozesse werden bereits industriell genutzt und bergen Nachteile. Bei der Energierückgewinnung ist es offensichtlich, dass sich die verbrannten Materialien nicht zu neuen Plastikprodukten umsetzen lassen, sodass nicht erneuerbare Ressourcen weiterhin für das Herstellen von Kunststoffen verwendet werden müssen. Des Weiteren werden hierbei große Mengen Kohlenstoffdioxid (CO2) freigesetzt, welche die Umwelt belasten.

Mechanisches Recycling bietet die Möglichkeit, aus dem gewonnenen Material wieder neue Produkte zu formen. Durch mechanisches Recycling besitzen die neuen Kunststoffprodukte jedoch meist eine geringere Qualität im Vergleich zu den ursprünglichen Produkten. Somit kann der Prozess oft nur wenige Male durchgeführt werden, bevor das entsprechende Plastikprodukt schlussendlich doch in der Verbrennung landet. Auch wird für eine Steigerung der Qualität oft Neuware zugegeben. Beim mechanischen Recycling handelt es sich daher nicht um einen geschlossenen Kreislauf, da weiterhin nicht erneuerbare Ressourcen verbraucht werden.
Das chemische Recycling hat den Vorteil, dass ausgewählte synthetische Polymere in ihre Monomere oder sogar in ihre Bausteine zerlegt werden können. Diese Untereinheiten können dann wiederum für den Aufbau neuer synthetischer Polymere genutzt werden, ohne dass die Qualität des Endproduktes leidet. Bisher kann das Verfahren nicht für alle Plastikarten industriell angewendet werden und der Prozess ist sehr energieaufwendig. Ein chemisches Recycling von Polyethylenterephthalat (PET) findet beispielsweise bei hohem Druck und hohen Temperaturen statt.

Enzymatisches Plastikrecycling – eine Alternative?

Eine Alternative zu den herkömmlichen Recyclingwegen bietet das enzymatische Recycling. Es hat den Vorteil, dass die für die Reaktion eingesetzten Enzyme als natürliche Biokatalysatoren bei moderaten Temperaturen, neutralem pH-Wert und normalem Druck arbeiten können. Der enzymatische Abbau von Kunststoff eröffnet die Möglichkeit einer zirkulären (Bio-)Ökonomie. Nachdem ein Kunststoffprodukt gekauft und genutzt wurde, wird dieses enzymatisch in seine Monomere (kleinste Untereinheit) zerlegt, welche dann für die Produktion neuer, gleichwertiger Kunststoffprodukte verwendet werden können. Langfristig müssen dadurch deutlich weniger fossile Ressourcen zum Herstellen synthetischer Polymere verwendet werden.

Enzyme sind nicht nur aus Energiespargründen eine geeignete Alternative im Plastikrecycling, sie sind zudem biologisch abbaubar, was die Entsorgung vereinfacht. Es handelt sich um sehr spezifische, biologische Katalysatoren, die für das Thema Plastikrecycling seit einigen Jahren verstärkt erforscht werden. Dabei sind die größten Erfolge bisher für PET erzielt worden. Die Firma Carbios (Frankreich) hat 2021 als erstes Industrieunternehmen eine Demonstrationsanlage für den enzymatischen Abbau von PET auf industriellem Maßstab in Betrieb genommen.


So funktioniert enzymatisches Reycling von PET

Das erste Enzym, welches in der Lage war, PET abzubauen, wurde bereits im Jahr 2005 im Organismus Thermobifida fusca gefunden (Müller et al. Macromol. Rapid Commun. 2005, 26, 1400-1405). Dieses Enzym konnte circa 8 bis 17 µm amorphes PET pro Woche bei 55 °C abbauen, was den Grundstein für die Forschung im Bereich des enzymatischen PET-Abbaus legte, jedoch war es für industrielle Zwecke nicht ausreichend effizient. Ein weiterer Meilenstein wurde im Jahr 2016 erreicht, als ein Bakterium namens Ideonella sakaiensis entdeckt wurde, welches PET nicht nur abbauen, sondern auch als Kohlenstoffquelle nutzen kann (Yoshida et al.
Science, 2016, 351(6278):1196-9). In dem Bakterium wurden zwei Enzyme gefunden, welche am PET-Abbau beteiligt sind. Ein Polymer spaltendes Enzym, die sogenannte PETase, sowie ein Zwischenprodukt spaltendes Enzym, die MHETase.

PET gehört zur Gruppe der Polyester. Die chemischen Bindungen, welche die Untereinheiten des Polymers verknüpfen, sind Esterbindungen. Sie bilden den Angriffspunkt im enzymatischen Abbau. Das PET-Polymer wird von Enzymen in seine Monomere Mono-(2-hydroxyethyl)terephthalsäure (MHET) und Bis-(3-hydroxyethyl)terephthalsäure (BHET) sowie seine Bausteine Terephthalsäure (TPA) und Ethylenglykol (EG) zerlegt. Die Abbauprodukte können nach einem Reinigungsschritt zum Aufbau von neuem PET verwendet werden.

So erfolgt der enzymatische Abbau von PET
So erfolgt der enzymatische Abbau von PET. (Bild: von Haugwitz)

Kunststoffrecycling: Der große Überblick

Mann mit Kreislaufsymbol auf dem T-Shirt
(Bild: Bits and Splits - stock.adobe.com)

Sie wollen alles zum Thema Kunststoffrecycling wissen? Klar ist, Nachhaltigkeit hört nicht beim eigentlichen Produkt auf: Es gilt Produkte entsprechend ihrer Materialausprägung wiederzuverwerten und Kreisläufe zu schließen. Doch welche Verfahren beim Recycling von Kunststoffen sind überhaupt im Einsatz? Gibt es Grenzen bei der Wiederverwertung? Und was ist eigentlich Down- und Upcycling? Alles was man dazu wissen sollte, erfahren Sie hier.

Wo die Enzyme die Moleküle abbauen

Frühere Forschung im Gebiet der Polyester führte zu dem Schluss, dass der enzymatische Abbau eher in den amorphen Stellen des Polymers stattfindet und nicht in den kristallinen Regionen. Kristalline Regionen unterscheiden sich durch die gut strukturierte Anordnung der Polymerstränge von der zufällig auftretenden Anordnung in den amorphen Stellen des Polymers. PET hat meist eine Kristallinität von 30 bis 40 % und besteht daher sowohl aus ungeordneten, zufällig angeordneten amorphen sowie aus gut strukturierten kristallinen Regionen. Auch der enzymatische Abbau von PET findet aufgrund der erhöhten Flexibilität des Polymers vorzugsweise in den amorphen Regionen statt. Ein gutes Verständnis der Erreichbarkeit der amorphen Stellen ist im PET-Abbau somit unabdingbar. Die Erreichbarkeit steigt mit zunehmender Flexibilität der Polymerstränge. Eine Steigerung der Reaktionstemperatur hin zur Glasübergangstemperatur von PET führt dazu, dass das Polymer von einem harten und spröden in einen gummiartigen Zustand übergeht. Die Glasübergangstemperatur liegt für PET bei rund 70 °C kann jedoch durch verschiedene Effekte gesenkt werden, beispielsweise durch den Plastifizierungseffekt in Wasser. Wasser wird in den meisten enzymatischen Reaktionen als Reaktant und Lösungsmittel eingesetzt.

Trotz dieser Effekte zeigt aktuelle Literatur, dass enzymatischer PET-Abbau am effektivsten im Bereich der Glasübergangstemperatur abläuft. Daher haben viele Wissenschaftler ihren Fokus nicht nur auf die Erhöhung der Enzymaktivität, sondern auch auf die Erhöhung der Schmelztemperatur der Enzyme gelegt. In den letzten 17 Jahren, seit der Entdeckung des ersten PET spaltenden Enzyms, sind viele weitere dieser Proteine entdeckt worden, welche PET abbauen können. Enzym-Engineering, also die Optimierung eines Biokatalysators durch Austausch bestimmter Aminosäuren in seiner Struktur, führte zu Mutanten der gefundenen Enzyme, die höchst effizient im Bereich der Glasübergangstemperatur arbeiten können. Auch Mutanten mit gesteigerter Aktivität wurden hergestellt sowie der generelle Prozess des PET-Abbaus optimiert.

Amorphe und kristalline Regionen im PET-Polymer.
Amorphe und kristalline Regionen im PET-Polymer. (Bild: von Haugwitz)

Dieses Enzym ermöglicht den industriellen Einsatz des Verfahrens

Dies führte schließlich zu einer Variante der Leaf compost Cutinase (LCC), welche 90 % PET (200 g/l) innerhalb von 10 h bei circa 72 °C abbauen kann (Tournier et al. Nature 2020, 580, 216-219). Diese Variante führte dazu, dass enzymatisches Recycling von PET im Jahre 2021 zum ersten Mal in einer Demonstrationsanlage der Firma Carbios auf industriellem Maßstab angewendet werden konnte. Für die industrielle Nutzung werden die Enzyme von Mikroorganismen wie Bakterien oder Pilzen produziert. Oftmals werden die Enzyme genetisch angepasst, sodass sie von dem produzierenden Organismus direkt ins Nährmedium sekretiert werden und dann durch einen Filtrationsschritt von den Mikroorganismen getrennt werden können. Unter Beachtung der richtigen Temperatur-, Salz- und pH-Bedingungen können die Biokatalysatoren dann für den PET-Abbau eingesetzt werden.


Enzymatisches Recycling bei weiteren Plastikarten möglich?

Aus chemischer Sicht können synthetische Polymere eine ganze Reihe verschiedener Strukturen annehmen. Polymere mit heteroatomarem Rückgrat, so wie PET, bilden eine Angriffsfläche für Enzyme, da sie sogenannte funktionelle Gruppen besitzen, welche von den Enzymen erkannt und hydrolysiert werden können. Es gibt jedoch auch Polymere mit einem homoatomaren Rückgrat, zum Beispiel Polyethylen, welche für das enzymatische Recycling nach wie vor eine große Herausforderung darstellen. In jüngsten Publikationen ist es jedoch gelungen, mehrere dieser homoatomaren Plastikarten auch mit nachhaltigeren Methoden abzubauen. Geforscht wird derzeit beispielsweise an verschiedenen Larven und Motten, welche in der Lage sind, das Plastik zu fressen und vermutlich in ihrem Verdauungstrakt in kleinere Bestandteile zu zerlegen. Bis diese Methoden industrielle Anwendung finden, werden jedoch noch viele Jahre in die Forschung investiert werden müssen.

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